17 Jahre lang warten die Tottenham Hotspur auf einen großen Titel und holen diesen nun gegen Manchester United in der Europa League. Auch Stürmer Timo Werner darf seiner Vita den nächsten Titel anhängen. Dabei spielt er sportlich gar keine Rolle mehr.

Timo Werner hat Harry Kane einige Dinge voraus. Timo Werner hat bereits die Champions League gewonnen - mit dem FC Chelsea. Und Timo Werner ist seit diesem Mittwochabend Teil jener Mannschaft der Tottenham Hotspur, die die 17 Jahre andauernde Titellosigkeit beendet hat. Gegen Manchester United gibt es im Endspiel der Europa League einen knappen und kurios erspielten 1:0-Sieg. Die Erleichterung bei den Spurs ist gigantisch. Fassungslos vor Glück liegen die Spieler auf dem Rasen. Und Heung-Min Son telegrafiert via RTL Grüße nach München: "Wir haben es geschafft. Was soll ich sagen? Harry, wir haben den Pokal gewonnen."

Kane, der verlorene Sohn, hatte sich eine Ewigkeit daran abgearbeitet, sich und Tottenham mit einer Trophäe zu erlösen. Es gelang nicht. Erst beim FC Bayern konnte der Topstürmer in dieser Saison seinen Fluch besiegen. Und damit sind wir bei den Dingen, die Harry Kane Timo Werner voraus hat: Kane ist unumstritten. Er spielt und trifft. Er ist unverzichtbar. Werner dagegen kämpft verzweifelt um seinen Platz. Er kämpft gegen das Vergessen. Wer hatte denn wirklich auf dem Schirm, dass der 29-Jährige an diesem Abend Europapokalsieger geworden ist?

Bei Instagram postete er in der Nacht ein Bild mit Goldmedaille. Sein Lächeln, eher gequält. Seine Worte: "Was für ein Team!! Wie ich gesagt habe, ich bin gekommen, um Titel zu gewinnen. Danke und gute Nacht."

Acht Minuten Spielzeit seit Ende Februar

Mitwirken durfte Werner nicht. Er war in Bilbao zwar dabei, aber erst nur als Tribünen- und später als Partygast. Sportlich hatten ihn die Spurs schon vor einiger Zeit von jeglicher Wichtigkeit befreit. Anfang Februar war er aus dem Kader für den Europapokal gestrichen worden. Der Klub hatte Mathys Tel vom FC Bayern geholt, für Werner war kein Platz mehr. Er bekam nicht mal mehr eine Spielberechtigung erteilt. 26 Mal war er bis dato für die Spurs in dieser Saison aufgelaufen, hatte einen Treffer erzielt, Ende Oktober im Ligapokal gegen Manchester City.

Er, der in seiner Karriere so viel Spott aushalten musste, pfiff in diesem Moment drauf, was passieren würde, würde er erneut scheitern. "Ich habe mir gesagt: Was soll schon passieren? Wenn ich noch eine oder mehrere Chancen verpasse, ist das egal", sagte Werner. "Ich will jetzt ein Tor machen." Und er machte das Tor, das hatte er zuvor 234 lange Tage nicht geschafft.

Es gab ein paar wenige Momente in dieser Saison, in denen sich das Schicksal für Werner hätte wenden können. Im Spätherbst erlebte er ein kleines Zwischenhoch. Ende November sorgte er mit seinem Auftritt erneut gegen City in der Liga für Erstaunen, er bereitete einen Treffer von Brennan Johnson sehenswert vor. "Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so an Kyle Walker vorbeigelaufen ist. Timo Werner hat den Turbo eingeschaltet", lobte hernach der BBC-Experte Paul Robinson, ebenfalls einst Profifußballer.

Aber es blieb bei einem kurzen Aufschwung. Werner verschwand wieder im grauen Nirwana und im Februar endgültig in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Nach seinem Kader-Bann für Europa spielte er überhaupt nur noch ein einziges Mal für die Spurs. Am 26. Februar durfte er acht Minuten, natürlich wieder gegen City, ran. Seither hat man sportlich nichts mehr vom 29-Jährigen gesehen. "Ich glaube, die Leihe läuft nicht ganz so erfolgreich, wie man sich das vielleicht wünscht. Nicht nur für uns, auch für den Spieler selbst und für Tottenham", sagte Marcel Schäfer, Geschäftsführer Sport der Leipziger. Es war die mildeste Form, um die Enttäuschung auszudrücken.

Nie einen Plan B für sein Spiel gefunden

Was für ein bitterer Absturz dieses Stürmers, der mal der beste in Deutschland war. Dessen gnadenloser Antritt gefürchtet wurde, der vor dem Tor effizient war. Der mehr Länderspieltore als Legende Lothar Matthäus erzielt hat und mit dem FC Chelsea vor knapp vier Jahren die Champions League gewann. Der aber nie einen Plan B für sich hatte, wenn er seine Stärken nicht ausspielen konnte. Anders als ein Mario Götze, der seine Karriere rettete, weil er sein Spiel noch einmal veränderte, taumelt Werner durch seine Karriere, die mit Ende 20 eigentlich doch noch ein paar gute Jahre vor sich haben könnte.

Wie es in diesem Sommer weitergeht, unklar. Die Leihe auf der Insel endet. Es ist unvorstellbar, dass Tottenham eine Kehrtwende vollzieht und den Stürmer weiterbeschäftigt. So muss er zurück zu seinem Stammklub Rasenballsport Leipzig, der ebenfalls vor einem Scherbenhaufen steht und einen sportlichen Neuaufbau plant. Dass Werner dabei eine Rolle spielt, scheint trotz gültigen Vertrags bis 2026 ebenfalls kaum vorstellbar. "Verträge gilt es zu respektieren. Dennoch werden wir sehr ehrliche Gespräche führen und unsere Gedankengänge erklären", sagte Sportchef Schäfer zu den angestrebten Veränderungen im Kader.

Um Werners großes Gehalt einzusparen, soll der Klub sogar einen ablösefreien Abgang des Stürmers in Betracht ziehen, berichtet die "Bild". Wohin es ihn ziehen könnte? Vielleicht in die Major League Soccer. Werner würde das gefallen. Aber erst einmal den Moment genießen: Timo Werner hat erreicht, was Harry Kane eine Ewigkeit verwehrt blieb.

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