"Ich verdiene das ganz sicher nicht"
Die venezolanische Oppositionspolitikerin Machado sieht ihre Auszeichnung als Errungenschaft einer ganzen Gesellschaft - gegen Machthaber Maduro. Der Preis dürfte ihr Engagement für Demokratie stärken.
Sie sei im Schock, ihr fehlten die Worte, sagte María Corina Machado, als sie erfuhr, dass sie den Friedensnobelpreis erhält. Dann findet sie aber doch noch Worte: "Vielen Dank, aber ich hoffe, Sie verstehen, dass dies eine Bewegung ist, eine Errungenschaft einer ganzen Gesellschaft. Ich bin nur ein einzelner Mensch. Ich verdiene das ganz sicher nicht."
Als "Schlüsselfigur" der politischen Opposition Venezuelas, die einst tief gespalten war, würdigte das norwegische Nobelkomitee Machado.
Die Entscheidung für die Politikerin sei ein klares Zeichen für Demokratie, sagt der Lateinamerika-Experte Günther Maihold. "Es ist ein klares Signal in Richtung Demokratisierung, die eben in der Region Lateinamerika und darüber hinaus stark bedroht ist durch autoritäre Tendenzen, durch die Einschränkung der Gewaltenteilung des Rechtsstaates, aber auch der Bürgerrechte."
Opposition vereint, Bevölkerung gewonnen
Kaum jemand hat das heutige Regime von Präsident Nicolás Maduro so massiv herausgefordert wie Machado. Es gibt wenig Zweifel, dass sie die Präsidentschaftswahlen 2024 in ihrem Heimatland gewonnen hätte, wären sie transparent, frei und fair gewesen. In kürzester Zeit gelang es ihr, die zersplitterte Opposition hinter sich zu vereinen und die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen.
In einem Land, das seit Jahren unter wirtschaftlichem Zusammenbruch, autoritärer Herrschaft und massiver Auswanderung leidet, verkörperte Machado, geschiedene Mutter von drei Kindern, gerade vor den vergangenen Wahlen für viele Venezolaner die Hoffnung auf einen friedlichen Wandel.
"Während das Regime Hoffnungslosigkeit verkauft, haben wir einen Weg, eine Zukunft", sagte Machado. "Wovor hat Maduro Angst? Maduro fürchtet den überwältigenden Willen des Landes, das in Frieden leben will."
Machado musste untertauchen
Doch Maduro ließ Machado nicht antreten. Die Justiz, die mit ihm verbündet ist, schloss sie aus fadenscheinigen Gründen für die nächsten 15 Jahre von allen politischen Ämtern aus. Wenige Tage nach der Wahl musste sie aus Sicherheitsgründen untertauchen.
Doch Machado machte auch aus dem Untergrund klar: Sie werde den Druck auf die Regierung aufrechterhalten. "Wir werden die Straßen nicht verlassen, der friedliche Protest ist unser Recht", sagte sie. "Wir handeln mit Intelligenz, mit Umsicht, mit Resilienz, mit Mut und friedlich, denn Gewalt gehört zu ihnen. Wir greifen Venezolaner nicht an."
Preisträgerin vertritt liberale Positionen
Wer ist die unerschrockene Politikerin, die Hugo Chávez, Begründer des linkspopulistischen Regimes in Venezuela, einst als klassische Vertreterin der "parasitären Bourgeoisie" beschrieb? Machado, 1967 als Tochter eines Stahlingenieurs und einer Psychologin in Caracas geboren, vertritt wirtschaftlich und gesellschaftlich liberale Positionen. Sie setzte sich für eine Öffnung der Wirtschaft und Privatisierungen ein sowie für die gleichgeschlechtliche Ehe und eine Lockerung des Abtreibungsverbotes.
Machado studierte Wirtschaftsingenieurswesen und ging anschließend in die USA, wo sie lange Zeit als Wahlbeobachterin arbeitete und bis heute enge Beziehungen zu politischen Akteuren unterhält.
2010 wurde sie mit einer Rekordzahl an Stimmen in die Nationalversammlung Venezuelas gewählt, 2014 jedoch von der chavistischen Regierung aus dem Amt entfernt. Seitdem leitete Machado die Partei Vente Venezuela und war eine der Gründerinnen des Bündnisses Soy Venezuela, das prodemokratische Kräfte unterschiedlicher politischer Ausrichtungen vereint.
Nobelpreis stärkt Machados Stimme
Kritiker machen ihr die Nähe zu den USA zum Vorwurf. Südamerika-Experte Maihold sagt, Machado habe immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen friedlichen, einen Verhandlungsweg zu einem Regierungswechsel und zu einem Regimewechsel anstrebe. Sie habe aber auch erkennen lassen, dass sie einen stärkeren Druck insbesondere aus den USA auf das Regime unterstützen würde.
Der Friedensnobelpreis stärkt nun Machados Stimme und verschafft ihrem Engagement weltweite Resonanz.
Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, tagesschau, 10.10.2025 15:28 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke