Ausschreitungen, Tränengas - und viele Festnahmen
Bei landesweiten Protesten in Frankreich sind knapp 200 Menschen festgenommen worden. Ein Großaufgebot von Polizisten ist im Einsatz. Die "Bloquons tout"-Bewegung protestiert nach eigenen Angaben gegen Frankreichs Sparpläne.
Bereits kurz nach Beginn sind bei Protestaktionen in Frankreich knapp 200 Menschen festgenommen worden. Innenminister Bruno Retailleau sprach von Angriffen auf Polizisten, Sabotageaktionen an Stromkabeln und einem abgebrannten Bus. Es habe am Morgen etwa 50 Einsätze gegeben, um Blockaden aufzulösen.
Allein die Pariser Polizei teilte mit, dass im Großraum der Hauptstadt 132 Menschen festgenommen wurden. Auf Videos waren Ausschreitungen zu sehen. Medien berichteten von mehreren Straßenblockaden sowie Blockaden an Oberschulen und bei Bus- und Straßenbahndepots. Die Polizei setzt den Berichten zufolge in Paris und anderen Städten Tränengas gegen Demonstranten ein, die Straßen blockierten und Feuer legten.
Dezentrale Aufforderung zum Protest
Die Proteste unter dem Motto "Lasst uns alles blockieren" ("Bloquons tout") richten sich vor allem gegen die seit längerem angekündigten Sparpläne. Welches Ausmaß sie annehmen werden, ist noch nicht absehbar. Unklar ist auch, wer genau ursprünglich hinter dem Aufruf steckt.
Die Protestaufforderungen erfolgen dezentral, viele verschiedene Seiten wollen ihrem Ärger Luft machen. Unter anderem Linke, Gelbwesten-Gruppierungen und Gewerkschaften wie etwa die der Eisenbahner riefen die Menschen auf die Straße.
Innenminister nimmt Linkspartei in Verantwortung
Die Behörden sind in Alarmbereitschaft, rund 80.000 Sicherheitskräfte sind mobilisiert. Innenminister Retailleau gab an, es handle sich bei den Demonstrierenden nicht um eine Bürgerbewegung. Stattdessen seien die Proteste von Linksextremen vereinnahmt worden.
Retailleau macht den Chef der Linkspartei LFI, Jean-Luc Mélenchon, mitverantwortlich für mögliche Gewaltaktionen. "Diese Radikalisierung findet auch statt, weil sie von Monsieur Mélenchon unterstützt werden. Das ist eine Bewegung der Ultralinken", sagte der Innenminister. "Wir wissen, dass es sich um kleine Grüppchen handelt, die zielgerichtet und organisiert handeln. Und ultragewaltbereit sind."
Wie radikal die neue Protestbewegung ist, hat Antoine Bristielle untersucht. Mit einem klaren Ergebnis, wie der Chef des Meinungsforschungsinstituts der Fondation Jean Jaurès sagt. "Die Bewegung 'Bloquons tout' ist stark geprägt von der radikalen Linken." 70 Prozent würden die Partei von Mélanchon wählen, so Bristielle. "Auf einem Links-Rechts-Spektrum von null bis zehn ordnen sich 90 Prozent bei null bis zwei ein", erklärt der Forscher.
Unterschied zu den "Gelbwesten"
Und damit unterscheidet sich "Bloquons tout" deutlich von den "Gelbwesten". Der Protestbewegung, die zwischen November 2018 und Frühjahr 2019 überall in Frankreich aktiv war - gegen die liberalen Reformen von Präsident Emmanuel Macron.
Die "Gelbwesten" seien mehrheitlich Menschen aus prekären Verhältnissen gewesen, die es schwer hätten, wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Die "Blockierer" dagegen seien meist junge Leute mit höheren Abschlüssen, sagt Bristielle. Sie befänden sich nicht in einer wirtschaftlichen Notlage und mobilisierten sich weniger für persönliche Interessen als für ihre Vision von sozialer Gerechtigkeit.
Weniger politische Strahlkraft
Weil "Bloquons tout" stramm links verortet ist, glaubt der Soziologe, dass sie deutlich weniger politische Strahlkraft haben wird als die Gelbwesten, die ein breiteres politisches Spektrum ansprachen - bis weit ins rechte Lager.
Dafür sprechen auch Meinungsumfragen. Zwar haben viele Französinnen und Franzosen Verständnis geäußert für die aktuellen Proteste. Sie würden sich aber nicht beteiligen.
Die Demonstrationen erfolgen zwei Tage nach dem Fall der bisherigen Mitte-Rechts-Regierung bei einer Vertrauensfrage und kurz nach der Ernennung des bisherigen Verteidigungsministers Sébastien Lecornu zum neuen Premier.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke