Arsen-Großeinsatz in Osterwieck: Mehrere Liter Chemikalien weiterhin vermisst
- In Osterwieck im Landkreis Harz hat es einen Chemie-Großeinsatz gegeben – gesucht werden weiterhin Flaschen mit Arsen.
- Aus einer Firma wurden erhebliche Mengen des Giftes gestohlen – und anschließend auch außerhalb der Firma verteilt. Wie die Täter auf das Gelände gelangt sind, ist noch unklar.
- Anwohner sollen vorsichtig sein und den Notruf wählen, wenn sie verdächtige Behälter entdecken.
Nach dem Chemie-Großeinsatz in Osterwieck im Landkreis Harz sucht die Polizei noch immer nach Flaschen mit der hochgiftigen Substanz Arsen. Wie der Landkreis am Mittwochnachmittag mitteilte, fehlen weiterhin vier Flaschen mit insgesamt zwei Litern flüssigem Arsentrichlorid. Wie viel Arsen insgesamt gestohlen wurde und ob weitere Stoffe fehlen, ist noch unklar.
Nach Angaben der Polizei wurden vor Ort Spuren gesichert – es seien etwa DNA-Proben und Fingerabdrücke genommen worden. Auch erste Vernehmungen haben demnach stattgefunden, bislang aber keine konkreten Hinweise auf die Täter gebracht.
Lage unter Kontrolle, Sperrungen aufgehoben
Seit Dienstagabend ist die Lage dem Landkreis zufolge unter Kontrolle. Feuerwehren und weitere Einsatzkräfte seien abgerückt und die Einsatzstelle der Polizei für weitere Ermittlungen übergeben. Die Warnmeldung der Harz-Leitstelle für die Bevölkerung wurde am Mittwochmorgen offiziell aufgehoben.
Auch die weiträumige Sperrung des Gebietes ist inzwischen aufgehoben. Laut Polizei sind die Bereiche rund um die betroffene Firma seit kurz nach 23 Uhr am Dienstag wieder frei.

Gift auf Feld entdeckt: Einbrecher hatten Arsen gestohlen und verteilt
Am Dienstagvormittag hatte der Landkreis Harz Alarm geschlagen, nachdem auf dem Firmengelände Behälter mit jeweils zwei bis drei Kilo Arsen gefunden wurden – in Form von Pulver und Granulat. Am frühen Morgen hatten Mitarbeiter der Firma die Behörden über die Funde und einen möglichen Einbruch informiert. Die Polizei bestätigte den Einbruch in die Firma am frühen Dienstagnachmittag offiziell.
Der mögliche Fluchtweg der Täter wurde mit einer Drohne abgeflogen, wobei auch auf einem angrenzenden Feld Behälter mit der giftigen Chemikalie entdeckt wurden. Sie konnten nach Angaben des Landkreises gesichert und die Behälter geborgen werden. Insgesamt gab es neun Fundorte. Verletzt wurde niemand.
Landkreis: Arsen nicht in Boden oder Wasser gelangt
Eine Gefahr für Böden und Grundwasser gebe es nicht, erklärte Alexander Beck vom Katastrophenschutz im Landkreis Harz dem MDR.
Wir können sagen, dass es aus unserer Sicht keine Gefährdung für das Grundwasser oder den Boden gibt. Die Stoffproben, die wir genommen haben, deuten darauf hin. Die Gebinde, die gefunden wurden, waren nur äußerlich beschädigt.
Dem Landkreis zufolge waren alle gestohlenen und im Anschluss aufgefundenen Arsen-Behälter intakt, sodass kein Arsen-Pulver oder -granulat verschüttet worden sei. Falls mit Blick auf die noch fehlenden Flaschen ein Austritt der Chemikalie in die Umwelt festgestellt werde – insbesondere in Gewässer oder den Boden – werde das Umweltamt des Landkreises Harz beteiligt und müsse über Schritte zur Gefahrenabwehr entscheiden.
Was ist Arsen?
Arsen ist ein giftiges Schwermetall (chemisch gesehen ein Halbmetall, As, Ordnungszahl 33). Es ist gefährlich für Augen und Atemwege, giftig bei Verschlucken oder Einatmen. Über einen längeren Zeitraum können kleine Mengen Hauterkrankungen, Störungen des Nervensystems und Krebs verursachen. Bei akuten Vergiftungen kann es zu Brechdurchfällen, Kreislaufkollaps und Atemlähmung kommen. Arsen wurde bis in die Achtzigerjahre als Pflanzenschutzmittel und bis in die Zweitausenderjahre als Holzschutzmittel verwendet. Arsen in der Luft stammt unter anderem aus Kupferhütten und Kohlekraftwerken. Die Hauptmenge des Rohstoffs Arsen fällt als Nebenprodukt bei der Gewinnung und Reinigung von Kupfer, Blei, Kobalt und Gold an. Es wird für Metall-Legierungen, in der chemischen Industrie und zur Herstellung von Spezialglas und Halbleitern eingesetzt. Arsen galt jahrhundertelang als Mordgift. In Kriminalromanen und Theaterstücken spielte das Gift eine wichtige Rolle.

