Scharfe Kritik am Abschiebeflug nach Afghanistan
Deutschland hat 81 afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben. Menschenrechtsorganisationen zeigen sich entsetzt. Innenminister Dobrindt verteidigt das Vorgehen - und verweist auf die Straftaten der Ausgewiesenen.
Der Abschiebeflug mit 81 afghanischen Staatsangehörigen hat scharfe Kritik ausgelöst. Die menschenrechtliche Lage in Afghanistan sei katastrophal. "Außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter" seien dort an der Tagesordnung, hieß es von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Niemand verdiene das, "auch nicht Straftäter", erklärte die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Julia Duchrow. "Menschenrechte gelten entweder für alle Menschen, oder für niemanden."
UN-Hochkommissar für "sofortigen Stopp"
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Volker Türk, kritisierte jegliche Abschiebungen von Afghanen in ihr Heimatland scharf. "Türk fordert einen sofortigen Stopp der gewaltsamen Rückführung aller afghanischen Flüchtlinge und Asylsuchenden, insbesondere derjenigen, denen bei ihrer Rückkehr Verfolgung, willkürliche Inhaftierung oder Folter drohen", teilte sein Büro mit.
Die Kritik gelte auch für Deutschland, sagte die Sprecherin des Büros, Ravina Shamdasani, auf Nachfrage. "Menschen sollten nicht nach Afghanistan zurückgeschickt werden", sagte sie. Vielen drohten dort Folter, unmenschliche Behandlung und Bestrafung. Zudem sei die humanitäre Lage verheerend.
Pro Asyl: "Eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht"
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sprach von einem "eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht". Die Europäische Menschenrechtskonvention verbiete Abschiebungen, wenn Folter oder unmenschliche Behandlung drohten, erklärte Wiebke Judith, die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl.
Dobrindt verteidigt Abschiebungen
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt verteidigte die Abschiebungen: Mit dem nun erfolgten Abschiebeflug werde ein weiterer Teil des Politikwechsels umgesetzt, erklärte er. Abschiebungen nach Afghanistan müssen auch zukünftig gesichert stattfinden können. Es gibt kein Aufenthaltsrecht für schwere Straftäter in unserem Land." Die Rückführung kam seinen Angaben zufolge erneut mithilfe des Golfemirats Katar und über "technische Kontakte" mit Afghanistan zustande.
Am Morgen war in Leipzig erstmals seit knapp einem Jahr wieder ein Abschiebeflug nach Afghanistan gestartet. Der aktuelle Abschiebeflug nach Kabul erfolgte mit einer Maschine von Qatar Airways. An Bord seien 81 vollziehbar ausreisepflichtigen afghanischen Männern gewesen, teilte das Bundesinnenministerium mit. Diese seien vollziehbar ausreisepflichtig und in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten. "Es geht vor allem darum, dass wir Deutschland sicherer machen und dafür sorgen, dass schwere und schwerste Straftäter abgeschoben werden", hatte Dobrindt im ARD-Morgenmagazin gesagt.
"Geht dabei um schwere und schwerste Straftäter", Alexander Dobrindt, CSU, Innenminister, zum Abschiebeflug nach Afghanistan
Morgenmagazin, 18.07.2025 05:30 UhrDer Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter kritisierte die Kontakte zwischen der Bundesregierung und der militant-islamistischen Taliban-Regierung in Afghanistan. In Afghanistan regierten "islamistische Terroristen", und Gespräche mit ihnen bedeuteten eine "massive Aufwertung von islamistischem Terror". Zwar könne es "erstmal richtig sein", Straftäter des Landes zu verweisen. Es könne aber auch "noch sicherer sein, wenn so jemand im Gefängnis" sitze, sagte Hofreiter.
Merz: Diplomatische Taliban-Anerkennung kann es nicht geben
Kanzler Friedrich Merz widersprach dem Eindruck, die Bundesregierung bereite eine förmliche Anerkennung der islamistischen Taliban vor. "Eine diplomatische Anerkennung des Taliban-Regimes steht überhaupt nicht zur Entscheidung an. So etwas kann es gar nicht geben", sagte der CDU-Vorsitzende in seiner ersten Sommer-Pressekonferenz als Regierungschef. Es habe lediglich sogenannte technische Kontakte unter Einbeziehung des Golfemirats Katar zur Vorbereitung der Abschiebung gegeben.
Die Verhandlungen über den Flug, der am Morgen Richtung Kabul gestartet war, seien über viele Wochen von mehreren Teilen der Bundesregierung geführt worden, sagte Merz. Deutschland erkenne die De-facto-Regierung in Afghanistan nicht an, habe aber die diplomatischen Beziehungen zu dem Land nie abgebrochen. Da es diplomatische Beziehungen zwischen Staaten und nicht zwischen Regierungen gebe, habe es eine Möglichkeit gegeben, Gespräche zu führen, fügte er hinzu. Bis auf Weiteres werde es bei "technischen Abstimmungen" bleiben.
Dank an Katar
Ausdrücklich dankte Merz dem Emir von Katar. Dessen Regierung habe eine wichtige Rolle auch bei diesem Abschiebeflug gespielt. Zuvor hatten sich auch die Taliban zu der Abschiebung geäußert. Nach "detaillierten Gesprächen" mit der Bundesrepublik Deutschland seien Dokumente für die Abgeschobenen ausgestellt worden, erklärte ein Sprecher des afghanischen Außenministeriums auf der Internetplattform X . Er dankte zugleich Katar für die Vermittlung.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) teilte mit, von 81 ausgeflogenen Afghanen kämen 15 aus bayerischen Haftanstalten. Zu den von ihnen begangenen Straftaten zählten Sexualstraftaten, Mord und Totschlagsdelikten sowie schwerere Körperverletzungs- und Eigentumsdelikte. Aus Baden-Württemberg wurden nach Angaben der dortigen Landesregierung 13 Afghanen abgeschoben, die wegen Tötungs-, Körperverletzungs- und Betäubungsmitteldelikten sowie schwerer Brandstiftung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren.
Zweiter Abschiebeflug nach Machtübernahme der Taliban 2021
Der erste Abschiebeflug seit Antritt der schwarz-roten Regierung unter Merz war unmittelbar vor Beginn eines Treffens von Bundesinnenminister Dobrindt und mehreren EU-Kollegen auf der Zugspitze gestartet, bei dem es um eine Verschärfung der EU-Asylpolitik gehen soll. Es ist der zweite Flug dieser Art nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban im August 2021. Der zuvor letzte Abschiebeflug mit Straftätern nach Afghanistan hatte noch in der Zeit der Ampelregierung im Bund im August 2024 stattgefunden.
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