Was von Kursk geblieben ist
Vor einem Jahr begann die Ukraine ihre Gegenoffensive in der russischen Region Kursk. Das war strategisch wichtig und gut für die Moral. Inzwischen hat sich die Ukraine zurückgezogen - Präsident Selenskyj sieht trotzdem Erfolge.
Das russische Militär war anfangs vollkommen überrumpelt. Im August 2024 überschritten ukrainische Truppen nachts die Grenze zum Nachbarland. In der Region Kursk konnten sie rasch vorstoßen, bis zu 30 Kilometer tief ins Landesinnere, und so die Bezirksstadt Sudscha einnehmen.
Ein Jahr später würdigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Offensive als historische Operation. "Wir haben den Krieg auf das Territorium des Aggressors gebracht und wir operieren dort immer noch", sagte er in einer seiner allabendlichen Videobotschaften. In einer Zeit, als viele dabei waren, den Glauben an die Ukraine zu verlieren, hätte man gezeigt, dass Ukrainer wissen, was zu tun ist.
Erstmals seit Zweitem Weltkrieg fremde Armee in Russland
Wie viel Territorium die ukrainische Armee jetzt noch in Kursk kontrolliert, erwähnte Selenskyj nicht. Im vergangenen Jahr hatte die Ukraine zeitweise mehr als 1.300 Quadratkilometer besetzt. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg stand eine fremde Armee auf russischem Territorium. Für die Ukraine war es im Krieg gegen Russland die erste bedeutende Offensive seit langem.
Die Wochen und Monate davor gab es aus ukrainischer Sicht vor allem schlechte Nachrichten über die militärische Lage. Im Osten musste die ukrainische Armee immer stärker zurückweichen. Schon damals gelang es Russland vor allem in der Region um die Stadt Pokrowsk, immer mehr Gebiete zu besetzen. Die Ereignisse in Kursk lenkten davon zunächst ab.
Einsatz von nordkoreanischen Soldaten
"Es hat viele unserer Soldaten an der gesamten Front sehr inspiriert", ordnet Olexij Hetman die damaligen Ereignisse ein. Hetman ist Militärexperte und hat früher selbst als Major in den ukrainischen Streitkräften gedient. In Kursk sieht er aber nicht nur einen symbolischen Erfolg, der die Kampfmoral wieder stärkte. "Die Russen begannen, Truppen zusammenzuziehen und aus verschiedenen Abschnitten der Front abzuziehen", so seine Einschätzung. "Nicht nur aus Charkiw und Sumy, sie zogen sogar Personal von ihrem einzigen Flugzeugträger ab." Letztendlich hätte Russland so bis zu 90.000 Soldaten an diesem Frontabschnitt eingesetzt.
Die russische Armee setzte in Kursk auch auf Verbündete aus dem Ausland. Erstmals kämpften nordkoreanische Soldaten auf russischer Seite gegen die Ukraine. 10.000 Soldaten soll Nordkoreas Machthaber Kim-Jong Un nach Russland entsendet haben. Ende April bestätigte Russland schließlich offiziell, dass sie im Einsatz sind.
Rückzug im März
Bereits im März hatte sich die ukrainische Armee fast vollständig aus Kursk zurückgezogen. Manche Beobachter stellten die Frage, ob die Operation nicht schon eher hätte beendet werden müssen, zum Beispiel Vadym Tschernysch vom Zentrum für Sicherheitsstudien. "Im Laufe eines Jahres haben wir dreimal so viel ukrainisches Gebiet verloren, wie wir für kurze Zeit mit Truppen in Kursk gehalten haben", sagt er im März in einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehsender Suspilne.
Von Anfang an gab es in der ukrainischen Gesellschaft verschiedene Meinungen zur Kursk-Offensive. In einer Umfrage im Auftrag von Suspilne bewerteten 34 Prozent der Befragten die Aktion positiv, 35 Prozent schätzten sie eher negativ ein, der Rest wollte sich nicht festlegen.
Sumy nun stärker unter Beschuss
Am Jahrestag der Kursk-Offensive besuchte Selenskyj Soldaten, die an der Operation beteiligt waren, und dankte ihnen. "Dank dessen, dass Sie mehr als 1.000 Russen gefangen genommen haben, konnten wir mehr als 1.000 ukrainische Soldaten nach Hause zurückbringen." Immer wieder war es der ukrainischen Armee in Kursk gelungen, russische Kriegsgefangene zu machen. Später wurden viele von ihnen gegen ukrainische Gefangene eingetauscht.
Die Soldaten, die Selenskyj besuchte, sind jetzt in Sumy stationiert. Die ukrainische Region grenzt direkt an das russische Gebiet Kursk. Seit dem Rückzug aus Kursk wird Sumy stärker angegriffen. Die russische Armee hält etwa 200 Quadratkilometer von Sumy besetzt - weniger als ein Prozent der gesamten Region.
Niels Bula, ARD Kiew, tagesschau, 11.08.2025 11:23 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke