Warum gerade jetzt?
In der Nacht auf Freitag startete Israel die Angriffe auf den Iran. Warum gerade jetzt? Welche Rolle spielte das iranische Atomprogramm? Und welche die israelische Innenpolitik?
Der Iran ist die ultimative Bedrohung für den Staat Israel. So stellen es in Jerusalem und Tel Aviv Politiker fast aller Parteien dar - und davon ist auch eine Mehrheit der Israelis überzeugt. Nach dieser Lesart hat der Iran bis in die jüngste Vergangenheit Stellvertreterorganisationen in der Region militärisch ausgestattet und gegen Israel in Stellung gebracht.
So wären die Angriffe nach dem 7. Oktober 2023 durch die Hisbollah mit Tausenden Raketen aus dem Libanon auf Israel ohne Unterstützung aus dem Iran nicht denkbar gewesen. Das gleiche gilt für die Angriffe der Huthi-Rebellen im Jemen, deren ballistische Raketen auch in den letzten Tagen immer wieder Millionen Israelis in die Schutzräume getrieben haben. Auch das geht nur mit Unterstützung des Iran.
Auch die Terrororganisation Hamas, die Israel am 7. Oktober zusammen mit anderen Organisationen aus dem Gazastreifen überfallen hat, wurde vom Iran unterstützt. Es gibt beispielsweise Berichte von Trainings für Hamas-Terroristen im Iran.
Irans Verbündete sind stark geschwächt
All diese Stellvertreterorganisationen sind seit dem 7. Oktober 2023 stark geschwächt: Die Hisbollah durch zahlreiche Luftangriffe, die gezielte Tötung weiter Teile der Führung der Organisation und den israelischen Einmarsch in den Libanon, die Hamas durch den langen Krieg im Gazastreifen. Und nicht zuletzt ist durch den Sturz des Assad-Regimes in Syrien ein wichtiger Verbündeter des Iran weggefallen. Israel hat den Regimewechsel in Syrien genutzt, um dortige Waffenarsenale teilweise zu zerstören, die so genannten Pufferzonen auszuweiten und die Bedrohung von dort zu verringern.
So gesehen haben sich die militärstrategischen Voraussetzungen für einen Schlag gegen den Iran durch die Schwächung seiner Verbündeten klar verbessert.
Atomprogramm als konkrete Bedrohung
Das erklärt aber noch nicht, warum der israelische Angriff gerade jetzt erfolgt ist. Die Antwort darauf hängt mit einer weiteren - aus israelischer Sicht - sehr konkreten Bedrohung zusammen: Dem iranischen Atomprogramm. Das Regime in Teheran hat in der Vergangenheit stets die zivilen Absichten seines Atomprogramms betont. Dem hat man jedoch in Israel und auch in vielen anderen Ländern schon länger keinen Glauben mehr geschenkt.
Aus israelischen Sicherheitskreise hieß es nun, der Iran habe inzwischen genügend waffenfähiges Uran, um in wenigen Tagen mindestens 15 Atombomben zu bauen. Ob diese Angaben stimmen, lässt sich nicht überprüfen. Allerdings hatte in den vergangenen Tagen auch die Internationale Atomenergieagentur IAEA gegenüber dem Iran die härtesten Töne seit Jahren angeschlagen und dem Land vorgeworfen, seine Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen zu verletzen. Eine Atomwaffe in den Händen des Regimes in Teheran, dessen Vertreter immer wieder angekündigt haben, Israel vernichten zu wollen, gilt dort als die ultimative Bedrohung.
Ein Gewinn für Netanjahu und für Trump?
Während US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Wochen einen erneuten Anlauf unternommen hatte, zu einem neuen Atomabkommen mit dem Iran zu kommen - das alte hatte er 2018 einseitig gekündigt - lehnt die israelische Regierung ein solches Abkommen ab und hat stets auf eine militärische Lösung gesetzt. Möglicherweise können nun beide einen Gewinn verbuchen: Israel kann durch seine Angriffe das iranische Atomprogramm zerstören oder zumindest um viele Jahre zurückwerfen, und Trump kann, angesichts des militärischen Drucks, immer noch auf einen Deal, also ein neues Abkommen hoffen. In diesem Sinne hat sich der US-Präsident zumindest geäußert.
Für Netanjahus teils rechtsextreme Regierung hat der Angriff zum jetzigen Zeitpunkt noch einige weitere Vorteile: Seine Koalition steht innenpolitisch wegen großer Streitthemen vor dem Aus. Nun kann sich der Premier angesichts der iranischen Bedrohung als Garant der Sicherheit Israels profilieren, an die nationale Einheit appellieren und seinen Kopf gewissermaßen aus der Schlinge ziehen. Denn im Kampf gegen die Bedrohung aus dem Iran weiß Netanjahu eine übergroße Mehrheit der Israelis hinter sich.
Konferenz zu Grundsatzfrage verschoben
Außerdem sorgt die jetzige Eskalation für Ablenkung: Im Gazastreifen wird Israel von den Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen vorgeworfen, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen und weite Teile des Gebietes zu entvölkern. Die Kritik dürfte vorerst leiser werden und der internationale Druck etwas abnehmen.
Das gilt auch für eine der Grundsatzfragen im Nahostkonflikt, nämlich die Errichtung eines palästinensischen Staates, den die Regierung Netanjahu ablehnt: Eine Konferenz in New York in der kommenden Woche auf Initiative von Frankreich und Saudi-Arabien hatte das Ziel, diese Frage voranzubringen. Sie wurde nun bis auf Weiteres vertagt.
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