Wie das Erzgebirge um Einwohner kämpft
- Mit Erfolgsgeschichten um Rückkehrer und Zuwanderer werben
- Wie Erzgebirger mit Optimismus düsteren Prognosen trotzen
Ein Haus entsteht, ganz aus Holz – Made im Erzgebirge. Philipp Siegel und sein Team bauen Modulhäuser – möglichst nachhaltig ohne Folien, Klebstoffe, Farben. Stattdessen Vollholz aus heimischen Wäldern. Einzelne kleine Gebäude lassen sich vor Ort beliebig kombinieren. Das, was Siegel hier gerade baut, wird einer Familie in Brandenburg geliefert. Per Lkw.
"Das ist schon etwas anderes, was wir machen. Keine klassische Zimmerei, wo man ins Nachbardorf fährt und einen Dachstuhl stellt. Es ist eher ein Fertighaus Plus", erklärt Siegel und deutet nach rechts: "Gerade da drüben in dem Modul: Da wird die Küche mitgeliefert. Das Bad ist fertig, Wasser ran und ab aufs Klo."

Das Bad ist fertig, Wasser ran und ab aufs Klo.
2019 hat sich Siegel mit "Reset House" in einem Ortsteil von Annaberg-Buchholz selbstständig gemacht. Der 35-Jährige schätzt seine Heimat – zum Leben und Arbeiten. "Ich kenne hier sehr viele junge selbständige, dynamische Leute, mit denen ich gern zusammenarbeite, auf die Verlass ist. Es gibt so eine gewisse Mentalität im Erzgebirge. Das habe ich auch schon von meinen Kunden gehört: Wo andere sagen würden, das geht nicht, da sagen wir: geht los!"

Wie der ländliche Raum von der "Glokalisierung" profitieren könnte
Genau dieses Bild: junges, innovatives Unternehmertum, Anpacker-Mentalität will Daniel Schalling von der Wirtschaftsförderung Erzgebirge in die Welt senden. Er will den Landkreis zu einer "Progressiven Provinz" machen, sagt er. "Nach vorne denken, offen sein, zukunftsgerichtet agieren und gleichzeitig das Festhalten an dem, was wir sind: ein ländlicher Raum mit unseren Traditionen."
Seit fünf Jahren richtet die Wirtschaftsförderung ihr Handeln an dem Konzept "Progressive Provinz" aus: vernetzt Unternehmen und Wissenschaft, erzählt Erfolgsgeschichten, lockt Rückkehrer und Zuwanderer über Kampagnen in den Großstädten an und hilft ihnen im Welcome-Center beim Ankommen. Das immer wiederkehrende Symbol: zwei gekreuzte Hämmer in bunten Farben, die an die Bergbautradition erinnern.
Entwickelt hat das Regionalentwicklungskonzept "Progressive Zukunft" das Zukunftsinstitut. Zukunftsforscher Daniel Dettling erklärt, worauf es dabei ankommt: "Die progressive Provinz steht für zukunftsgewandte, weltoffene Regionen, die vom neuen Trend der 'Glokalisierung' profitieren, also der Verbindung von global und lokal." Auch ländliche Räume könnten in Zeiten der Digitalisierung urban sein, es aufnehmen mit den großen Städten Chemnitz, Leipzig, aber auch Berlin.
So groß die Herausforderungen der Grenzregion auch seien – seinem Eindruck nach ist das Erzgebirge auf einem guten Weg: "Das wirkt alles sehr gut durchdacht", lobt er. "Auch das Design ist ansprechend. Das Symbol des Hammers finde ich sehr gelungen. Auch, wie man das dann übersetzt in die Moderne, in die Zukunft", erklärt Daniel Dettling.
Mit Optimismus den düsteren Prognosen trotzen
Nur: Geht das Konzept auch auf? Mit Blick auf den aktuellen Zukunftsatlas könnte man vermuten: nein! Das Wirtschaftsforschungsunternehmen "Prognos" erstellt alle drei Jahre ein Ranking, aus dem die Zukunftschancen aller Regionen in Deutschland hervorgehen. Das Erzgebirge rangiert auf Platz 366 von 400 – noch einmal leicht abgerutscht im Vergleich zur letzten Erhebung.
Auch die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung lässt eher schwarzsehen: Danach verliert der Erzgebirgskreis bis 2045 rund 70.000 seiner aktuell 320.000 Einwohner.

Daniel Schalling von der Wirtschaftsförderung bringt das nicht von seinen Plänen ab: "Wir nehmen unsere Region nicht als Problemraum wahr, sondern als Gestaltungsraum, als Raum der Möglichkeiten. Solange es Leute gibt, die hier mit Engagement was vorwärtstreiben, hier Dinge gestalten, solange wird es hier positiv vorwärts gehen."
Auch Holzhausbauer Philipp Siegel sieht das Erzgebirge nicht im Niedergang. Er beobachtet die Rückkehrer aus Städten wie Leipzig oder Dresden. Und auch er hat schon einen Kollegen zum Bleiben bewegt.
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