Vor der Vertrauensabstimmung kämpft Frankreichs Premierminister Bayrou um sein Amt und seine Regierung. Die Opposition fordert Neuwahlen. Doch würden die an den Kräfteverhältnissen im Parlament wirklich etwas ändern?

Noch gut zehn Tage bleiben François Bayrou, bis er die Vertrauensfrage im Parlament stellen wird - und der französische Regierungschef geht in die Kommunikationsoffensive. 

Die Franzosen hätten die Möglichkeit, auf ihre Abgeordneten einzuwirken, damit diese ihre Wahl träfen, sagte Bayrou am Dienstag auf einer Gewerkschaftsveranstaltung. Es gehe darum, sich für eine Seite zu entscheiden: die des Chaos - oder die des Gewissens und der Verantwortung.

Rückendeckung kommt vom Fraktionschef der Präsidentenpartei Renaissance, Gabriel Attal. Seine Partei habe sich immer für Stabilität eingesetzt und werde Bayrou geschlossen das Vertrauen aussprechen, sagte er bei France Inter.

Michael Strempel, ARD Paris, zur geplanten Vertrauensfrage von Bayrou

tagesthemen, 26.08.2025 21:35 Uhr

Großer Teil der Fraktionen will Regierung stürzen

Allerdings hat ein bedeutender Teil der Parlamentsfraktionen bereits angekündigt, dem Premierminister das Vertrauen zu entziehen - und in der Konsequenz die Regierung zu stürzen. Allen voran die Linksaußenpartei LFI und der rechtsnationale Rassemblement National, aber auch die Grünen, die Kommunisten sowie die Sozialisten.

Attal gibt sich trotzdem kämpferisch: "Es gibt immer einen Weg. Meine Fraktion und ich wollen kämpfen - und den anderen Fraktionen die Hand reichen." Er habe mit Vertretern anderer Parteien telefoniert und werde weitere Gespräche führen, führt er aus. "Natürlich müssen wir diskutieren."

Es klingt nach reinem Zweckoptimismus. Denn Attal - und auch Regierungschef Bayrou - dürfte klar sein, wie eng es für die Regierung wird. Für einige geht es aber ganz offensichtlich weniger um die Regierung oder die Vertrauensfrage, als vielmehr um die Frage nach dem Danach.

Macron soll "Parlament erneut auflösen oder zurücktreten"

Der Parteichef des rechtsnationalen Rassemblement National, Jordan Bardella, forderte im Sender TF1 den französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf, Konsequenzen zu ziehen: "Ich sage es vor Ihnen und unseren Mitbürgern: Es gibt nur einen einzigen Ausweg aus der politischen Sackgasse, in der wir stecken - nämlich neu zu wählen."

Macron habe diese Blockade der Institutionen selbst herbeigeführt, sagte Bardella. "Er muss also entweder das Parlament erneut auflösen - oder zurücktreten, damit eine neue Präsidentschaftswahl den Menschen ermöglicht, einen Kurs für das Land zu bestimmen."

Frankreichs Institutionen haben grundlegendes Problem

Seinen eigenen Rücktritt hat Macron bisher aber kategorisch ausgeschlossen. Und ob Neuwahlen das Kräfteverhältnis im Parlament grundlegend verändern und so die verfahrene Lage lösen, ist fraglich. Das Problem sei viel grundlegender, betonte der Politikwissenschaftler Bastien François bei France Info: Das Wahlrecht und die Institutionen in Frankreich seien nicht mehr in der Lage, die politische Realitäten im Land abzubilden.

"Es gibt drei große Blöcke, die in sich jeweils sehr geschlossen sind, sich aber unversöhnlich gegenüberstehen", erklärte François. Der Präsident werde direkt gewählt und stehe im Zentrum der Politik. "Aber dieser Präsident steht einem Parlament gegenüber, das vollkommen unregierbar ist, weil es in drei Blöcke gespalten ist, ohne stabile und disziplinierte Mehrheiten." 

Aus Sicht von François bräuchte es grundlegende Veränderungen, wie zum Beispiel ein Verhältniswahlrecht statt des Mehrheitswahlrechts. Regierungschef Bayrou hatte sich grundsätzlich offen gezeigt für eine solche Reform. Dazu müsste er aber vor allem eins: im Amt bleiben. Um das will er kämpfen.

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