Ende der Stoffstrombilanz: "Lobbyinteressen dominieren gegenüber dem Gemeinwohl"
- Was wurde in der Stoffstrombilanz erfasst? Agrargenossenschaftsleiter Thomas Rößner erklärt.
- Die einzelnen Verursacher der Nitratbelastung sind mit der Stroffstrombilanz kaum zu ermitteln.
- Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube kritisiert die Dominanz von Lobby-Interessen gegenüber dem Gemeinwohl.
Wer bringt wie viel Dünger auf Deutschlands Flächen aus? Das sollte die Stoffstrombilanz beantworten. Agrargenossenschaftsleiter Thomas Rößner listet auf, was erfasst werden musste: "In dieser Stoffstrombilanz hat man eingepflegt, wie viele Tiere ich im Betrieb habe, wie viel aus den Tieren am Ende dann rauskommen müsste, also in der Gülle, wie viel Phosphor, wie viel Stickstoff da drin ist. Wie viele Tonnen pro Hektar ich geerntet habe, wie viel ich dem Boden entzogen habe. Und das Ganze ist dann sozusagen in einer Bilanz dargestellt."
Rößner ist Agrarproduzent bei Leipzig. Er und seine 70 Mitarbeitenden bewirtschaften über 3.000 Hektar Ackerland, eine Schweinezucht und rund 900 Milchkühe. Die Bilanz haben seine Mitarbeiter erstellt, etwa eine Woche Arbeit pro Jahr, schätzt Rößner. Dass sie jetzt wegfällt, sieht er positiv: "Die Regeln sind die gleichen. Aber wir haben jetzt einmal Bürokratie weniger an der Stelle."
Agrarwissenschaftler verteidigt Stoffstrombilanz
Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube von der Uni Kiel sieht jedoch mehr als den bürokratischen Aufwand. Aus seiner Sicht hätte die Bilanz zeigen können, welche Betriebe tatsächlich für zu hohe Nitrat- und Stickstoffwerte verantwortlich sind. Und Ziel war auch, "dass die jetzige Düngeverordnung, dass dieses System abgelöst wird von einem Bürokratie-vereinfachten Modell, was auf Belegen beruht und was klassisches Controlling ist für jeden wirtschaftenden Betrieb, auch außerhalb der Landwirtschaft, also zu wissen, was geht rein in den Betrieb und was geht raus".
Laut der aktuellen Düngeverordnung wird die Nitratbelastung durch Dünger an bestimmten Messstellen ermittelt. Das ist allerdings eine Summe aus dem Wirtschaften von allen Landwirten in der Gegend. Einzelne Verursacher sind so kaum zu ermitteln. Das bemängelt auch Harald Gülzow vom Wasserschutzverein VSR Gewässerschutz: "Durch die Stoffstrombilanz hätte man natürlich den einzelnen Landwirt finden können, der mehr Beratungsbedarf hat, wie man düngt, als derjenige, der so schon gut düngt."
FDP und CDU verhinderten Konsequenzen für Betriebe
Doch genau das wurde nie umgesetzt. Die FDP in der Ampel sowie CDU-geführte Länder verhinderten, dass die Bilanz Konsequenzen für die einzelnen Betriebe hatte. Bilanziert wurde also nur für die Schublade. Der Bauernverband bezeichnet die Stoffstrombilanz deshalb als ineffiziente Doppelbürokratie.
Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube kritisiert, dass der Verband die ursprüngliche Idee für das Instrument dabei gar nicht mehr benennt: "Diese Abschaffung der Stoffstrombilanz bedeutet, dass Lobby-Interessen wissenschaftliche Erkenntnisse komplett beiseite schieben und damit die Interessen einer kleinen Gruppe gegenüber dem Gemeinwohl dominieren können. Und damit bezahlt der Verbraucher."
Denn Wasser aufzubereiten, das durch Überdüngung belastet ist, ist teuer. Im aktuellen Koalitionsvertrag steht: Die Düngepolitik soll verursachergerecht werden. Friedhelm Taube sagt, die Wissenschaft sei sich einig: Die Stoffstrombilanz wäre dafür das richtige Instrument gewesen. Landwirtschaftsminister Alois Rainer hat angekündigt, eine Folgeregelung finden zu wollen.
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