Am Sonntag werden Spanien und England im EM-Finale der Frauen wieder einmal alles dafür tun, dem ungeliebten Elfmeterschießen aus dem Weg zu gehen. Denn egal, was sich die Akteure im Vorhinein auch ausdenken: Am Ende entscheiden immer wieder Kleinigkeiten über Triumph oder Versagen.

"Da kam dann das Elfmeterschießen. Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief's ganz flüssig." Weltmeister Paul Breitner hat wohl immer noch die anschaulichste Erklärung für das, was die Schützen beim Elfmeter für Gedanken und Emotionen verspüren. Damals, beim allerersten Elfmeterschießen der WM-Geschichte im Sommer 1982 in Spanien, setzte sich die deutsche Elf letztendlich gegen Frankreich durch - und begründete so den nachhaltigen Ruf einer Nation, die das Schießen vom Elfmeterpunkt durchaus nervenstark gestalten kann.

Ein anderer Weltmeister, Bastian Schweinsteiger, hat dazu einmal, damals nach dem Champions-League-Halbfinale 2012 mit den Bayern in Madrid, gemeint: "Ich hab zum Spaß gesagt: Ich hab kurz vor meinem Elfmeter meine Eier vergessen oder verloren, aber sie dann rechtzeitig wiedergefunden. Im Elfmeterschießen gehört Glück dazu, meistens haben es wir Deutsche." So natürlich auch zweiundzwanzig Jahre zuvor in Italien, als Deutschland im Halbfinale gegen England in die Entscheidung vom Elfmeterpunkt musste. Hinterher hat Franz Beckenbauer schmunzelnd über seinen Torhüter Illgner gesagt: "Wir haben im Training viele Elfmeter geübt, aber Bodo war eine Katastrophe. Unsere Chance lag darin, dass er angeschossen wird."

Apropos England. Die Nation von der Insel hatte es seit den Tagen des Sommers 1990 von Italien immer wieder schwer, wenn es um das Verwandeln von Elfmetern ging. Welch kuriose Formen das schließlich annahm, zeigt das Beispiel vom Viertelfinale gegen Portugal bei der EM 2004. Damals verschoss Superstar David Beckham einen Elfmeter - und hinterher meinte ein trauriger Mann: "Ich habe versucht, positive Energie auszusenden." Bei dem gescheiterten Energielieferanten handelte es sich um niemand Geringeres als den legendären Löffelverbieger per Gedankenkraft, Uri Geller. Als auch der Mann mit den Superkräften gescheitert war, ergab sich England endgültig in sein Schicksal.

VfB-Keeper mit Zettel-Novum in den 70er-Jahren

Dass das auch auf die Frauen abfärbt, konnte man anschaulich im diesjährigen Viertelfinale der EM gegen Schweden bewundern. In diesem Elfmeterschießen wurde tatsächlich ein neuer Rekord aufgestellt. Insgesamt neun Fehlschüsse leisteten sich beide Teams zusammen. So viele Elfer wurden bei einer Frauen-EM noch nie verschossen! Doch das englische Team kann es auch anders - allerdings, das muss man fairerweise ergänzen, erst im Nachschuss. Als im Halbfinale der späte Strafstoß in der Verlängerung verwandelt werden musste, bewies Chloe Kelly Nerven und schoss ihre Mannschaft schlussendlich zum erfolgreichen Einzug ins Finale.

Spätestens seit dem legendären Zettel von DFB-Torhüter Jens Lehmann im Viertelfinale der WM 2006 gegen Argentinien ist es bei den Keepern beliebt, sich vorab Notizen über die möglichen Schützen zu machen. Auch DFB-Torwärtin Ann-Katrin Berger hatte ja auf ihrer Trinkflasche die Lieblingsecken des Gegners vermerkt.

Einer der ersten Fußballer weltweit, der sich diese Technik zunutze machte, war der jugoslawische Keeper in Diensten des VfB Stuttgart, Zlatko Skoric. Ein Fußballspieler solle nicht vergessen, dass er auch einen Kopf besitzt zum Denken, meinte der Torwart damals und notierte sich alle Eigenarten der Bundesligaschützen in einer kleinen Kladde: "Da stand dann also in meinem Notizbüchlein, dass Müller gerade zwei Elfmeter verschossen hatte, links unten. Drei Tage vor dem Spiel gegen uns dann hatte Müller gegen Pilsen einen Elfmeter ins Tor geschossen, rechts unten. Also, klarer Fall würde er auch dann gegen mich rechts unten zielen. Die für ihn so verflixte linke untere Ecke missachtend. So kam es dann und ich hielt den Elfmeterball." Schlau gemacht. Und das bereits Anfang der Siebzigerjahre.

"Knall ihn einfach in die Mitte"

Wie wichtig solche Vorabstudien sein können, zeigte auch einmal unser unvergessener Nationaltorwart Harald "Toni" Schumacher, damals in Diensten des 1. FC Köln. Am 33. Spieltag der Saison 1983/84 parierte der FC-Torwart beim 4:6 in Uerdingen einen Elfmeter von Friedhelm Funkel. Hinterher lautete seine kuriose Begründung: "Wie der Funkel Elfmeter schießt, hatte ich bei einem Tatort-Krimi im Fernsehen gesehen." Und tatsächlich: Kurze Zeit vorher hatte es in der Folge "So ein Tag ..." einen kleinen Ausschnitt der Partie Frankfurt gegen Kaiserslautern zu sehen gegeben. Und in einer Szene: der damalige Lauterer Friedhelm Funkel beim Elfmeterschießen. Unglaublich.

Dass das natürlich auch umgekehrt funktioniert, bewies der Spieler des SV Werder Bremen, Wolfgang Sidka, im Jahr 1983 beim 1:1 zu Hause gegen Köln: "Ich habe mir das Elfmeterschießen gegen Frankreich angesehen. Da ist der Schumacher immer in eine Ecke gesprungen. Also dachte ich mir: Wenn du einen Elfer schießen musst, knallst du ihn einfach in die Mitte. Der Toni wird schon wegspringen!" Und es klappte tatsächlich.

Doch das all diese großartigen Vorüberlegungen in der Realität auch immer wieder scheitern (können), hat einmal ganz anschaulich der ehemalige Bayern-Torjäger Roy Makaay auf den Punkt gebracht: "Wenn ich denke, dass der Torwart denkt, und der Torwart denkt, dass ich denke - dann kann ich auch einfach schießen. Es macht keinen Unterschied." Es sei denn, es handelt sich bei dem Schützen um einen ehemaligen argentinischen Verteidiger, über den sein Mannschaftskamerad einst sagte: "Alonso schielt, und kein Torhüter hat auch nur die leiseste Ahnung, wohin der Ball fliegen wird."

Hoffentlich wird das Finale am Sonntag in der regulären Spielzeit bzw. in der Verlängerung entschieden. Denn dass ein einziger verschossener Elfmeter einen lebenslang verfolgen kann, zeigt das Beispiel des Weltfußballers George Best. Der meinte einmal, nach einer Karriere voller Erfolge und Triumphe, komlett ernst und immer noch tief betroffen: "Ob es irgendetwas gibt, das ich in meinem Leben gerne ändern möchte? Ich habe 1971 einen Elfmeter gegen Chelsea geschossen und Peter Bonetti hat ihn gehalten! Ich wünschte, ich hätte in die andere Ecke gezielt."

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke