Vom Tourismus leben, unter Tourismus leiden
Mallorcas Hoteliers und Politiker wollten weniger Massen- und mehr Luxus-Tourismus. Nun haben sie beides. Und zum Ferienstart mehr Probleme als zuvor.
Der mallorquinische Tourismus-Dezernent José Marcial Rodriguez ist genervt. Alle wollten eine schnelle Lösung, klagt er. Immer wieder gebe es Demos gegen ausufernden Massen- und Luxus-Tourismus. Aber Tourismus könne man nicht wie eine leichte Krankheit mit ein paar Tabletten in den Griff bekommen.
Ein Rekord nach dem anderen
Um zu begreifen, worunter Mallorca leidet, helfen Zahlen. Es zieht immer mehr Besucher auf die Insel: 2015 kamen rund zehn Millionen Touristen. Im vergangenen Jahr waren es 13,4 Millionen. Vieles deutet darauf hin, dass es in diesem Jahr noch mehr werden. Ein Rekord folgt dem vorherigen.
Parallel wächst auch die Bevölkerung: 2005 lebten 746.000 Menschen auf Mallorca, 14 Prozent davon waren Ausländer. Aktuell hat die größte Balearen-Insel 967.000 Einwohner, der Ausländer-Anteil hat sich auf rund 21 Prozent erhöht.

Weil sie keine Wohnung mehr finden, ziehen einige Bewohner Mallorcas inzwischen in Campingwagen.
Immobilienpreise kennen nur eine Richtung
Das enorme Wachstum bemerken Einheimische im täglichen Leben. Straßen sind verstopft, Busse häufig überfüllt, Gesundheitszentren mitunter auch.
Vor allem aber lässt die wachsende Mallorca-Liebe Immobilienpreise steigen. Nach Angaben der spanischen Grundbuchämter waren die Quadratmeter-Preise zuletzt nirgendwo in Spanien so hoch wie auf den Balearen.
Wer im Süden des spanischen Festlandes, in Andalusien, eine Wohnung oder ein Haus kauft, zahlt dafür statistisch 1.799 Euro pro Quadratmeter. Auf den Kanarischen Inseln sind es 2.351 Euro. In der Hauptstadt Madrid kostet der Quadratmeter 3.527 Euro. Und auf den Balearen 3.575 Euro.
Das sind Durchschnittswerte. Marktberichte weisen für den Süden Mallorcas Preise zwischen 4600 und 7500 Euro pro Quadratmeter aus.
Erst luxuriös reisen, dann kaufen
Der Trend zu stark steigenden Preisen wird dabei laut Immobilien-Experten auch vom wachsenden Angebot für Luxus-Touristen getrieben. In der Branche heißt es: "Der Fünf-Sterne-Tourist von heute ist der Immobilien-Besitzer von morgen."
Die Zahl der Fünf-Sterne-Hotels hat sich in den vergangenen 15 Jahren gut verdreifacht. Rund 70 Unterkünfte dieser Kategorie gibt es derzeit auf Mallorca.
Eines der neusten liegt auf der Halbinsel Formentor. Zimmer dort kosten in der Hauptsaison 1.800 Euro pro Nacht. Das Hotel ist in den kommenden Wochen nahezu ausgebucht. Die meisten Gäste kommen aus Amerika. Das liege auch an den vier Direktflügen von New York nach Palma de Mallorca pro Woche, sagt die Direktorin.
Vorbei die Zeiten, als Mallorca bloß der Sehnsuchtsort der Deutschen war. Die halbe Welt fliegt derzeit auf die Insel. Das Wirtschaftsmagazin Forbes nahm Palma kürzlich in die Top 100-Ziele für attraktive Städtereisen weltweit auf.
Nachteil für Jobsuchende
Der boomende Tourismus zieht Menschen aus anderen Teilen Spaniens an, um nach Jobs zu suchen. So steigen Einwohnerzahl und Druck auf den Wohnungsmarkt weiter. Selbst Ein-Zimmer-Appartements gibt es in Palma kaum mehr für unter 900 Euro Miete im Monat. Viele Menschen können sich das nicht leisten. Manche ziehen als Erwachsene wieder zurück zu den Eltern.
Bürgerinitiativen rufen regelmäßig zu Demonstrationen gegen den stetig wachsenden Tourismus auf. Auch Wissenschaftler wie der Geograph Celso Garcia von der Balearen Universität mahnen, es brauche endlich Limits. Vor allem der Luxus-Tourismus verbrauche durch private Pools und üppige Gärten Wasser, das die Insel nicht habe. Auch die Zahl der Mietwagen müsse beschränkt werden.
Der Preis von Einschränkungen
Die Balearen-Regierung diskutiert derweil über Maßnahmen: Höhere Steuern für Autos mit fremden Kennzeichen, höhere Tourismus-Steuer, Strafen für Vermieter von nicht angemeldeten Ferienwohnungen.
"Wir können aber nicht einfach Limits erlassen", sagt der Tourismus-Dezernent. Man könne ja keinem Passagier am Flughafen sagen, dass gerade eine Tourismus-Grenze erreicht worden sei und die nachfolgenden Gäste leider wieder nach Hause fliegen sollen.
Man müsse vorsichtig vorgehen. 80 Prozent der Wirtschaft auf der Insel hingen schließlich am Tourismus. Einschnitte seien schmerzhaft. Mallorca lebt vom Tourismus - und leidet darunter.
Der Ton wird schärfer
Bürgerinitiativen haben bereits im Frühjahr Touristen in einem offenen Brief gebeten, nicht mehr nach Mallorca zu kommen. Auf Demonstrationen werden Schilder hochgehalten, auf denen steht: "Mallorca ist nicht zu verkaufen".
Und ein überdimensionierter Stier aus Stahl und Holz, der am Rande einer großen Straße steht, wurde mit roter Farbe besprüht. Zu lesen ist: "Ausländische Immobilien-Käufer, fahrt zur Hölle".
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