Streit um ältesten Bratwurstgrill in Erfurt geht weiter: Warum jetzt auch Nürnberg mitmischt
Hinter Martin Sladeczek liegen außergewöhnliche Tage. Das Telefon des Historikers klingelt am laufenden Band, ein Interview jagt das nächste. Ständig werde er auf der Straße angesprochen, von Stadtführern, Touristen und Erfurtern, erzählt Sladeczek. "Was ist denn nun mit der Bratwurst?", wollen sie alle wissen. Dabei will der Historiker und Welterbe-Projektleiter eigentlich längst einen Haken hinter die ganze Sache machen.
Begonnen hatte die Geschichte, die eine Welle von Schlagzeilen in der bundesweiten Presse nach sich zog, schon vor fast zwei Monaten. Im Rahmen des Jubiläums zu 700 Jahren steinerne Krämerbrücke hatte sich Sladeczek an einer Vortragsreihe über die städtebauliche Situation und die Geschichte des Bauwerks beteiligt.
"Im Spätmittelalter war Erfurt eine Handelsmetropole, ein Kreuzungspunkt wichtiger Handelsstraßen. Und im Umfeld der Krämerbrücke gab es viele besondere Marktbereiche", erklärt Sladeczek. Ihn habe einfach nur interessiert, was auf und um die Brücke herum verkauft wurde.

Zufallsfund mit Zündstoff
Bei seiner Recherche stieß er rein zufällig auf die besagte Urkunde aus dem Jahr 1269. Darin war von einer "Garküche" am Wenigemarkt die Rede. Ein Übersetzungsfehler, wie Sladeczek gemeinsam mit dem emeritierten Historiker Karl Heinemeyer feststellte. Das lateinische Wort "assare" bedeutet nämlich nicht "garen", sondern "braten".
In seinem Vortrag zur Krämerbrücke habe er über den Zufallsfund nur als Randbemerkung gesprochen. Ein Reporter im Publikum sei daraufhin auf ihn zugekommen, um darüber zu berichten. Schließlich könnte es sich hier um den Beleg für den ältesten Bratwurststand der Welt handeln.
Erfurt in Konkurrenz zu Regensburg und Nürnberg
Was zunächst nur wenig Beachtung fand, löste etwa einen Monat später bundesweit viele erfreute, belustigte, aber auch pikierte Reaktionen aus. Denn, sollte der älteste Bratwurstgrill tatsächlich in Erfurt stehen, müsste die Regensburger "Wurstkuchl" ihren Titel als älteste Bratwurststube der Welt abgeben.
Vor 25 Jahren hatten sich Regensburg und Nürnberg bereits einen großen Bratwurst-Kampf geliefert. Da die Regensburger die älteste urkundliche Erwähnung vorlegen konnten, schmückt sich das Nürnberger Restaurant "Zum Gulden Stern" heute damit, die älteste noch erhaltene Bratwurstküche zu haben. Eine Patt-Situation, mit der bislang alle zufriedengestellt waren. Doch jetzt, wo Erfurt als neuer Konkurrent in den Ring gestiegen ist, ist der Bratwurst-Frieden wieder gestört.

Nürnberg fordert zum Duell heraus
Die Regensburger nehmen es bisher gelassen. Die Leute kämen ja wegen der Qualität der Wurst und nicht wegen der Bezeichnung, heißt es aus der "Wurstkuchl". Ganz anders sieht das in Nürnberg aus. "Wir geben uns so leicht nicht geschlagen", sagt Sofia Hilleprandt, Geschäftsführerin des "Gulden Stern" - und ganz offensichtlich kampfeslustig.
Sie will jetzt die Kollegen im Mühlhäuser Bratwurstmuseum zum Boxkampf herausfordern. Dass in Mühlhausen diese Woche der Bratwurstgipfel stattfindet, kommt ihr sehr gelegen. Zwar hätten die Jungs in Mühlhausen eigentlich gar nichts mit der Urkunde zu tun, so Hilleprandt. Doch würden sie Thüringer Rostbratwurst am meisten verkörpern. Das Bratwurstmuseum selbst hat bereits angekündigt, die Thüringer Position beim anstehenden Kampf selbstbewusst vertreten zu wollen.

Rätsel um Grillgut bleibt bestehen
Was Martin Sladeczek da mehr oder weniger versehentlich ausgegraben hat, wird ihn wohl noch eine Weile verfolgen. Er würde das Thema eigentlich gerne ein wenig runterköcheln. "Uns ging es weder um die Geschichte der Bratwurst noch um irgendwelche Superlative", sagt Martin Sladeczek.
Was genau in der Erfurter Brathütte auf dem Grill lag, sei reine Spekulation und gehe aus der Urkunde gar nicht hervor.
Grillroste auf mittelalterlichen Bildern keine Seltenheit
Der Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Jena, Robert Gramsch-Stehfest, bestätigt auf Nachfrage, dass das "thugurium assatoris" durchaus eine Grillhütte gewesen sein könnte. Daraus lasse sich aber nicht automatisch ableiten, dass 1269 Würste gegrillt wurden. Grillroste selbst seien auf mittelalterlichen Bilddarstellungen im Übrigen allgegenwärtig, so Gramsch-Stehfest.
Das weiß auch Martin Sladeczek. Es habe mit Sicherheit in Erfurt, Nürnberg und Regensburg auch schon im 11. und 12. Jahrhundert Roste gegeben, meint er. Dass nun hier, 100 Jahre nach Regenburg, ein solcher Rost erwähnt wird, könne auch reiner Zufall sein, so der Historiker.
Für ihn ist der Überlieferungszufall das Entscheidende. Die Frage, ob er zu dem vermeintlich ältesten Bratwurstgrill weiter forschen wolle, verneint er. "Aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass zu diesem Thema noch weitere Quellen auftauchen werden."
Der Kampf um die älteste Bratwurst könnte also noch so einige weitere Fortsetzungen bekommen.
MDR (soh/mm)
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke