Luke Littler gegen Beau Greaves – mehr geht im Duell Mann gegen Frau im Darts aktuell nicht. „Die meisten würden zustimmen, dass sie derzeit der beste männliche Spieler und die beste weibliche Spielerin der Welt sind“, schrieb das Portal „Dartsworld“ zum Aufeinandertreffen im Halbfinale der Jugend-WM am Montag. Der Ausgang des Spiels ist dennoch eine unfassbare Sensation. Die 21-jährige Greaves schlug den 18-jährigen Littler mit 6:5 und trifft Ende November im Finale auf den niederländischen Titelverteidiger Gian van Veen.

Greaves dominiert zwar die Frauen-Turniere seit Jahren. 8-12-8-14 lautet ihre Zahlenreihe, die ausdrückt, wie viele Turniere sie auf der Women's Series seit 2022 pro Jahr gewonnen hat. Littler aber agiert in ganz anderen Sphären. Der Engländer ist der Superstar seines Sports, hat am Wochenende nicht nur sein siebtes Major-Turnier gewonnen, sondern keinen geringeren als den Weltranglistenersten Luke Humphries im Finale mit 6:1 von der Bühne gefegt. Littler ist einer, der von seinen sportlichen Ambitionen für eine Jugend-WM eigentlich viel zu gut ist – und nun eben doch nicht im Finale steht.

Greaves, die ein Board im Kinderzimmer ihres älteren Bruders Taylor zum Sport brachte, fehlt zwar der Glamour-Faktor einer Fallon Sherrock, der bislang einzigen Frau, die Spiele bei der PDC-WM gewann. Sportlich hat sie der „Queen of the palace“ aber längst den Rang abgelaufen. Auf der Women's Series hat Greaves in diesem Jahr fast dreimal so viel Preisgeld eingespielt wie die Zweitplatzierte Sherrock (29.600 vs. 11.900 Pfund). Die vergangenen neun Events – 58 Spiele in Serie – hat Greaves für sich entschieden.

„Männer- und Frauen-Darts sollten getrennt sein“, forderte Greaves

„Ich habe noch keine andere Frau gesehen, die so gut Darts spielen kann wie Beau – sie ist ein Naturtalent. Wenn Beau gegen die anderen Frauen antritt, spielen wir normalerweise um den zweiten Platz“, sagt die englische Darts-Veteranin Deta Hedman (65). Greaves wird mit Lobpreisungen nur so überschüttet. Es stand schon vor dem jüngsten Erfolg gegen Littler außer Frage, dass sie das Potenzial hat, sich auch auf der männerdominierten Profitour nicht nur zu behaupten, sondern für Angst und Schrecken unter den Topstars zu sorgen. Nur genau das ist ihr furchtbar egal.

Greaves ist keine, die die große Bühne sucht. Zweimal hat sie ihre Teilnahme an der PDC-WM bereits abgesagt, um bei der Konkurrenz zu spielen. Den Titel bei der WDF hat sie in jenen Jahren, 2023 und 2024 dann auch gewonnen. Er ist allerdings von viel geringerem Stellenwert als jener der PDC. „Ich liebe es, in Lakeside (Lakeside Country Club, Austragungsort der WDF-WM, d. Red.) zu spielen“, schwärmte Greaves in der Vergangenheit dennoch – und ließ auch schon mal Kritik an der PDC durchblicken: „Der Ally Pally und die Umgebung sind kein Damen-Darts.“

Die 21-Jährige ging sogar so weit, eine striktere Geschlechtertrennung zu fordern. „Männer- und Frauen-Darts sollten getrennt sein. Ich glaube nicht, dass jemals eine Frau in den Ally Pally gehen und dort gewinnen wird. Wer das glaubt, ist naiv“, sagte Greaves im Juli letzten Jahres: „Ich glaube einfach nicht, dass wir jemals gut genug sein werden, um gegen Spieler wie Luke Humphries, Michael van Gerwen oder Littler anzutreten.“

Die Bühne scheint Greaves zu hemmen

Nun verkauft sich Greaves angesichts ihres so wunderbar weichen Wurfstils und ihrer Scoring-Power mit solchen Aussagen definitiv unter Wert. Fakt ist aber auch: Tatsächlich spielt Greaves vor allem dann ihre Weltklasse aus, wenn die TV-Kameras nicht auf sie gerichtet sind. Die Bühne scheint sie, die zu Beginn der Corona-Pandemie an Dartitis litt („Der schlimmste Alptraum eines Dartspielers“, sagte sie mal zu WELT), noch zu hemmen. Bei den Major-Turnieren, für die sie bislang qualifiziert war, musste sie regelmäßig früh die Segel streichen. Beste Platzierung: die Runde der letzten 64 bei den UK Open in diesem Jahr.

Ob der Sieg gegen Littler etwas an ihrer Einstellung geändert hat? In diesem Jahr ist Greaves erneut für die WM qualifiziert. Bislang gibt es keine Anzeichen, dass sie wieder zurückzieht. Ohnehin scheint „Beau ’n‘ Arrow“ stärker an ihrer PDC-Karriere zu schrauben. Über die Nachwuchsserie, die Development Tour, hat sie sich am Wochenende zum ersten Mal und als zweite Frau überhaupt die Tourcard gesichert. Und auch hier deutet alles darauf hin, dass sie die Herausforderung annehmen will. So jedenfalls will es DAZN-Kommentator Adrian Geiler „aus diversen Kreisen“ gehört haben, wie er im Podcast „Tops Tops Tops“ verkündete.

Die Konkurrenz jedenfalls ist schon jetzt gewarnt. „Sie wird in Zukunft eine echte Bedrohung für alle Spieler sein. Nicht nur für mich, sondern für alle“, sagte Luke Humphries im Rahmen des World Grand Prix‘ am Wochenende. Und Littler sagte: „Beau ist eine weitere Gefahr. Wenn jemand Beau kennt, dann weiß er, dass es ihr eigentlich egal ist (eine Tourkarte zu haben, d. Red.).“

Luca Wiecek ist Sportredakteur für WELT. Er spielt selbst Darts in der Berliner Oberliga für den VfD Rakete Berlin.

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