Migrationspolitik: Zurückweisungen an Grenzen erhalten hohen Rückhalt
- Grenzkontrollen und Zurückweisungen an deutschen Außengrenzen finden starken Rückhalt.
- 9 von 10 sind für die Arbeitspflicht für Asylsuchende.
- Große Mehrheit befürwortet Bleiberecht für Asylsuchende, sofern der Lebensunterhalt selbst bestritten wird.
"Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!" – Das war die berühmte Aussage der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2015 bezogen auf die Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen.
Zehn Jahre danach ziehen die Befragten im aktuellen MDRfragt Stimmungsbild ein eindeutiges Fazit: 9 von 10 Personen (89 Prozent) glauben nicht, dass die Herausforderungen der Migrationspolitik seit 2015 erfolgreich gemeistert wurden.
Das hat ganz verschiedene Gründe. Lucas (29) aus Mittelsachsen schriebt: "Es hätte von vornherein eine europäische Lösung forciert werden müssen. Die Last dieser Migrationswelle war sehr ungleich über die EU verteilt. Ebenso sind die Kommunen und Länder vom Bund zu wenig unterstützt worden. Die finanzielle und kapazitative Überforderung, vor allem von finanzschwachen Städten und Gemeinden, hat meiner Meinung nach zu viel Unmut in der Regionalpolitik und Bevölkerung geführt."
Für Antje (52) aus dem Erzgebirgskreis hätte die Kommunikation mit der Bevölkerung deutlich besser sein müssen: "Ich finde die Entscheidung von Frau Merkel nach wie vor richtig. Wer sich auf einen so gefährlichen Weg macht, der hat einen so großen Leidensdruck, das können wir uns hier in unserem viel gepriesenen Wohlstand doch kaum vorstellen. Allerdings hätte man die einheimische Bevölkerung besser mitnehmen müssen, mehr Verständnis wecken." Sie ergänzt: "Wie das gelingen kann, dazu habe ich aber auch keine Idee."
Viele andere Befragte wünschen sich in den Kommentaren restriktivere Maßnahmen wie Peggy (49) aus dem Kyffhäuserkreis: "Eine vollständige und sofortige Registrierung hätte erfolgen müssen. Dazu hätten die Aufnahmequoten von jedem europäischen Land eingehalten werden müssen."
Inzwischen ist Deutschland restriktiver. Die Ampelregierung von Olaf Scholz hat Grenzkontrollen eingeführt. Unter seinem Nachfolger Friedrich Merz hat das Innenministerium die Zurückweisung von Asyl- und Schutzsuchenden (außer Schwangere, Kranke und unbegleitete Minderjährige) angewiesen. Diese finden trotz juristischer Bedenken bis heute statt.
Mehrheit befürwortet Zurückweisungen von Asylsuchenden an Grenzen
In der MDRfragt-Gemeinschaft erhält diese Maßnahme großen Rückhalt. 8 von 10 Personen (82 Prozent) befürworten Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Außengrenzen.
Von Lukasz (48) aus Leipzig gibt es Zustimmung: "Das entspricht (...) meiner Meinung nach auch dem gesunden Menschenverstand: Solange Deutschland von sicheren Nachbarn umgeben ist, kann niemand aus einem unsicheren Land bei uns angelandet sein, der nicht schon eher in einem sicheren Land war."
Auch Herta (86) aus Schmalkalden-Meiningen ist Befürworterin. Für sie braucht es eine europäische Lösung: "Solange die Flüchtlingsproblematik nicht an den europäischen Außengrenzen dauerhaft gelöst werden kann, müssen wir realisieren, dass der grenzfreie innereuropäische Verkehr nicht mehr zeitgemäß ist."
Umsetzbar sind Zurückweisungen nur durch Grenzkontrollen. Unter den Befragten ist die Zustimmung dazu mit 81 Prozent nahezu identisch, obwohl sie sich negativ auf den Grenzverkehr auswirken können. Beispielsweise berichten Pendler von längeren Wartezeiten an der Grenze zu Polen.
Doch es gibt auch Gegenstimmen. Siegfried (60) aus dem Saale-Holzland-Kreis ist ein vehementer Gegner: "Die pauschale Zurückweisung von Schutzbedürftigen, ohne Prüfung des Einzelfalls, ist eine inhumane Grausamkeit. Sie ist unchristlich, widerlich und eines Rechtsstaates unwürdig!"
Bei jungen Menschen ist die Ablehnung verbreiteter. Unter den 16- bis 29-Jährigen ist jede dritte Person dagegen. Jakob (23) aus dem Landkreis Gotha schreibt beispielsweise: "Artikel 16a garantiert das Grundrecht auf Asyl. Das heißt, wer an der deutschen Grenze 'Asyl' sagt, darf auch einreisen."
Insgesamt steht die Mehrheit aber hinter regulierenden Maßnahmen an Deutschlands Grenzen.
Befragte fordern schnelle Einbindung auf Arbeitsmarkt
Für den Umgang mit Asylsuchenden, die bereits in Deutschland sind, möchte die große Mehrheit der Befragten eine schnellere und konsequentere Einbindung auf den Arbeitsmarkt. 9 von 10 Personen (88 Prozent) sprechen sich dafür aus.
So auch Ingrid (77) aus Chemnitz: "Asylsuchenden sollten alle zumutbaren Arbeiten angeboten werden, damit sie sich in den Arbeitsmarkt integrieren können. Wir haben viel zu wenig Arbeitskräfte für Jobs, die hier keiner machen will."
