Selbst beim Laufen immer mal wieder aufs Handy schauen – manch einer kann dies nicht lassen. Kurz die Kilometerzahl, vielleicht die Strecke oder neue Nachrichten checken, ein Foto machen. Erreichbar sein, andere erreichen können. Doch wer das Handy unbedingt dabeihaben möchte, sollte es anders machen.

Professor Doktor Gert-Peter Brüggemann hat da eine ganz klare, wissenschaftlich fundierte Meinung. Um es kurz zu sagen: Mit dem Handy in der Hand zu laufen, führt zu einem unökonomischen, langsameren und ungesünderen Laufstil. Schmerzen können die Folgen sein.

„Viele Leute und gerade jene, die anfangen zu laufen, halten dabei ihr Handy in der Hand“, sagt der langjährige Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule Köln und Mitgründer der Laufschuhmarke True Motion. Es ist ein Thema, das ihm am Herzen liegt. Weil man es oft sieht. Weil die Auswirkungen unterschätzt werden. Und weil es so einfach ist, es zu lassen.

WELT: Herr Brüggemann, beginnen wir mit den nüchternen Zahlen. Schließlich denken sicherlich viele, dass so ein leichtes Handy in der Hand nichts anrichten kann.

Brüggemann: Das Gerät hat eine Masse von circa 200 Gramm. Die Hand hat etwa ein Gewicht von einem Kilogramm und befindet sich beim Lauf circa 40 Zentimeter von der Körperlängsachse des Läufers entfernt. Damit hat die Hand einen Drehwiderstand bei Drehung um die Hochachse des Läufers, der durch das Handy um 20 Prozent beim Armschwung vergrößert wird.

WELT: Und was bedeutet das konkret?

Brüggemann: Das heißt, der Drehimpuls der Armbewegung der das Handy haltenden Hand vergrößert sich um zwanzig Prozent gegenüber dem anderen Arm, die Armbewegung wird asymmetrisch.

WELT: Und die Arme spielen beim Laufen schließlich eine große Rolle – auch etwas, das gern unterschätzt wird.

Brüggemann: Die Arme werden beim Laufen dafür genutzt, um den vom Schwungbein um die Längsachse des Läufers erzeugten Drehimpuls zu kompensieren und damit den Drehimpuls um die Hochachse gegen null streben zu lassen. Die Arme kompensieren letztlich die Rotation des Schwungbeines. Das Handy vergrößert auf der einen Seite den Drehwiderstand und führt zwangsläufig zu einer Asymmetrie der Rotation um die Hochachse und letztlich zu einer nicht unerheblichen Asymmetrie im gesamten Bewegungsablauf.

WELT: Wo wir bei der Lauftechnik sind. Das Handy in der Hand verändert sie also.

Brüggemann: Ja, ich verändere künstlich meine Lauftechnik, meine Haltung, werde asymmetrisch und belaste mich damit auch asymmetrisch bei jedem Schritt.

WELT: Also unökonomischer, langsamer und ungesünder – kann dies zu muskulären Problemen führen?

Brüggemann: Absolut. Nicht nur die Symmetrie der Rotation um die Körperlängsachse wird gestört. Durch das Halten des Handys müssen zusätzliche Muskeln aktiviert werden, die wesentlich isometrisch also statisch arbeiten und über die Zeit verkrampfen, was letztlich zu Verspannungen und muskulären Problemen im Bereich der Schultern und des Nackens führen kann. Wenn ich Hilfsmittel mitnehme, dann bitte nah an den Körper. Eine Oberarm- oder Beckentasche sind Möglichkeiten.

WELT: Können Sie den Einfluss der verkrampften Handhaltung durchs Handy, abgesehen von der Energie, noch etwas genauer beschreiben?

Brüggemann: Eine verkrampfte Handhaltung hat deutliche Auswirkungen auf die Schulter und Nackenmuskulatur und infolge auf die gesamte Rumpf- und vor allem Rückenmuskeln. Oft führt eine verkrampfte Handhaltung und Armführung zu Problemen im Schulterbereich, insbesondere aber im Bereich der Brustwirbelsäulen und des Übergangs zur Lendenwirbelsäule. Möglicherweise ist ein solch ungünstiger Armschwung mit verkrampfter Handhaltung mit Rückenbeschwerden in Verbindung zu bringen. Biomechanisch zumindest ist das einleuchtend.

WELT: Was ist – und warum – die effektivste Handhaltung?

Brüggemann: Die Hände sollten locker und entspannt als Verlängerung des Unterarms gehalten werden. Eine leicht geöffnete Hand und gebeugte Fingergelenke scheinen günstig, sodass ein leichter Gegenstand – zum Beispiel ein Tennisball – locker mit der Hand liegen könnte. Ganz wesentlich ist einer verkrampften Haltung entgegenzuarbeiten und ein lockerer Armschwung zu gewährleisten.

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Melanie Haack ist Sport-Redakteurin. Für WELT berichtet sie seit 2011 über olympischen Sport, extreme Ausdauer-Abenteuer sowie über Fitness & Gesundheit. Hier finden Sie alle ihre Artikel.

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