Nowitzki-Ablöser und Doncic-Nachfolger: Cooper Flagg ist erst zarte 18 Jahre alt und schultert bei den Dallas Mavericks eine große Last. Ein Erdbeben spült den NBA-Teenager nach Texas, nun muss er gegen Verschwörungstheorien und für Erlösung kämpfen.

In einer Samstagnacht Anfang Februar fliegt alles auseinander. Die Dallas Mavericks schicken Luka Doncic, ihren Megastar, eines der Gesichter der NBA, zu den Los Angeles Lakers. Im Tausch für den alternden und verletzungsanfälligen Anthony Davis. Es ist ein Tausch mit seismischem Ausmaß. Ein Erdbeben, das der gesamten NBA einen Stromschlag versetzt, weil niemand verstehen kann, wie man den Ausnahmebasketballer Doncic abgeben kann. Etliche NBA-Experten sprechen vom "schockierendsten Trade aller Zeiten".

Cooper Flagg und seine Teamkollegen von der Duke University Basketballmannschaft feiern an jenem Abend ihren Heimsieg gegen den Rivalen North Carolina. Irgendwann zückt ein Spieler sein Handy und liest ungläubig die Blockbuster-Nachricht vor. "Ich erinnere mich, dass ich mit all meinen Jungs zusammen war", sagt Flagg beim NBA-Draft-Medientag. "Wir sind alle durchgedreht. Es war ein solcher Schock."

Flagg ahnt damals nicht, dass der Doncic-Abgang bald den Beginn seiner eigenen NBA-Karriere prägen würde. Denn beim Draft Mitte dieser Woche wird der erst 18-Jährige von Dallas an erster Stelle ausgewählt. Flagg ist jetzt ein Maverick. Der Maverick. Das große Versprechen für Gegenwart und Zukunft, das Doncic einst war. Die Fußstapfen, in die der Teenager tritt, könnten kaum größer sein - aus äußerst emotionalen Gründen. Denn Doncic war und ist für viele in Dallas immer noch das Ein und Alles.

Flagg nach Dallas wegen Doncic-Erdbeben

Dass die Mavs Flagg bekommen konnten, hängt direkt mit dem Blockbuster-Trade vom Februar zusammen. Die Texaner rutschen ohne Doncic ab und beenden ein Jahr nach dem Erreichen der NBA-Finals die Saison mit einer Bilanz von 39:43. Nach der Pleite im NBA-Play-In-Turnier gegen die Memphis Grizzlies ist Schluss. Die schlechtesten Teams der Liga haben im US-Sport die größten Chancen, im Draft die besten College-Spieler abzustauben. Laut ESPN haben die Mavs in der sogenannten Lotterie aber lediglich eine Gewinnchance von 1,8 Prozent, die viertniedrigste Quote aller Lotteriegewinner. Doch Dallas macht das Ding der Unmöglichkeit möglich, erhält den ersten Pick und schnappt sich das Mega-Talent Flagg.

Als Doncic im April zum ersten Mal mit seinem neuen Team, den Los Angeles Lakers, nach Dallas kommt, zeigen die Mavs direkt vor dem Anpfiff ein mehrere Minuten andauerndes Tributfilmchen auf dem überdimensionalen Videowürfel in der Halle. Der junge Slowene kämpft zunächst dagegen an und versteckt sich unter einem Handtuch, doch dann schießen ihm die Tränen in die Augen. Er lässt die Emotionen zu, seine Unterlippe zittert, Fans auf den Rängen weinen. Dirk Nowitzki steht und applaudiert.

Dallas liebt Doncic und andersherum. Wahrscheinlich für immer. Während seiner mehr als sechs Spielzeiten bei den Mavs trägt er Cowboyhüte, fährt große Trucks und sorgt für unzählige Höhepunkte in entscheidenden Spielsituationen. Die Wunde, die sein Wechsel bei den aufgerissen hat, ist noch immer nicht verheilt. Die emotionale Verbindung wird niemals komplett verblassen. Die Fans werden nicht vergessen: Als die Mavericks am Mittwoch im American Airlines Center in Dallas eine Draft-Watch-Party veranstalten, um den Neuzugang Flagg am Bildschirm zu bejubeln, brechen die Anhänger in der Halle in "Fire Nico"-Sprechchöre aus. Diese sind zum Standard geworden in Dallas, weil Geschäftsführer Nico Harrison für den Doncic-Trade verantwortlich war.