Marcel (30) aus dem Landkreis Greiz befürwortet in diesem Zusammenhang ebenso eine ausreichende Beratung: "Ich denke, die Vorteile schnellerer Arbeitsintegration liegen auf der Hand. Es wäre allerdings geboten, das ganze konsequent mit Begleitangeboten zu versehen, z.B. Beratung zum Arbeitsrecht etc.."
In der Regel haben Asylbewerber und Geduldete laut Asylgesetz (AsylG) nach einer Wartefrist von drei Monaten bis sechs Monaten einen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis.
Wer nicht arbeitet, kann unter Umständen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gemeinnützigen Tätigkeiten, beispielsweise in Sammelunterkünften, verpflichtet werden. Verschiedene Kommunen in Mitteldeutschland handhaben das bereits so. Eine generelle Pflicht für gemeinnützige Arbeit befürworten 9 von 10 Personen (88 Prozent).
Für Silvia (38) aus Dresden ist es auch eine Geste: "Dafür spricht, dass diese Menschen somit zeigen können, dass sie bereit sind, für dieses Land, welches sie aufnimmt und versorgt, auch zu arbeiten. Ich finde, das ist das Mindeste, was Asylsuchende machen müssten."
Auch Timo (19) Landkreis Sömmerda ist Befürworter: "Eine Arbeitspflicht steigert in meinen Augen die Anerkennung für Asylsuchende, da diese dann positiver betrachtet werden." Allerdings sieht er einen großen Kritikpunkt: "Die Bezahlung ist jedoch sehr ausbeuterisch."
Die gesetzliche Regelung steht in der Kritik, denn für die Arbeit werden pro Stunde 80 Cent Entschädigung gezahlt. Zum Vergleich: Der Mindestlohn in Deutschland beträgt derzeit 12,81 Euro. Ebenso wie Timo, finden das viele Befragte unwürdig, obwohl sie eine Arbeitspflicht generell begrüßen.
Eine Arbeitspflicht im Sinne von erwerbstätiger Arbeit wäre dagegen nur schwer umsetzbar. Das Grundgesetz steht dem entgegen. Denn es regelt, dass niemand zu Arbeit gezwungen werden darf.
Befürwortung für Bleiberecht bei selbst bestrittenem Lebensunterhalt
Das MDRfragt-Stimmungsbild zeigt ebenso, dass 4 von 5 Personen (82 Prozent) eine langfristige Perspektive für Asylsuchende in Deutschland befürworten, wenn für den Lebensunterhalt selbst aufgekommen wird.
Für Andreas (74) aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld könnte eine Regelung so aussehen: "Wer seinen Lebensunterhalt weitestgehend durch reguläre steuerpflichtige Arbeit selbst verdient, sollte nach spätestens 3-5 Jahren ein automatisches Bleiberecht erhalten."
Auch Jan (50) aus dem Landkreis Meißen ist dafür: "Wer sich hier eine eigene Existenz aufbaut, sich integriert und seinen Beitrag zur Gesellschaft leistet ist herzlich willkommen und sollte auch dableiben dürfen."
Patrick (33) aus dem Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hält dagegen, dass Einwanderung und Asyl zwei getrennte Systeme bleiben sollten. Er schreibt: "Asylsuchende sollen nur temporären Schutz erhalten, ein Arbeiten ist dabei nicht notwendig. Wenn hier wer dauerhaft einwandern will, sollte das im Rahmen eines (strengen) Einwanderungsgesetzes geschehen."
Bezahlkarte wird überwiegend befürwortet
Gerade den Bezug von Sozialleistungen für Asylsuchende empfinden viele Befragte kritisch. Eine häufig genannte Sorge: Das Geld würde häufig ins Ausland transferiert werden. Die Nutzung von Bezahlkarten findet unter den Befragten viel Rückhalt. Eine große Mehrheit (85 Prozent) befürwortet den Einsatz.
So auch Thomas (54) aus Erfurt: "Es sind Leistungen, die wir Steuerzahler bezahlen. Mit einer Bezahlkarte wird sichergestellt, dass das Geld auch in Deutschland ausgegeben wurde und nicht über Western Union etc. ins Ausland überwiesen wird."
Für Gotthardt (68) aus dem Unstrut-Hainich-Kreis sollte die Form der Hilfe egal sein: "Wer Schutz sucht, sollte über ein sicheres Leben in unserem Land zufrieden sein. Wenn ich Angst um mein Leben habe, sollte ich für eine Unterkunft und das Lebensnotwendige dankbar sein."
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) kam zum Ergebnis, dass der Anteil der Flüchtlingen, die Geld ins Ausland senden, seit 2012 von dreizehn auf sieben Prozent gesunken ist.
Dabei steht auch der Einsatz von Bezahlkarten in der Kritik. Der Vorwurf: Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Menschen, die sie nutzen müssen. Das sehen auch einige im MDRfragt-Stimmungsbild so.
Ralf (53) aus dem Salzlandkreis schreibt: "Zwang und Reglementierung stehen gegen die Werte des Grundgesetzes auf freie Selbstbestimmung. Jeder muss selbst entscheiden dürfen, was er mit seinem Geld macht. Das gilt ja auch beim Arbeitslosengeld, Grundsicherung (noch) so."
Über diese Befragung
Die Befragung: "10 Jahre "Wir schaffen das!" – wirklich? " lief vom 01. bis 04. August 2025. Insgesamt haben 24.049 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, wird keine Zufallsstichprobe gezogen. Dieshalb sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach bewährten wissenschaftlichen Kriterien und Methoden anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wissenschaftlich beraten und begleitet. Dabei geht es um die Weiterentwicklung des Angebotes ebenso wie über die Überprüfung der Aussagekraft, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.
Aufgrund von Rundungsfehlern kann es vereinzelt dazu kommen, dass die Summe der Werte in Diagrammen von 100 abweicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke