Podcast-Boom trotz Druck auf Medien
In Ägypten gibt es so gut wie keine Pressefreiheit, das Land liegt im internationalen Vergleich weit hinten. Und trotzdem gibt es einen regelrechten Podcast-Boom. Oder gerade deshalb?
In einem freistehenden Haus im Kairoer Stadtteil Agouza sitzt die Redaktion der unabhängigen Nachrichtenseite Mada Masr. Sie ist eine der wenigen kritischen Stimmen in Ägypten. Doch im Land selbst ist die Seite seit mehreren Jahren gesperrt.
Seit etwa drei Jahren produziert Mada Masr auch Podcasts. Verantwortlich dafür ist Redakteur und Host Osman El Sharnoubi. Die Podcasts sind auf Arabisch und werden von vielen jüngeren Ägyptern gehört, die eine Alternative zu den streng staatlich kontrollierten Medien suchen. Denn in Ägypten gibt es keine echte Meinungsfreiheit. Doch die Podcast-Szene boomt im Land.
Einfach mit einem Mikrofon auf die Straße gehen und Menschen interviewen könne er nicht, berichtet der 38-jährige El Sharnoubi. "Da kommt sofort jemand und fragt: 'Wo ist Deine Erlaubnis? Was machst Du hier? Wer bist Du? Mit wem arbeitest Du zusammen?'" Sehr wahrscheinlich lande er dann auf der Polizeiwache.
Autoritäres Herrschaftssystem
Bei der Pressefreiheit liegt Ägypten in der Rangliste von Reporter ohne Grenzen 2025 sehr weit hinten, auf Platz 170 von 180 weltweit. Präsident Abdel Fattah Al-Sisi unterdrücke die Medien brutal und habe den unabhängigen Journalismus fast komplett ausgelöscht, kritisiert die Organisation schon länger.
Im Jahr 2013 hatte das Militär die Macht im Land übernommen, 2014 wurde Al-Sisi Präsident. Seitdem seien Tausende wegen ihrer politischen und weltanschaulichen Ansichten inhaftiert worden, schreibt Stephan Roll, Leiter der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Druck auf Journalisten "immer im Hinterkopf"
Er könne gar nicht verdrängen, wie sehr der Journalismus in Ägypten unter Druck stehe, sagt El Sharnoubi. Das habe er immer im Hinterkopf. Obwohl viele Themen, die er in seinen Podcasts umsetze, überhaupt nicht problematisch seien. So wie die Geschichte über die Vorsitzende des Allgemeinen Verbands der Palästinensischen Frauen, die ihr gesamtes Leben nach der Vertreibung aus Palästina in Ägypten im Exil verbracht habe.
Bei anderen Geschichten frage er sich allerdings schon, ist das ungefährlich? "Ich spreche da über eine Geschichte, die ich gerade über eine neue politische Partei produziert habe. Da ging es viel um Wahlen und Wahlbetrug. Da habe ich mir schon überlegt, ob ich mit künstlicher Intelligenz meine Stimme verändere." Dann habe er sich aber doch dagegen entschieden.

Ein Plakat der Comedy-Gruppe von "The Podcast Project".
"Machen nichts, was wir nicht machen sollten"
Einen anderen Weg, mit der Situation umzugehen, haben die Podcastproduzenten von TPP, kurz für "The Podcast Project", gefunden. TPP produziert momentan etwa 25 Formate, hauptsächlich Unterhaltung.
"Wir machen nichts, was wir nicht machen sollten. Wir haben eine klare Mission und Vision. Deswegen haben wir keine Probleme", erzählt der Enddreißiger Islam Adel im Interview mit dem ARD-Studio Kairo. Adel ist einer der Gründer von TPP, früher hat er als Gas- und Ölingenieur gearbeitet. Für seine Arbeit musste er viel reisen, hörte dabei viele Podcasts. Irgendwann stellte er fest, dass es nur wenige arabischsprachige Angebote gibt.
Deswegen rief er gemeinsam mit anderen Podcast-Fans TPP ins Leben. Besonders die Comedy-Formate der Firma sind populär, nicht nur in Ägypten, sondern auch in anderen arabischen Ländern und in der gesamten arabischen Diaspora.

Marwa Hegazy hostet einen True-Crime-Podcast in Ägypten.
Es habe auch nicht genug arabischsprachige True-Crime-Podcasts gegeben, berichtet Marwa Hegazy. Die 32-jährige Ägypterin hostet deshalb seit drei Jahren selbst ein True-Crime-Format mit dem Namen "Was ist nur los, Leute?".
Darin erzählt sie wöchentlich Geschichten über Mord und Totschlag, manchmal aktuell, manchmal thematisiert sie historische Verbrechen. Dabei gehe es ihr nicht um den Horror-Effekt, sagt sie. "Ich versuche zu verstehen, warum Leute tun, was sie tun, und wie es kommt, dass sie so einen dunklen Weg einschlagen."
Unter dem Radar der Zensur
Die ägyptischen Podcastmacher profitieren aktuell davon, dass sie noch nicht allzu strikt kontrolliert werden. Egal, ob sie hauptsächlich das Unterhaltungsgenre bedienen wie TPP, oder ob sie hin und wieder auch heiklere politische Themen anfassen wie Mada Masr.
Sie fliegen gewissermaßen unter dem Radar der staatlichen Zensur. Sie alle hoffen, dass das so bleibt - und ihnen das kleine Stückchen Freiheit nicht genommen wird.
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