Kein Fußballklub auf der Welt gewinnt so viele Spiele am Stück wie der FK Arkadag aus Turkmenistan. Nach der Gründung vor zwei Jahren ist der Verein im eigenen Land unbesiegt - und hat mittlerweile sogar den ersten internationalen Titel geholt. Der Klub ist das neueste Spielzeug des obersten Führers von Turkmenistan, Diktator Gurbanguly Berdimuhamedov.

Von einer solchen Siegesserie können selbst der FC Bayern, der FC Barcelona oder die Champions-League-Finalisten Inter Mailand und Paris Saint-Germain nur träumen: Der FK Arkadag aus Turkmenistan hat in seiner Vereinsgeschichte jedes Spiel auf nationaler Ebene gewonnen und sogar den unfassbaren Fabel-Rekord von 61 (!) Pflichtspielsiegen in Folge aufgestellt.

Dass der Klub aus dem zentralasiatischen Land mit den genannten Schwergewichten aus Europa mithalten kann, ist aber trotzdem ausgeschlossen. Und für die Riesen-Klub-Weltmeisterschaft diesen Sommer in den USA hat die FIFA den turkmenischen Meister völlig zurecht nicht berücksichtigt. Der FK Arkadag ist nämlich kein normaler Verein.

Die Umstände der fast endlosen Siegesserie sind derart obskur, dass das "Weiße Pferd von Arkadag", so der Spitzname des Vereins, nicht einmal einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde bekommen hat. Da wird stattdessen der saudische Rekordchampion Al-Hilal als Mannschaft mit der längsten Siegesserie aller Zeiten im weltweiten Profifußball ausgewiesen. Zwischen September 2023 und April 2024 gewann die Mannschaft um Ex-Bayern-Spieler Joao Cancelo 34 Spiele hintereinander. Das sind zwar 27 Siege weniger als der FK Arkadag. Die Erfolge des turkmenischen Meisters werden aber nicht anerkannt.

"Private Elite hat Staat gekapert"

Die Macher vom Guinessbuch haben Zweifel, ob die turkmenische Liga den Ansprüchen an den Profifußball gerecht wird, ob genug belastbare Informationen vorliegen und letztlich wohl auch, ob es überhaupt einen ehrlichen Wettbewerb in dem größtenteils abgeschotteten Land gibt. "Für die turkmenische Liga sind relativ wenige Details verfügbar, weniger als wir für unsere Art der Rekordprüfung wünschen", begründet ein Sprecher von Guiness World Records gegenüber dem Fußballblog "How Football Explains Asia" die Nichtberücksichtigung von Arkadag. "Dies könnte auch ein Hinweis auf das Niveau des Wettbewerbs sein, das unter dem liegt, was wir normalerweise suchen würden. Deshalb haben wir Al-Hilal als Rekordhalter bestätigt."

Und in der Tat sind die Umstände der historischen Siegesserie von Arkadag ziemlich speziell: Der Verein wurde erst 2023 gegründet, kurz nachdem Arkadag mit heute etwa 70.000 Einwohnern in der Nähe der Hauptstadt Aschgabat aus dem Boden gestampft worden ist. Gegründet wurde der Verein von Gurbanguly Berdimuhamedow, dem ehemaligen Präsidenten von Turkmenistan.

2022 gab der oberste Diktator des Landes das Präsidentenamt an seinen Sohn Serdar weiter. Die Herrscherfamilie hat das Land weiter fest im Griff. "Eine private Elite hat den Staat gekapert. Man geht davon aus, dass sich dieser Clan drei Viertel des nationalen Volkseigentums angeeignet hat. Dieser Reichtum wird für den Machterhalt und privaten Konsum missbraucht", analysiert Hannes Meissner im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Der Politikwissenschaftler ist als Risikoanalyst auf den postsowjetischen Raum spezialisiert. "Die Besonderheit in Turkmenistan ist, dass das Land hinsichtlich Repression und Abschottung weltweit ein Extrembeispiel ist. Turkmenistan wird zu Recht mit Eritrea und Nordkorea verglichen."

Lieblingstier des Diktators im Wappen

Trotz der Machtübergabe an seinen Sohn ist Berdimuhamedow Senior immer noch der alles und jeden überragende starke Mann in Turkmenistan. Er trägt inzwischen den Titel "Nationaler Führer" und nimmt in dieser Rolle weiterhin die wichtigsten offiziellen Termine wahr. Anfang des Monats reiste Berdimuhamedow nach Frankreich zum Staatsbesuch bei Präsident Emmanuel Macron.

Schon länger trägt Berdimuhamedow zudem den Titel "Arkadag", zu Deutsch "Beschützer". Kein Wunder, dass der autoritäre Herrscher die neue Stadt genau so genannt hat. Und auch beim Fußballklub in Arkadag hat Berdimuhamedow nichts dem Zufall überlassen. Der Diktator hat die Vereinsfarben, das Vereinswappen und das Vereinstrikot entworfen. Im Wappen ist ein weißes Pferd, das Lieblingstier des Diktators, vor den turkmenischen Bergen zu sehen.

"Gurbanguly Berdimuhemdov liebt Pferde und liebt das Gewinnen, und das ist es, was das Team getan hat, von Anfang an", schreibt Sportjournalist John Duerden in seinem Blog über den asiatischen Fußball.

Gegner aus Indien werden Pässe abgenommen

Selbstverständlich durfte der 2023 gegründete FK Arkadag im ersten Jahr seines Bestehens sofort in der höchsten Liga mitspielen, selbstverständlich wurden sofort die besten Spieler des Landes zum Diktatoren-Klub gelotst und dafür extra die Transferperiode ausgedehnt. In der ersten Saison gewann der FK Arkadag sämtliche 24 Spiele in der turkmenischen Liga und wurde direkt Meister. Den Titel konnte "das Weiße Pferd von Arkadag" erfolgreich verteidigen: 30 Spiele, 30 Siege.

Zusammen mit Pokalspielen und Partien in der asiatischen Challenge League gewann Arkadag zwischenzeitlich 61 Spiele in Folge. Dann setzte es am 1. November 2024 bei al-Arabi die erste Niederlage im Gruppenspiel des asiatischen Wettbewerbs. Weitergekommen ist Arkadag trotzdem: Im Viertelfinale feierten die Turkmenen zwei knappe Siege gegen den East Bengal FC aus Indien.

Das Rückspiel in Turkmenistan fand unter kuriosen Umständen statt. Mannschaft, Trainer und Begleiter der indischen Mannschaft wurden bei der Anreise am Flughafen die Pässe abgenommen. Erst bei der Abreise bekamen sie die Pässe zurück. Auf eine Anfrage von ntv.de zum genauen Vorgang hat der East Bengal FC leider nicht geantwortet. "Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einzelne Spieler der indischen Mannschaft eingeschüchtert waren", vermutet Experte Meissner im Podcast. "Wenn Arkadag verloren hätte, wäre es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei der Abreise der Inder zu Problemen gekommen bei der Rückgabe der Pässe. Das ist Teil der Einschüchterungsstrategie von Turkmenistan."

Triumph in Kambodscha

Das Halbfinale gestaltete sich für die turkmenische "Übermannschaft" noch komplizierter. Es kam zur Neuauflage des Gruppenspiels gegen al-Arabi aus Kuwait. Erneut verlor Arkadag auswärts, diesmal sogar mit 0:2. Doch im Rückspiel gelang das Unmögliche: Der Diktatoren-Klub gewann durch ein Tor in der vierten Minute der Nachspielzeit mit 3:0 und zog ins Finale der asiatischen Challenge League ein.

Das Endspiel wurde in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh ausgetragen. In der Partie gegen den kambodschanischen Meister Svay Rieng setzte sich der FK Arkadag in der Verlängerung mit 2:1 durch.

Zwei Jahre nach Vereinsgründung setzte sich der FK Arkadag nach dem Gewinn zweier turkmenischer Meisterschaften im ersten Anlauf sofort eine internationale Krone auf. Die asiatische Challenge League ist der drittwichtigste internationale Wettbewerb in Asien und am ehesten mit der Conference League in Europa vergleichbar.

"Das spürt jeder, der ins Land kommt"

Wie konnte der FK Arkadag so schnell so erfolgreich werden? Turkmenistan-Experte Meissner nennt im Podcast mehrere Gründe: Das viele Geld, welches von staatlicher Seite dem FK Arkadag zugeschanzt wird. Die Dauer-Propaganda, welche die Spieler glauben lässt, "dass Turkmenistan das Beste und Stärkste ist, was die Menschheit hervorgebracht hat". Zugleich aber auch Unsicherheit und Willkür, weil schlechte Leistungen in einem Land wie Turkmenistan "ein hohes privates Risiko" bedeuten. "Außerdem ist der Faktor Einschüchterung des Gegners nicht zu unterschätzen. Das hat in Turkmenistan eine ganz andere Dimension. Dieses Land ist eines der repressivsten der Welt. Das spürt jeder, der ins Land kommt."

Aber auch in der heimischen Liga sollen manche Siege Berichten zufolge teils unter fadenscheinigen Umständen zustande gekommen sein. Es soll demnach bereits Gegner gegeben haben, die lieber etwas zurückhaltender spielen, um den Turkmenen-Führer nicht zu ärgern. Es soll auch die ein oder andere umstrittene Schiedsrichter-Entscheidung zugunsten des Diktatoren-Klubs gegeben haben.

Ronaldo in Turkmenistan?

Wie niedrig das Leistungsniveau des unbezwingbaren turkmenischen Meisters im Vergleich zu Spitzenteams wirklich ist, lässt sich nur schwer einschätzen. Ein Indiz liefert zumindest ein Testspiel gegen einen Verein aus der zweiten Liga Nordmazedoniens. Der FK Arkadag kam nicht über ein 1:1 hinaus.

Für Turkmenistan reicht das Niveau aber weiter locker: In der aktuellen Saison ist die Weste schon wieder blütenweiß: 8 Spiele, 8 Siege in der Liga. Im asiatischen Wettbewerb darf das "Weiße Pferd von Arkadag" in dieser Saison sogar eine Stufe höher ran - in der zweiten Klasse der asiatischen Champions League. Dort wird die Konkurrenz dann um einiges stärker sein - vielleicht aber auch genauso eingeschüchtert.

Der nächste Schritt wäre dann die Elite-Klasse der asiatischen Champions League. Vielleicht muss dann eines Tages auch Cristiano Ronaldo mit seinem Klub Al-Nasr in Arkadag antreten.

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