Arminia Bielefelds Kapitän Maël Corboz (30) ist kein normaler Fußballprofi: Mit 23 Jahren wollte er noch seine Karriere beenden, zudem engagiert er sich für das Wohl der Erde. Der zum besten Drittliga-Spieler der Saison gekürte Amerikaner vor dem Pokalfinale des Drittligaklubs gegen den VfB Stuttgart am Samstag (20.00 Uhr, im WELT-Liveticker) im großen Interview.

Frage: Sie engagieren sich für Nachhaltigkeit im Sport, ernähren sich vegetarisch, tragen Second-Hand-Kleidung …

Corboz: Fast richtig! Nicht alle meine Klamotten sind gebraucht, aber ich kaufe kaum Neues. Ich glaube, meine Frau hätte das gerne manchmal, aber noch kann ich mich durchsetzen.

Frage: Ist Nachhaltigkeit Ihre größte Leidenschaft neben dem Fußball?

Corboz: Definitiv. Ich hatte früh in meiner Karriere Zeit, mich auch mit anderen Dingen neben Fußball zu beschäftigen – zum Beispiel lesen. Da habe ich mir viele Klassiker vorgenommen. Irgendwann habe ich gemerkt: Ich will mich spezialisieren. So entstand die Idee, mich für Umweltschutz einzusetzen. Vor drei Jahren habe ich die Firma ‚elevengreen‘ gegründet, die eine Schnittstelle zwischen Sport und Nachhaltigkeit sein soll.

Frage: Auch fürs Pokalfinale haben Sie sich etwas überlegt.

Corboz: Auf unserer Website kann jeder ausrechnen lassen, was die An- und Abreise nach Berlin an CO2 produziert und dafür einen Ersatzbetrag spenden. Ich weiß: Wir als Fußballprofis sind nicht perfekt, wenn wir mal etwa nach einem Spiel im Flugzeug zurückreisen. Aber das ist auch kein Grund, untätig zu bleiben. Deshalb spende ich jedes Jahr mehrere Tausend Euro.

Frage: Siegt Arminia, gibt’s von Ihnen zusätzlich 2000 Euro. Wie soll das gelingen?

Corboz: Wir sind der Außenseiter, aber werden wieder versuchen, den Gegner zu nerven und mehr zu laufen. Ich kann versprechen: Die Mannschaft wird alles dafür tun, das Spiel zu gewinnen.

Frage: Beschreiben Sie Ihr Team in drei Worten.

Corboz: Wir haben vor der Saison als Mannschaft organisiert, dass am Trainingsgelände ein Spruch an die Wand gemalt wird: ‚Ein Team! Jeden Tag! 100 Prozent!‘ Sind mehr als drei Worte, beschreibt uns aber gut. Egal, was passiert, wir halten uns immer an diesen Spruch.

Frage: Und Trainer Mitch Kniat in drei Worten?

Corboz: Positivität. Überzeugung. Arbeitstier. Eine Anekdote: Er ist vor dem Duell bei Unterhaching (Anstoß 19 Uhr, d.Red.) sechs Stunden dahingefahren, um sich das Spiel gegen Rostock anzuschauen. Dann ist er in der Nacht wieder zurück, und um 7.30 Uhr saß er vorm Training ganz normal wieder im Büro. So etwas macht etwas mit einem Team. Ich habe in zwei Vereinen erlebt, wie eine Mannschaft für ihn sterben würde.

Frage: Was muss passieren, damit er sauer wird?

Corboz: Ich kann eine Geschichte verraten, ohne ins Detail zu gehen. 2023 war er mein Trainer beim SC Verl, da hatten wir den Klassenerhalt schon geschafft, hinten raus aber nachgelassen. Die Halbzeitansprache in Essen damals war legendär. Ich hatte ein bisschen Angst. So wie er aussieht, kann man das gut nachvollziehen, oder? Heute lachen wir darüber. Und wir haben damals übrigens noch ein Unentschieden erreicht.

Frage: Mit 23 Jahren wurde Ihnen beim MSV Duisburg gesagt, dass Sie für die 3. Liga zu schlecht seien. Sie dachten an Ihr Karriereende. Jetzt wurden Sie zum besten Drittliga-Spieler gewählt und stehen im Pokal-Finale …

Corboz: Wahnsinn, das war 2017. Da wollte ich tatsächlich noch Radprofi werden, bin jeden Tag vor oder nach dem Training geradelt. Dann habe ich aber gemerkt, dass das zu anstrengend ist und ich besser beim Fußball bleiben sollte. Danach habe ich in der Regionalliga bei Wattenscheid den Spaß zurückgewonnen. Mein Ziel war es, eines Tages 3. Liga zu spielen. Ich denke, jetzt habe ich sogar mehr erreicht.

Frage: Was sind heute Ihre Ziele?

Corboz: „Samstag gewinnen. Etablieren in der 2. Liga.“

Frage: Was passiert, wenn Bielefeld den Pokal holt?

Corboz: Die Frage kommt oft. Ich kann und will es mir nicht vorstellen. Ich denke oft an den Abpfiff gegen Leverkusen – da kamen so viele Gefühle zusammen. Seitdem suche ich diesen Moment wieder und bin sicher: Es gibt nur ein Spiel, in dem ich das noch einmal erleben kann.

Frage: Arminia lebt vom Zusammenhalt. Haben Sie als Kapitän so etwas schon einmal erlebt?

Corboz: Nein, das haben wir uns erarbeitet. Es ist selten, dass alle Spieler plus Staff in eine Richtung marschieren. Wir setzen uns bei schwierigen Themen zusammen und schieben unsere Egos zur Seite. Das klappt sehr gut.

Frage: Mittlerweile sind Sie Publikumsliebling. Doch noch im Februar gab es Ärger, als Sie nach Kniat-Raus-Rufen den eigenen Fans den Vogel gezeigt haben.

Corboz: Ich hoffe, dass das nie wieder vorkommen wird. Von meiner Seite sowieso nicht. Jetzt ist das Zusammenspiel mit den Fans überragend. Ich hoffe, das bleibt so – gerne für die nächsten Jahre.

Frage: Seitdem jubeln Sie nach Toren mit Herz-Geste zu den Fans.

Corboz: Mir war wichtig zu verdeutlichen, dass es nicht so gemeint war. Ich wollte nur Liebe zeigen und habe mir dann gedacht, dass ich das ab jetzt immer mache.

Frage: Wollen Sie Ihre Karriere bei Arminia beenden?

Corboz: Ich werde so lange wie möglich in Bielefeld spielen. Heißt: solange der Verein das möchte.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke