• Tierschutzaktivisten entdecken im Internet Videos, in denen Pferde misshandelt werden.
  • Die Staatsanwaltschaft Kleve ermittelt gegen eine Frau, die mutmaßlich Pferde gequält hat.
  • Ein eigenes Geschäftsmodell? – In geschlossenen, kostenpflichtigen Chatgruppen werden Tierquälereivideos geteilt.

Videos von Pferden in sozialen Netzwerken sind nicht immer harmlos. Auf YouTube und anderen Videoplattformen kursiert Material, das verstörend wirkt. Eine Frau, die sich Mara nennt, reitet auf einem Pferd in High Heels. Ein anderes Mal rammt sie die Sporen in den Bauch des Pferdes, bis es blutet. Die Kommentare unter den Videos lassen vermuten, für wen diese Inszenierung gedacht ist.

Die Nutzer sprechen etwa über die Wahl der Schuhe, nämlich High Heels, spornen Mara außerdem an, dem Pferd Leid anzutun oder schlagen ihr vor, "oben ohne" zu reiten. MDR INVESTIGATIV bekommt einige der Videos zugespielt. Es entsteht der Eindruck, dass es sich bei den Videos um Fetisch-Content handelt. Also Inhalte, die auf spezielle sexuelle Vorlieben abzielen.

Aktivisten finden Reitplatz aus den Videos

Die Pferdeszene in Deutschland ist entsetzt. Und es entsteht eine aktive Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Pferde zu retten, die sie in den Videos leiden sehen und so auf das Thema aufmerksam machen. MDR INVESTIGATIV trifft zwei aus dieser Gruppe. Die beiden kommen aus Sachsen und sind selbst begeisterte Pferdemenschen.

Zwei Frauen aus Sachsen sind auf Videos gestoßen, in denen Pferde gequält werden und wollen, dass die Täter bestraft werden.Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Sie wollen mehr über die mutmaßliche Täterin aus dem Video erfahren und vermutlich den Klarnamen von ihr herausgefunden haben. Eine der beiden Aktivistinnen erklärt: "Wir sind schon sehr sicher, da sich auch ein paar Menschen gemeldet haben, die sie anscheinend persönlich kennen oder kannten."

Und wirklich: Sie entdecken den Hof in Kamp-Lintfort, einer Kleinstadt nahe Moers in Nordrhein-Westfalen. Dort sind die Taten vermutlich passiert.

Verfahren gegen Mara läuft

Mit diesen Hinweisen versucht MDR INVESTIGATIV Mara persönlich zu finden und fährt nach Kamp-Lintfort. Am Hof angekommen erklärt der Verpächter, dass er Mara und auch ihren Mann kennt. Vor etwa vier, viereinhalb Jahren seien sie bei ihm auf dem Hof gewesen. Er habe aber von diesen Fällen nichts mitbekommen. Als er die Videoaufnahmen gezeigt bekommt, erkennt er diese wieder – das Veterinäramt habe sie ihm auch gezeigt.

Der Verpächter ist einverstanden, dass sich MDR INVESTIGATIV auf dem Hof umsieht. Der Reitplatz ist derselbe wie aus den Videos, in denen ein Pferd mehrmals gequält wurde. Man erkennt zum Beispiel eine Hütte mit einem großen Glasfenster. Wo genau sich Mara jetzt aufhält, konnte der Verpächter nicht sagen.

Der Hof in Nordrhein-Westfalen, auf dem die Tierleidvideos von Mara wohl entstanden sind. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

MDR INVESTIGATIV erfährt, dass Mara auf Discord angemeldet sein soll – einer Sprach- und Videochatplattform für Gamer – und nimmt Kontakt zu ihr auf und will von ihr wissen, warum sie mutmaßlich über Jahre Pferde misshandelt hat. Sie antwortet: "Da die Sache bei der Staatsanwaltschaft liegt und es ein schwebendes Verfahren ist, bitte ich um Verständnis, dass ich mich vorerst nicht zu der Sache äußern werde!"

Da die Sache bei der Staatsanwaltschaft liegt und es ein schwebendes Verfahren ist, bitte ich um Verständnis, dass ich mich vorerst nicht zu der Sache äußern werde!

Mara, mutmaßliche Tierquälerin

Die Staatsanwaltschaft in Kleve ermittelt gegen Mara und teilt auf Anfrage mit: "Die Ermittlungen dauern noch an. Maßgeblich ist die Prüfung, ob einzelne Videos doch noch in nicht rechtsverjährter Zeit ab 2020 entstanden sein könnten." Für die Strafbarkeit der Tierquälerei ist entscheidend, wann die Aufnahmen entstanden sind. Wenn das länger als fünf Jahre her ist, sind die Taten verjährt. Mara würde für diese Tierqualen straffrei davonkommen.