Polizei: Kein "Dumme-Jungen-Streich"
Die Polizei teilte MDR SACHSEN-ANHALT mit, sie gehe nicht von einem Dumme-Jungen-Streich aus. Steffen Kuse, Leiter des Polizeireviers Harz, sagte auf einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag, es werde in alle Richtungen ermittelt. Kuse sagte, man versuche sich ein Bild zu machen, wer Interesse an solchen Stoffen haben könne. Auch ein Diebstahl auf Verdacht sei nicht ausgeschlossen.
Kuse wies darauf hin, dass das gestohlene Arsen hochgiftig sei. Selbst kleinste Mengen seien akut lebensgefährlich. Sollten die Täter also mit dem Stoff in Berührung gekommen sein, sei ihre Gesundheit gefährdet. Die Krankenhäuser in der Umgebung seien informiert, auf welche Vergiftungszeichen zu achten sei.
Wurde die Alarmanlage der Firma manipuliert?
Wie die Täter auf das Firmengelände gelangt sind, ist noch unklar. Das sagte Jan Freerks Riecken, Geschäftsführer der betroffenen Firma, MDR SACHSEN-ANHALT. Die Produktion war demnach ohnehin wegen Wartung unterbrochen – dennoch gibt es wirtschaftliche Schäden durch beschädigtes Material, das nicht mehr an Kunden ausgeliefert werden kann. Das Unternehmen PPM High Purity Metals GmbH stellt hochreine Metalle für die Elektronik- und Halbleiterproduktion her.
Nach MDR-Informationen soll die Alarm- beziehungsweise Überwachungsanlage des Unternehmens gezielt manipuliert worden sein, tags zuvor bei einem Warenaus- oder -eingang.

Etwa 200 Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr am Dienstag vor Ort
Bis zum Dienstagmittag waren nach neuen Angaben der Kreisverwaltung etwa 150 Einsatzkräfte vor Ort, zwischenzeitlich waren es rund 200 Helfer. Sie erkundeten das Firmengelände und dämmten den Gefahren-Stoff ein. Mit dabei waren auch Mitarbeiter des Umweltamtes und sogenannte ABC-Kräfte. Sie kommen zum Einsatz, wenn gefährliche Stoffe freigesetzt werden – zum Beispiel bei einem Chemie- oder Atomunfall.
Auch die Gesundheit der Einsatzkräfte werde entsprechend überwacht, erklärte Einsatzleiter Alexander Beck: "Wir haben für alle hier vor Ort befindlichen Einsatzkräfte ein Biomonitoring angeordnet. Das heißt, es wird zum Schutz der Einsatzkräfte aufgezeichnet, ob eine Exposition stattgefunden haben könnte. Das ist aber eine reine Vorsichtsmaßnahme."
Auch das mobile Spezial-Labor des Instituts für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge wurde laut Verwaltung alarmiert. Es kann von allen Feuerwehren im Land genutzt werden.

Was ist ABC-Alarm?
Ein ABC-Alarm wird ausgelöst bei Gefahren durch atomare (A), biologische (B) oder chemische (C) Stoffe. Das kann sein, wenn etwa ein Gefahrstoffaustritt, ein Terroranschlag oder ein Unfall mit radioaktiven, biologischen oder chemischen Substanzen vermutet oder bestätigt wird. ABC-Kräfte haben besondere Schutzanzüge und Geräte, um Menschen zu retten, Gefahren zu erkennen und Schäden zu begrenzen.
Verdächtige Behälter sollen gemeldet werden
Auf der Pressekonferenz am Dienstag warnte die Polizei die Bevölkerung davor, verdächtige Behälter, Flaschen oder Kartons zu berühren. Wer einen solchen Behälter finde, solle den Notruf 112 oder 110 wählen. Für Anwohner und Anlieger wurde bei der Stadt Osterwieck zudem ein Bürgertelefon eingerichtet. Dieses ist erreichbar unter 039421/793 112.
Zahlreiche Anrufe beim Bürgertelefon
Nach Angaben von Gundula Hauke vom Haupt- und Wirtschaftsamt Osterwieck gingen allein am Dienstag rund 60 Anrufe beim Bürgertelefon ein. Die Menschen wollten vor allem wissen, ob sie die Fenster wieder öffnen dürfen, welche Straßen noch gesperrt sind oder ob sie das Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten noch essen können, sagte Hauke MDR SACHSEN-ANHALT.
Am Mittwoch meldeten sich laut Hauke nur noch fünf Personen. Sie fragten unter anderem, warum sie nicht direkt von der Polizei über den Einsatz informiert wurden, warum kein Lautsprecherwagen durch die Straßen fuhr und warum die Warn-App bei ihnen nicht funktionierte.
MDR (Michel Holzberger, Norma Düsekow, André Plaul, Anja Höhne, Hanna Kerwin, Alexander Kühne, Susanne Liermann, Kalina Bunk) | zuerst veröffentlicht am 22. Juli 2025.
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