Wie sich die Ukraine-Politik der USA verändert hat
Unter Biden standen die USA fest an der Seite der Ukraine. Trump hingegen sendet widersprüchliche Signale in Richtung Kiew und setzt auf Dialog mit Russland. Wie schätzen Experten die unterschiedlichen Ansätze ein?
Als am 24. Februar 2022 Russlands Präsident Wladimir Putin seinem Militär befiehlt, die Ukraine anzugreifen, sind die US-amerikanischen Geheimdienste schon seit Längerem über eine möglicherweise bevorstehende Invasion informiert. Gut zwei Wochen vor Kriegsbeginn wurden Warnungen aus dem Weißen Haus gegenüber westlichen Partnern immer deutlicher und dringlicher.
Hintergrund waren Erkenntnisse und Einschätzungen der CIA aus der Region. Zum Zeitpunkt des Einmarsches russischer Truppen in ukrainisches Territorium war US-Präsident Joe Biden gerade ein Jahr im Amt. Er stellte sich einerseits sofort und entschieden gegen den Aggressor, etwa durch erste Sanktionen, und sicherte andererseits dem überfallenen Land größtmögliche Unterstützung zu.
In seiner Rede zur Lage der Nation Anfang März betonte Biden: "Amerika steht fest an der Seite der Ukraine. Gemeinsam mit unseren Verbündeten unterstützen wir die Ukrainer in ihrem Kampf um die Freiheit. Mit militärischer Hilfe. Wirtschaftlicher Hilfe. Humanitärer Hilfe."

NATO-Gipfel 2024 in Washington in Bidens Amtszeit: Der damalige US-Präsident stand fest an der Seite der Ukraine.
Folgenlose Sanktionen?
Anders als sein damaliger Vorgänger, Donald Trump, der die NATO infrage gestellt hatte, stärkte Biden das transatlantische Bündnis. Durch Truppenbewegungen signalisierte er Wladimir Putin deutlich, dass die Vereinigten Staaten bereit wären, einzugreifen, wenn der Kreml auch NATO-Gebiet angreifen sollte.
Die US-Regierung versuchte in der Folge durch zahlreiche Strafmaßnahmen, die russische Wirtschaft zu schwächen und damit die Kriegsmaschinerie zu verlangsamen.
Konten und andere Vermögenswerte wurden eingefroren, der Zugang zu US-Dollar und internationalem Zahlungsverkehr erschwert, Exporte, vor allem von Energietechnik und Rüstungsgütern, eingeschränkt.
"Ich denke, Biden hat nach der Invasion gute Arbeit geleistet, um die Einheit des NATO-Bündnisses zu verbessern und zu wahren, und das war natürlich notwendig. Für seinen Versuch, eine diplomatische Lösung des Konflikts mit Russland zu finden, würde ich ihm jedoch schlechte Noten geben", meint George Beebe, Direktor am Quincy Institute, einer Denkfabrik in Washington.
Er hat selbst mehr als zwei Jahrzehnte als Analyst, Diplomat und Berater für konservative US-Regierungen gearbeitet und war als CIA-Abteilungsleiter für Russland zuständig.
Experte: Biden hat Diplomatie vernachlässigt
In den Augen Beebes hätten die bilateralen Verhandlungen der Ukraine und Russlands mithilfe türkischer und anderer Verhandlungspartner gezeigt, dass Fortschritte im Konflikt möglich seien.
Seiner Meinung nach hätten die USA sich damals noch mehr um eine diplomatische Lösung mit dem Kreml bemühen müssen, so sein Fazit zur Biden-Administration. Bidens größter Fehler sei gewesen, zu glauben, dass durch die Sanktionen die Kosten für Putin so weit in die Höhe getrieben werden könnten, dass sie den Nutzen der Invasion übersteigen.
"Biden hat es versäumt, die Gelegenheit zu nutzen, diesen Krieg diplomatisch beizulegen. Das hätte schon vor der Invasion möglich sein können, wenn wir bereit gewesen wären, mit Russland die Bedingungen zu verhandeln, die es vor der Invasion aufgestellt hatte", glaubt George Beebe.
Diese Bedingungen zielten im Wesentlichen darauf ab, die Ukraine von einem Beitritt zur NATO abzuhalten und sicherzustellen, dass keine US- oder NATO-Streitkräfte entsandt würden. Mit dem Wechsel im Oval Office veränderte sich auch die Außenpolitik der Vereinigten Staaten.
Trump bereit zu Dialog mit Russland
Während Biden noch postuliert hatte, nichts werde über die Ukraine entschieden ohne die Ukraine, folgte Donald Trump nur sehr kurz dem Kurs seines Vorgängers, erklärt der Professor für Internationale Beziehungen an der Georgetown-Universität, Charles Kupchan:
Charles Kupchan war Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates unter Obama. Und blickt skeptisch auf Trumps Vorgehen. Zwar verlängerte der neue US-Staatschef Sanktionen gegen Russland, aber im März dieses Jahres setzte er kurzzeitig auch die Hilfen für die Ukraine sowie die Geheimdienstzusammenarbeit aus - bis zu einer erneuten Kehrtwende viereinhalb Monate später, als Trump ankündigte, doch weitere Waffen an die Ukraine zu liefern, darunter Patriot-Flugabwehr-Systeme, finanziert allerdings durch Europa.
"Trump ändert alle 15 Minuten seine Position"
"Trumps Außenpolitik ist an allen Fronten unberechenbar. Ich würde sagen, er ändert etwa alle 15 Minuten seine Position, sei es bei Zöllen oder in Bezug auf die Ukraine und Russland. Trump kommt ins Amt, wirft Selenskyj erst aus dem Oval Office, kappt den Informationsfluss zu Geheimdienstinformationen und militärischer Unterstützung und macht die Ukraine für den Krieg verantwortlich. Ein paar Monate später behauptet er, Putin habe ihn ausgenutzt", resümiert Kupchan.
Sowohl der Professor als auch der Direktor des Think Tanks begrüßen allerdings Trumps Versuch, mit Putin persönlich über den Konflikt zu sprechen.
Ex-CIA-Direktor hält Gipfel mit Putin für riskant
Parteifreunde Trumps wie der republikanische Senator Lindsey Graham bewerten schon das Vorgespräch des Präsidenten und seines Vizes mit den Europäern und Präsident Selenskyj als "Home Run", also großen Erfolg und glauben, dass mit dem Austausch in Alaska die Weichen gestellt werden könnten, um weiteres Blutvergießen in der Ukraine bald zu stoppen.
Kritiker, die früher selbst viele Jahre Teil der US-Sicherheitsarchitektur waren, bezweifeln das. So hält der ehemalige CIA-Direktor, John Brennan, das Treffen mit Putin für riskant: "Das Beste wäre, wenn durch dieses Treffen kein Schaden entsteht. Das Schlimmste wäre, dass Donald Trump Zugeständnisse gegenüber Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt macht."
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater, John Bolton, findet den Gipfel falsch, weil "Trump mit der Abhaltung dieses Treffens auf amerikanischem Boden den Paria-Anführer eines Schurkenstaates hoffähig macht. Und er verschafft Putin den Vorteil, als Erster seinen Friedensplan auf den Tisch zu legen."
Einig scheinen sich viele Experten für US-Außenpolitik in Amerika nur in einem: Sie haben relativ geringe Erwartungen an substanzielle Ergebnisse durch das Gespräch zwischen Putin und Trump.
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