Tierschutzorganisationen fordern schärfere Gesetze

Die Juristin Jeannine Boatright ordnet den Fall Mara ein.Bildrechte: Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V.

Doch was ist mit den Videos? Dürfte sie diese weiterhin verkaufen? Das ordnet die Juristin Jeannine Boatright ein: "In Deutschland ist das Verbreiten von Inhalten mit Misshandlungen gegenüber Tieren nur strafbar, wenn ein pornografischer Bezug besteht", erklärt Boatright. Und das sei in diesen Fetischvideos, die ja zwar überwiegend auch sexuell motiviert sein können, durchaus schwierig.

"Denn wenn man so ein Video jemandem zeigen würde, der würde in der Regel einen solchen Kontext, also einen pornografischen Bezug dazu nicht herstellen. Daher ist es eher auch schwierig, selbst in diesen Fetischkontexten im Rahmen dieser Norm quasi an eine Strafbarkeit anzuknüpfen."

In Deutschland ist das Verbreiten von Inhalten mit Misshandlungen gegenüber Tieren nur strafbar, wenn ein pornografischer Bezug besteht.

Jeannine Boatright, Juristin

Tierschutzorganisationen fordern, dass Gesetze nachgebessert werden und auch die Verbreitung solcher Inhalte strafbar wird. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat erklärt auf Anfrage, dass der Koalitionsvertrag Vereinbarungen zu zahlreichen Tierschutzthemen enthalte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt seien jedoch noch keine genaueren Aussagen möglich.

Aber warum schauen sich Menschen Videos an, in denen Tiere gequält werden. Auf diesem Gebiet der forensischen Psychiatrie und Sexualmedizin forscht Prof. Peter Schönknecht. Er erklärt, es gebe sogenannten Paraphilien, früher bezeichnet als Perversionen, die heute als "sexuelle Präferenzbesonderheiten" gesehen werden. "Früh erworben und über die Lebensspanne weitestgehend robust, sind das Ausprägungen der menschlichen Sexualität. Und wichtig ist, an der Stelle mal wieder zu betonen, für sich genommen sind es solche Prägungen und diese erlangen erst dann Störungs- bzw. Krankheitscharakter, wenn Dritte oder eigenes Leid damit assoziiert ist. Wenn also Dritte betroffen sind, nicht einvernehmlich. Und das können auch Tiere sein."

Tierquälerei in kostenpflichtigen Chatgruppen

Aber wie groß ist der Kreis der Personen, die diese Videos schaut? MDR INVESTIGATIV recherchiert und stößt auf zwei Internetseiten, die Reitvideos verkaufen. Auch hier sieht man wieder Reiterinnen in High Heels, Lack und Leder oder leicht bekleidet und mit Peitschen. Es besteht der Verdacht, dass es ein eigenes Geschäftsmodell ist.

Tiere quälen und dabei filmen, der Inhalt landet dann mitunter auf kostenpflichtigen Portalen und Chatgruppen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wochenlang beobachtet MDR INVESTIGATIV zudem geschlossene Chatgruppen auf Telegram. Die Betreiber machen Angebote, auch für "VIP"-Gruppen, die Geld kosten. Sie werben damit: Wer für den Beitritt in eine Gruppe eine einmalige Gebühr bezahlt, erhält eine lebenslange Mitgliedschaft. Dort gibt es dann regelmäßig Videos – etwa zu Pony- oder Eselreiten oder weiteren Tierleidvideos. "Ich habe auch viele Kinderkategorien", schreibt der Betreiber. MDR INVESTIGATIV geht den Schritt nicht weiter, denn möglicherweise handelt es sich dort sogar um Kinderpornographie und zeigt den Chat an.

Die beiden Aktivistinnen hoffen, dass mit der Recherche dieses Phänomen, Tiere für Fetisch-Zwecke zu quälen, eingedämmt wird. Wer etwas Verdächtiges sehe, könne online Anzeige erstatten, erzählen die beiden. Das gehe in den meisten Bundesländern auch anonym. Zudem sei es ratsam, die Informationen an Tierschutzorganisationen weiterzugeben. Diese könnten rechtlich nicht unbedingt etwas machen, aber die Informationen sammeln und vielleicht auch mehr Aufklärungsarbeit leisten.

Ob irgendwann auch die Verbreitung von Tierqual-Videos strafbar wird, ist noch offen. Jeannine Boatright betont die Notwendigkeit, denn, für das Tier mache es zwar keinen Unterschied ob es bei Misshandlungen gefilmt wird. Aber, so die Juristin: "…liegt es … jedenfalls nahe, dass die Verbreitung solcher Videos durchaus zu Nachahmungseffekten führen können, die wiederum Anreiz dazu bieten, weitere Straftaten nach dem Tierschutzgesetz zu begehen."

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