• In absoluten Einzelfällen kann der assistierte Suizid bei schwersten psychischen Erkrankungen gerechtfertigt sein, findet die deutsche Gesellschaft für humanes Sterben.
  • Gerade in psychischen Ausnahmesituationen ist der Wille der Betroffenen schwer einzuschätzen, sagt ein Psychater
  • Die Deutsche Depressionshilfe fürchtet eine Normalisierung von assistierten Suiziden.

Menschen mit schweren Depressionen oder schizophrenen Persönlichkeitsstörungen leiden manchmal Jahre bis Jahrzehnte unter ihrer psychischen Erkrankung. Immer wieder tauchen Todeswünsche auf, sie sind ein Symptom vieler psychischer Erkrankungen.

Ist der Leidensdruck ähnlich gravierend wie bei einer körperlichen Erkrankung? Dann wäre ein assistierter Suizid, nach einem Urteil vom Bundesverfassungsgericht 2020 gerechtfertigt.

Schwerste Krisen: Sterbehilfe in Einzelfällen möglich

Wega Wetzel von der deutschen Gesellschaft für humanes Sterben, kurz DGHS, kennt Fälle, wo die Belastung durch eine psychische Erkrankung die Sterbehilfe rechtfertigen konnte: "Das gab es im Einzelfall schon mal bei sehr langjährigen Depressionen, wo derjenige und auch die behandelnden Ärzte zu dem Entschluss gekommen sind, dass derjenige da mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr rauskommt."

Manische Depression: Wille der Betroffenen schwer einschätzbar

Weniger als eine Handvoll seien das in den letzten Jahren gewesen, gibt Wetzel zu bedenken, es gehe also hier um Einzelfälle.

Doch selbst die lösen bei Ulrich Hegerl Unbehagen aus, sagt der Psychiater und Vorsitzende der Deutschen Depressionshilfe: "Bei psychischen Erkrankungen erscheint mir das einfach falsch. Es gibt viele Fälle, wo schwere Fälle vorliegen, zum Beispiel bei manisch-Depressiven. Ich habe jetzt eine Patientin vor Augen, die über Jahre gekämpft hat und immer wieder Phasen hatte, wo es ihr gut ging. Aber dann ist sie wieder reingerutscht und es war nicht richtig in den Griff zu kriegen. Irgendwann wurde dann aber eine richtige Behandlung gefunden und dann war sie dankbar, dass sie am Leben war.“

Das habe Hegerl bei seiner jahrzehntelangen Arbeit mit Depressionen immer wieder erlebt. Er glaubt nicht, dass psychisch Kranke eine endgültige Entscheidung gegen ihr Leben treffen sollten.

Normalisierung des assistierten Suizids befürchtet

Außerdem fürchtet er eine Normalisierung des assistierten Suizids: "Tabus haben ja häufig auch eine sehr wichtige Rolle in Gesellschaften. Sie sind nicht etwas, was man immer nur gleich beseitigen muss, das muss man bedenken. Ich glaube, dass man in Deutschland eine Zunahme an Suiziden und auch an schrecklichen krankheitsbedingten Suiziden durch 'Normalisierung' des Suizids haben wird."

In den Niederlanden habe sich die Zahlen der assistierten Suizide in den letzten rund 20 Jahren verfünffacht, auf knapp 10.000 Menschen jährlich. Darunter auch einige mit psychischen Erkrankungen.

Wunsch nach Suizid: Abwägung von Lebensschutz und Grundrecht

Eine derartige Zunahme von Todesfällen befürchtet Hegerl auch in Deutschland. Es sei eine schwierige Entscheidung, wenn sich psychisch kranke Menschen für eine assistierten Suizid bei der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben melden.

Das findet auch Wega Wetzel, Sprecherin der Organisation: "Weil man eben nicht wirklich weiß: Ist derjenige noch erreichbar, springt der auf eine Therapie an, oder verwehrt man ihm die Ausübung eines Grundrechtes, indem man pauschal die Tür zuschlägt und sagt, eine Suizidhilfe kommt nicht in Frage. Das wäre auf der anderen Seite genauso schwierig."

Wer als Arzt oder Ärztin eine schwerkranke Person nach reiflicher Abwägung beim Suizid begleitet, muss nicht mit einer Haftstrafe rechnen, auch wenn es dabei um eine psychisch kranke Person geht – aber eben nur, wenn zweifelsfrei ist, dass die Entscheidung zum Suizid von der betroffenen Person freiverantwortlich getroffen wurde und das mit einem Gutachten belegt ist.

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