Ein Gipfel ohne Einigkeit, außer bei der Rüstung
Während des EU-Gipfels war ein Bemühen klar zu erkennen: Den Krisen der Welt sollte keine gespaltene EU gegenüberstehen. Doch in vielen Fragen gab es Uneinigkeit - und damit reichlich Baustellen für das nächste Treffen im Juli.
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel: Bundeskanzler Friedrich Merz zog nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union eine gemischte Bilanz. Er habe nicht mehr erwartet und sogar weniger befürchtet.
Für ihn bewahrheitet sich damit wohl ein alter Spruch - mit Blick auf den kommenden Gipfel und auf die Baustellen, die für das nächste Treffen im Juli übrig geblieben sind.
Slowakischer Widerstand gegen Russland-Sanktionen
Es sind drei Baustellen: Eine Ukraine-Erklärung konnte nicht einstimmig verabschiedet werden, weil Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban vor einer weiteren Integration des kriegsgeschundenen Landes warnt. Für ihn sei dies sogar "eine mögliche Gefahr für die EU".
Als leichter zu überwinden gilt - EU-Diplomaten zufolge - der Widerstand der Slowakei gegen das geplante 18. Sanktionspaket der EU gegen Russland, für das sich auch Merz stark macht. Aber bisher dominieren noch andere Töne.
Der slowakische Premier Robert Fico richtete an Merz die Frage, ob er die Konsequenzen weiterer Sanktionen tragen wolle, die auch Deutschland treffen könnten. Fico sprach von einer möglichen Krise der Autoindustrie in der Slowakei, die eng mit Deutschland verbunden sei. Die entsprechenden Unternehmen seien schließlich von Gasimporten abhängig.
Damit bezog Fico sich auf den EU-Plan, russische Gaslieferungen endgültig zu stoppen, auch in die Slowakei. Deren Verträge mit Russland verpflichteten das Land laut Fico noch zehn weitere Jahre zur Abnahme des Gases.
Keine Konsequenzen für Israels Vorgehen im Gazastreifen
Auch die Forderungen einiger Länder, das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auszusetzen, blieben erfolglos. Ein kritischer Bericht der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas zum israelischen Vorgehen im Gazastreifen wurde lediglich "zur Kenntnis" genommen.
Es gab mahnende Worte an Israel, die Bevölkerung im Gazastreifen besser zu versorgen. Auf weitere Konsequenzen wird jedoch zunächst verzichtet. Der Präsident des Europäischen Rates, der Portugiese António Costa, konnte aber durchsetzen, dass die Lage beim nächsten Gipfel neu bewertet werden soll.
Der Bundeskanzler hatte sich schon im Vorfeld auf Kritik des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez einstellen müssen. Der fordert - anders als Merz - eine härtere Politik gegen Israel und wirft Merz mit Blick auf die Russland-Sanktionen vor, Aggressionen nicht gleichwertig beantworten zu wollen. Die Fronten in der Israel-Frage bleiben auch nach dem Gipfel verhärtet.
Auch der Iran war Thema. Österreich bietet Wien als Verhandlungsort zwischen Israel und dem Iran an. Eine große Rolle im Vorfeld von möglichen Verhandlungen dürfte Diplomaten zufolge der EU aber nicht zukommen. In der Abschlusserklärung des Gipfels heißt es, der Iran dürfe niemals in den Besitz einer Atomwaffe gelangen. Dies könne aber nur durch Verhandlungen erreicht werden.
Handelsabkommen mit den USA "nicht um jeden Preis"
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Schlussphase der Handelsverhandlungen mit den USA. Geplant war, bis spätestens am 9. Juli eine Einigung zu erzielen. Während des Gipfels ließ das Weiße Haus die Frist offenbar platzen, die US-Präsident Donald Trump selbst gesetzt hatte. Sie sei "nicht endgültig", die Entscheidung obliege dem Präsidenten.
"Wir sind bereit, eine Einigung zu erzielen", erklärte der Kanzler nach dem Gipfel. Alle wollten ein Abkommen mit den USA, niemand aber um jeden Preis. Wie hoch der Preis ist, bleibt auch nach dem EU-Gipfel offen.
Merz begrüßte die noch vagen Pläne der EU-Kommission, Europa als Gestalter der Weltmärkte neu zu positionieren. Dieses ehrgeizige Ziel hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen genannt - und wird darin auch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstützt. Europa müsse sich selbst seine Mittel zusammen mit den Handelspartnern schaffen, um Konflikte zu lösen - wenn die Welthandelsorganisation dazu nicht mehr in der Lage sei.
Einigkeit bei Rüstungsausgaben
Die EU-Länder sind sich in einem anderen Punkt einig: Sie wollen ihre Rüstungsausgaben deutlich erhöhen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen erklärte, es gehe nicht nur darum, "wie viel wir ausgeben, sondern wie das geschieht".
Damit bezog sie sich auf die beim NATO-Gipfel eingegangene Verpflichtung, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Gemeinsam müsse besser investiert werden, forderte sie - durch gemeinsame Entwicklung, Beschaffung und Planung.
Dass die Rüstungs-Schulden aus den Maastricht-Kriterien herausgerechnet werden dürfen, wurde von den Staats- und Regierungschefs begrüßt. Darüber hinaus will die EU aber keine neuen Wege bei der Finanzierung einschlagen, etwa über gemeinschaftliche Schulden oder Euro-Bonds.
Bemühen um geeinte EU
Trotz Uneinigkeit in vielen Fragen - am Ende war ein Bemühen sichtbar: Den Krisen der Welt sollte keine allzu gespaltene EU gegenüber stehen.
Kanzler Merz wollte nach dem Ende des Gipfels zunächst nicht über die Details sprechen und beschrieb stattdessen den großen Rahmen: Wirklich in allen Facetten seien die Themen Freiheit, Sicherheit und Wohlstand behandelt worden.
An Diskussionen habe er sich aber eher zurückhaltend beteiligt - und sich immer erst in der Schlussrunde zu Wort gemeldet. Merz spricht von einer ausgesprochen guten Atmosphäre, bevor er sich am Montag wieder liebevoll der Innenpolitik widmen wolle.
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