"Er ist etwas ganz Besonderes"

Ausnahmetalent Flagg muss nun diesen immensen Druck, die emotionale Last, schultern. Aber er könnte die Wut abebben lassen und die Fans heilen. Und zwar mit Titeln in den kommenden Jahren. Das Zeug dazu hat der 18-Jährige, nach Nowitzki und Doncic wird er zum nächsten Gesicht der Franchise aufsteigen.

Flagg - 206 Zentimeter groß, ein paar Teenager-Pickel im Gesicht, dazu ein wenig Bart-Flaum - wird aufgrund seiner Erfolge in der Highschool bereits als kommender NBA-Superstar gehandelt, bevor er sich letztes Jahr an der Duke University einschreibt. Dann führt er sein Uni-Team als Neuling im ersten Jahr zu einer Bilanz von 35:4 in der regulären Saison und zum Einzug in die Final Four der NCAA-Meisterschaft. "Cooper Flag ist ein echter Profi", ist sich ESPN-Analyst Stephan A. Smith sicher. "Er hat das ganze Paket. Er ist etwas ganz Besonderes."

Flagg besticht auf dem Court mit der Defensive, die Doncic oft vermissen ließ, auch wenn er im Vergleich zum temperamentvollen Slowenen eher zurückhaltend ist. Doch im Spiel agiert der Teenager äußerst hartnäckig und bringt eine enorme Vielseitigkeit mit - offensiv wie defensiv. LeBron James, der Superstar der Los Angeles Lakers, lobt in seinem Podcast "Mind the Game": "Er ist ein Junge, der auf dem Basketballcourt so viele Dinge kann, ob mit dem Ball in der Hand oder ohne. Er ist super athletisch und sein Sprungwurf wird immer besser werden."

LeBron James ist der größte Flagg-Fan

James ist sich sicher: Flagg wird "amazing". Großartig, umwerfend, erstaunlich. Der "King" ist schon länger bekennender Flagg-Fan und kennt die unermesslichen Erwartungen und den Druck, weil er ebenfalls als 18-Jähriger in die Liga kam, direkt aus der Highschool und als "der Auserwählte". Er spricht auch über das Spiel des neuen Mavs-Stars aus Erfahrung: Im vergangenen Sommer vor den Olympischen Spielen spielt Flagg als 17-jähriges Mitglied des USA Basketball Select Teams, als einziger Spieler unter 21 Jahren in einem Kader aufstrebender NBA-Stars, als Sparringspartner gegen die US-Mannschaft um James, Stephen Curry und Co. Flagg sieht dabei teilweise aus wie der beste Spieler auf dem Court. "Er spielte extrem gut", gibt James nun zu.

Nun kommt Flagg in ein Dallas-Team, das hervorragend aufgestellt ist. Ein Team mit Veteranen und Anführern wie Anthony Davis, Kyrie Irving und Klay Thompson. "Sie werden ihm Basketball-IQ vermitteln und ihm helfen, seine eigene Blaupause für die NBA zu entwickeln", sagt James. Sind die Mavs mit dem Neuling gleich ein Titelaspirant? Gibt es direkt die erste Meisterschaft seit Nowitzki, um die Fans zu besänftigen?

"In diesem Jahr auf keinen Fall", sagt NBA-Experte Nick Wright bei Fox Sports. Schließlich muss der Teenager sich erstmal an die Männerliga gewöhnen und außerdem fehlt der erst im März am Kreuzband operierte Irving für mindestens einen Großteil der Saison. "Nächste Saison kann Dallas aber um den Titel mitspielen", meint Wright. Besonders weil Davis verletzungsanfällig und Irving bereits Mitte 30 ist, muss Flagg wohl schon schnell viel Verantwortung schultern.

Verschwörungstheorien und emotionale Last

Und er dürfte die Mavericks gerade noch so vor ganz dunklen Zeiten gerettet haben. Er kann zwar Luka Doncic nicht vergessen machen bei den Texanern. Aber der eher schüchterne Teenager muss nun beweisen, dass er neben Basketball auch die vielen Nebenkriegsschauplätze in der NBA beherrscht. Die emotionale Last, die Doncic in Dallas hinterlassen hat. Die Heilung einer gesamten Stadt.

Oder gar Verschwörungstheorien, die seinen Draft betreffen. Denn in den sozialen Medien wird sofort und ohne Beweise ein Komplott gewittert, als die Mavs den ersten Pick zugesprochen bekommen, dass die NBA die Lotterie manipuliert habe, um Flagg als Ersatz für Doncic nach Dallas zu schicken. "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll", lacht Flagg an den Tagen um den Draft immerhin schon mal sehr abgeklärt. "Ich habe keine Insiderinformationen, wenn Sie das meinen. Aber ich bin einfach dankbar dafür, wie alles gelaufen ist."

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