Inhalt des Artikels:

  • Bildungsoffensive: Campus-Projekte für starke Zukunft
  • Industrieentwicklung im Fokus: Großprojekte für Wirtschaft und Arbeitsplätze
  • Neues Industrie- und Gewerbegebiet Weißenfels: Chancen für hochwertige Jobs
  • Chemie- und Industriepark Zeitz: Sanierung und Ausbau für nachhaltiges Wachstum
  • Wasserstoff-Verteilnetz im Burgenlandkreis
  • Vision für den Burgenlandkreis nach der Kohle

Der alte Bahnhof in Reuden (Burgenlandkreis), eingezwängt zwischen der Bundesstraße 2 von Zeitz nach Leipzig auf der einen und dem Tagebau Profen auf der anderen Seite, ist ein Backsteinbau, der deutlich bessere Zeiten gesehen hat. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, Züge halten hier seit Jahren nicht mehr.

Doch das soll sich ändern: Mit dem geplanten Ausbau der S-Bahn-Strecke Leipzig–Zeitz in den kommenden Jahren soll auch der Haltepunkt Reuden reaktiviert werden. Derzeit laufen die Planungen für das umfangreiche Bauvorhaben, ab 2035 könnten wieder Züge in Reuden halten.

Noch ist der Bahnhof Reuden in einem erbärmlichen Zustand. Bald soll hier ein Ärztehaus entstehen. Auch Züge sollen wieder halten.Bildrechte: MDR/Frank Nowak

Geld für den Strukturwandel: Milliarden-Investitionen geplant

Und das ist nur der Anfang. Aus dem maroden Bahnhofsgebäude soll zudem ein modernes Ärztehaus mit Apotheke entstehen. Knapp acht Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Der Großteil des Geldes stammt aus Strukturwandel-Fördermitteln, mit denen der Bund Regionen unterstützt, die besonders vom Kohleausstieg betroffen sind. Ziel ist es, neue wirtschaftliche Impulse zu setzen – auch jenseits der alten Tagebauregionen.

Trotz der großen Investition ist Reudens Bürgermeister unglücklich: "Mit dem Tempo der Fördermittelverteilung kann man nicht zufrieden sein", sagt Mark Fischer im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Ein Problem, das viele Kommunen im Strukturwandel teilen. Bisher wurden in Sachsen-Anhalt rund 65 Prozent der Bundes- und Landesmittel bewilligt, tatsächlich ausgezahlt wurde bislang fast nichts (siehe Grafik).

Bildungsoffensive: Campus-Projekte für starke Zukunft

Dabei geht es um enorme Summen: Insgesamt stehen Sachsen-Anhalt für den Strukturwandel mehr als fünf Milliarden Euro zur Verfügung – inklusive der Gelder von Bund und EU. Über knapp 1,7 Milliarden Euro kann das Land direkt verfügen. Der Burgenlandkreis erhält davon den größten Anteil, denn hier liegt der einzige noch aktive Braunkohletagebau in Mitteldeutschland.

Reudens Bürgermeister Mark Fischer ist unzufrieden mit der Ausgabe der Fördermittel für den Strukturwandel.Bildrechte: MDR/Frank Nowak

"Ohne diese Fördermittel sähe es bei uns düster aus. Sie lösen zwar nicht unsere Haushaltsnot – vor allem wegen der sozialen Ausgaben –, aber ohne sie könnten wir uns Investitionen in dieser Größenordnung gar nicht leisten", sagt Götz Ulrich, Landrat des Burgenlandkreises im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Mehr als hundert Projekte sollen mit dem Geld umgesetzt werden, hat der Kreistag 2023 beschlossen. Vorausgegangen waren Workshops und Diskussionsrunden – auch mit Bürgerbeteiligung, bei denen über den besten Einsatz des Geldes gesprochen wurde.

Industrieentwicklung im Fokus: Großprojekte für Wirtschaft und Arbeitsplätze

"Siebzig Prozent dieser Investitionsmittel müssen, sollen, dürfen in industrienahe Infrastruktur fließen und dreißig Prozent der Mittel fließen in den Bereich Daseinsvorsorge, Wohnumfeld, insbesondere auch in Bildung", erläutert Landrat Ulrich.

Gerade der Bereich Bildung ist Ulrich wichtig. "Es geht dabei nicht um schnellen Gewinn – sondern um Wirkung, die bleibt, wenn wir längst nicht mehr im Amt sind." Deshalb entstehen gerade in den drei Mittelzentren des Landkreises (Naumburg, Weißenfels und Zeitz) spezifische Bildungscampus-Projekte mit jeweils eigener Ausrichtung.

Neues Industrie- und Gewerbegebiet Weißenfels: Chancen für hochwertige Jobs

Für rund 60 Millionen Euro entsteht in Naumburg ein neuer Campus, auf dem Sekundar-, Förder- und Berufsschule unter gemeinsamer Leitung kooperieren. Ziel ist es, Förderkindern schrittweise den Zugang zu regulären Schulabschlüssen zu erleichtern und praxisnahe Berufsorientierung vor Ort zu ermöglichen – besonders im Handwerk und der Industrie.

Götz Ulrich (CDU) sind Bildungsangebote ein besonderes Anliegen. Nur so könne eine attraktive Umgebung für die Einwohner geschaffen werden.Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

In Weißenfels soll ein historisches Kloster zum Bildungsstandort werden: Gymnasium, Hochschule, Musikschule und Volkshochschule ziehen zusammen. Das Konzept zielt auf eine engere Verknüpfung von Jugend- und Erwachsenenbildung ab. In Zeitz liegt der Fokus auf der Sanierung der vorhandenen Schulgebäude und der Profilierung in Zukunftsberufe wie Elektromobilität und Wasserstofftechnik.

