• Die Wurzeln von Tokio Hotel reichen zurück bis in die frühen 2000er-Jahre ins Veranstaltungszentrum Gröninger Bad – ihr erster gemeinsamer Auftritt war Teil einer Drogenpräventionskampagne.
  • Mit der Debütsingle "Durch den Monsun" gelang 2005 der rasante Durchbruch.
  • Zum 20-jährigen Jubiläum widmet das Theater Magdeburg der Band ein eigenes Stück.

Im Gröninger Bad im Stadtteil Salbke begann Anfang der 2000er eine Geschichte, die niemand vorausgesehen hätte. Durch ein Drogenpräventionsprojekt entwickelte sich eine Band, die später weltweit gefeiert wurde: berühmt geworden als Tokio Hotel. Bill Kaulitz hat bei dem Projekt mitgemacht. Dabei ist der Song "Grauer Alltag" in Kooperation mit dem Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt entstanden.

Im Gröninger Bad hat die Erfolgsgeschichte von Tokio Hotel begonnen.Bildrechte: MDR/Lukas Stöckel


"Dann kam der entscheidende Punkt, wo man das performen musste", erinnert sich Gregor Schienemann, damaliger Leiter des Hauses. "Und wir haben gedacht: Okay, Bill Kaulitz alleine – dann stellen wir mal die anderen noch dazu: seinen Bruder Tom, Johann und Gustav." Diese Aufführung war der erste gemeinsame Auftritt der Band, damals noch unter dem Namen "Develish". Die vier Jugendlichen kannten sich kaum, hatten nie zuvor gemeinsam musiziert. Doch die Bühne machte sie zur Band – und Magdeburg wurde zur Startrampe.

Magdeburg im Ausnahmezustand

Schon bei frühen Auftritten in Magdeburg war der Andrang enorm. Er gipfelte bei einem Bandcontest in der Factory, bei dem die jungen Musiker als Vorband auftraten. "Normalerweise waren da 300, 400 Leute", so Schienemann. Als die späteren Tokio Hotel-Jungs spielten, seien es dann plötzlich 1.500 gewesen. Der Hype war bereits spürbar. Die Band trat bei offenen Bühnen auf, spielte Wettbewerbe – und nutzte jede Gelegenheit, sich zu zeigen. Bald war klar: Das hier war mehr als ein Jugendprojekt.

Aus Magdeburg in die Welt

Im Jahr 2003 entdeckte der Produzent Peter Hoffmann die jungen Musiker während eines Konzertes im Veranstaltungszentrum Gröninger Bad. Er lud sie anschließend in sein Studio nach Lüneburg ein, um erste Aufnahmen und Fotos von ihnen zu machen.

Bill Kaulitz bei einem Auftritt im Jahr 2003 im Gröninger BadBildrechte: Gröninger Bad

Hoffmann war auch an der Produktion der Debütsingle "Durch den Monsun" beteiligt. Sie erschien im August 2005 und war der Durchbruch der Band, die nun den Namen "Tokio Hotel" trug. Noch im selben Monat erreichte die Single Platz eins der Deutschen Charts und hielt sich dort fünf Wochen lang. Tokio Hotel wurden über Nacht zum Teenie-Phänomen – und bald auch international bekannt.

Wenn wir uns nach 20 Jahren immer noch an "Durch den Monsun" erinnern, ist da was Bleibendes entstanden.

Gregor Schienemann, ehemaliger Leiter des Gröninger Bads

Gregor SchienemannBildrechte: MDR/Lukas Stöckel

Tokio Hotel spaltet die Geister

Viele Musikredaktionen reagierten zunächst verhalten: "Wir wussten nicht so richtig, wo wir dieses Lied einordnen sollen", sagt Hendryk Proske, damals Musikredakteur bei MDR SPUTNIK und MDR JUMP. Die Stimme war jung, der Sound zwischen Emo-Rock und Pop – und die Reaktionen gespalten. Die Band polarisierte – von Begeisterung bis Ablehnung.

"Dass das eine sehr große Nummer werden wird, wurde uns dann spätestens klar, als die Band Tokio Hotel zu ihrem ersten Interviewbesuch hier ins Funkhaus in Halle gekommen ist" erinnert sich Proske. Es habe "einen unfassbar großen Ansturm" gegeben. Eine Tür ging zu Bruch, weil so viele Fans dagegen gedrückt hatten.

Das ging dann so weit, dass wir die Band hier über den Hintereingang reinholen mussten und es ist auch mindestens eine Tür zu Bruch gegangen.

Hendryk Proske, MDR Musikredakteur

Tokio Hotel wurde zur medialen Dauerpräsenz – auf Viva, MTV, in der Klingeltonwerbung. Der Song "Durch den Monsun" wurde zum Symbol einer Generation. Vor allem dessen weiblicher Anteil fand sich in der Band wieder. Und Magdeburg war plötzlich Teil einer internationalen Popgeschichte.

Zwischen Missgunst und Respekt: Die Szene schaut zurück

Tobias Hengstmann, Kabarettist und Musiker, erinnert sich an die Reaktionen in der Magdeburger Musikszene: "Wir waren natürlich quittegelb vor Neid. Dann kam diese junge Band und hat einfach alles rasiert." Die lokale Szene sei geprägt gewesen von Idealismus, von Texten mit Tiefgang und musikalischer Suche. Tokio Hotel hätten da aus Sicht der anderen Musiker nicht ganz reingepasst.

Trotzdem trafen sie den Nerv der Zeit – und wurden international bekannt. "Wir standen daneben und wussten gar nicht, was passiert", sagt Hengstmann. Heute überwiegt der Respekt: "Die Jungs haben ihr Ding gemacht, sich nie verkauft – und das sieht man bis heute."

Dann kam diese junge Band und hat einfach alles rasiert.

Tobias Hengstmann, Kabarettist

Magdeburgs musikalisches Erbe

Der Ruhm hatte auch Schattenseiten: Die Band wurde teils angefeindet und von Stalkern verfolgt. 2010 zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und die Hälfte von ihnen in die USA. Auch wenn sie dort noch heute leben – die Wurzeln liegen in Magdeburg. Und im Gröninger Bad, das bis heute als Talentschmiede gilt.

Tokio Hotel in der Hochkultur angekommen

Zwanzig Jahre nach "Durch den Monsun" widmet das Theater Magdeburg der Band Tokio Hotel ein eigenes Stück: "Schrei so laut du kannst". Ab Ende September steht die Inszenierung auf dem Spielplan und erzählt von vier Jugendlichen, die mit ihrer Band "Sorry, Nein!" aus der Provinz heraus ihren Weg in die Öffentlichkeit finden.

"Schrei so laut du kannst" soll am 20. September uraufgeführt werden.Bildrechte: Theater Magdeburg

Die Handlung greift Themen wie Identität, Ruhm und Selbstbestimmung auf und ist inspiriert von der Geschichte der Band um die Kaulitz-Zwillinge. Damit sind Tokio Hotel nun auch auf den Bühnen der Hochkultur angekommen – mitten in ihrer Heimatstadt Magdeburg.

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