Chemie- und Industriepark Zeitz: Sanierung und Ausbau für nachhaltiges Wachstum

Die Investitionen von insgesamt 160 Millionen Euro in Bildung konzentrieren sich auf sogenannte weiche Standortfaktoren. Gute Schul- und Ausbildungsangebote sollen junge Menschen und Familien in der Region halten – oder, besser noch, neu anziehen.

Daneben investiert der Burgenlandkreis rund 270 Millionen Euro in drei große Industrieprojekte, um den Strukturwandel nach dem Kohleausstieg aktiv zu gestalten. "Wir tun das, weil wir hochwertige Industriearbeitsplätze schaffen wollen – vergleichbar mit denen, die in der Braunkohle verloren gehen", sagt Landrat Ulrich.

Wasserstoff-Verteilnetz im Burgenlandkreis

Herzstück ist ein neues Industrie- und Gewerbegebiet an der A9 bei Weißenfels, das sich über 300 Hektar in den Städten Weißenfels, Hohenmölsen und Lützen erstreckt. Dafür wurden 135 Millionen Euro veranschlagt, der größte Teil stammt aus Strukturwandelmitteln.

In Weißenfels soll mit Geldern für den Stukturwandel ein neues Gewerbegebiet entstehen. Dort sollen die Kohle-Kumpel gute Industriearbeitsplätze finden, wünscht sich Landrat Ulrich.Bildrechte: MDR/Michael Rosebrock

Ein weiteres zentrales Projekt ist die Erweiterung des Chemie- und Industrieparks Zeitz. Dort sollen Altlasten saniert, die Bahninfrastruktur ausgebaut und die Versorgung mit Kühlwasser, Abwasserreinigung und anderen technischen Anlagen verbessert werden.

Herausforderungen im Strukturwandel

"Wir wollen die Flächen nicht dem Erstbesten vor die Füße werfen, sondern gezielt und mit Weitsicht vergeben", betont Ulrich. Bereits heute gebe es großes Interesse aus der chemischen Industrie, doch verfügbare Flächen seien rar. Mit der Ertüchtigung der Bahnverbindungen wolle man auch Umweltstandards setzen: "Ein Großteil des An- und Abfahrtsverkehrs soll künftig auf der Schiene erfolgen."

Das dritte Großprojekt ist der Aufbau eines Wasserstoff-Verteilnetzes im Landkreis. Es soll rund 50 Kilometer lang sein und wichtige Gewerbe- und Industriestandorte mit dem nationalen Wasserstoff-Kernnetz verbinden. "Auch wenn es derzeit Unsicherheiten im Markt gibt, glauben wir an die Zukunft von Wasserstoff – und setzen den Rahmen jetzt", so der Landrat. Über 70 Millionen Euro werden dafür investiert. Eine eigens gegründete Kreisgesellschaft übernimmt Planung und Betrieb, private Unternehmen sollen sich beteiligen.

Vision für den Burgenlandkreis nach der Kohle

Und klar: Landrat Ulrich sieht in den Investitionen eine echte Zukunftschance für den Burgenlandkreis. Er widerspricht der pessimistischen Erzählung vom demografischen Niedergang deutlich: "Wir nehmen den Verfall, der sich dann aus dem Ausstieg aus der Kohle ergeben würde, nicht hin und legen die Hände in den Schoß." Auch wenn sich konkrete Erfolge womöglich erst später zeigen, glaubt Ulrich an die Wirkung. Bis 2035 soll der Übergang von der Kohle zu neuen Industriearbeitsplätzen vollzogen sein: "Die Kumpel müssen sich nicht außerhalb der Region nach Arbeit umschauen."

Weniger optimistisch blickt Stephanie Albrecht-Suliak auf den aktuellen Stand des Strukturwandels im Mitteldeutschen Revier. Die Landesbezirksleiterin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie warnt: "Ich mache mir momentan mehr Sorgen, als dass ich zuversichtlich bin, dass die Regionen industriestark bleiben werden." Zwar sei der Kohleausstieg vor fünf Jahren ein breiter gesellschaftlicher Konsens gewesen und als sozialverträglicher Wandel gedacht, doch derzeit gerate genau dieser Anspruch ins Wanken. Besonders die akutelle wirtschaftliche Schwächephase und fehlende Fortschritte vor Ort bereiten ihr Kopfzerbrechen.

Ein konkreter Tiefschlag sei die angekündigte Schließung von Anlagen durch Dow. "Das dortige Chemiecluster ist ja eine Zielperspektive für den Wandel im mitteldeutschen Braunkohlerevier", betont die Gewerkschafterin. Besonders die Rückzugspläne am Cracker in Böhlen und der Chloranlage in Schkopau gefährdeten die Vision, neue tarifgebundene Industriearbeitsplätze zu schaffen. Ursache sei aus ihrer Sicht die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Energie- und Industriepolitik: "Die Kosten der Energiewende und der Energiepreise veranlassen Unternehmen momentan, neben anderen Faktoren, Anlagen oder sogar ganze Standorte zu schließen."

Reudens Bürgermeister Fischer wünscht sich flachere Hierarchien bei der Fördermittelvergabe. Ende letzten Jahres habe man die Förderanträge bei der Investitionsbank eingereicht. Die Planungen für den Bahnhof sind rund sechs Jahre alt. "Dass das so lange dauert, ist den Leuten nur schwer zu vermitteln", so Fischer, "und den finalen Bescheid haben wir auch noch nicht in der Hand."

MDR (Hannes Leonard, David Wünschel) | Erstmals veröffentlicht am 03.08.2025

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