• Fratzscher: Lasten zu stark auf jüngere Generationen abgewälzt
  • Verpflichtendes soziales Jahr als Teil eines neuen Generationenvertrags
  • Verbände weisen Vorschlag zu Pflichtjahr zurück

Ökonom Marcel Fratzscher hat ein verpflichtendes soziales Jahr auch für Rentnerinnen und Rentner gefordert. Im Interview mit MDR AKTUELL sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das sei notwendig, um die junge Generation nicht immer stärker zu belasten und um die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten.

Derzeit, sagte Fratzscher, sei man aber auf einem Pfad, die zusätzlichen Kosten ausschließlich auf die jüngeren Generationen abzuwälzen – über höhere Steuern, Abgaben und Lohnnebenkosten.

Fratzscher: Neuer Generationenvertrag nötig

Der Ökonom verwies dabei auf den demografischen Wandel, da die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer zunehmend das Rentenalter erreichen. Während in den 1960er-Jahren noch sechs Beschäftigte aus der jungen Generation für die Rente eines Menschen gesorgt hätten, sei das Verhältnis heute fast bei zwei zu eins: "Das kann nicht funktionieren."

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass wir eine stärkere Umverteilung von Reich zu Arm haben.

Marcel FratzscherÖkonom

Es brauche mehr Solidarität der Alten mit den Jungen. Bisher habe der Generationenvertrag immer das Versprechen beinhaltet, den eigenen Kindern und Enkeln solle es mal besser gehen oder zumindest nicht schlechter. Inzwischen seien aber 84 Prozent der Menschen in Deutschland – und selbst die große Mehrheit der Babyboomer – überzeugt, dass es den heute jüngeren Generationen schlechter oder sehr viel schlechter gehen werde.

Fratzscher räumte ein, manche Senioren könnten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. Es gebe jedoch genug Menschen, die länger arbeiten wollten und auch könnten. Zudem kritisierte er die gesetzliche Rente heute als Umverteilung von Arm zu Reich. Es sei also nötig, "dass wir eine stärkere Umverteilung von Reich zu Arm" bekommen.

Verbände weisen Vorschlag zurück

Der Vorschlag zu einem verpflichtenden sozialen Jahr für Rentner stieß auf Kritik. Christiane Lehmacher-Dubberke, Geschäftsführerin beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe, sagte MDR AKTUELL, sehr viele Menschen engagierten sich bereits nach ihrem Erwerbsleben in sozialen Bereichen wie Pflegeeinrichtungen. "Daher ist dieses Ansinnen doch wirklich in Frage zu stellen, dass jemand nach seinem beruflichen Erwerbsleben noch ein Jahr weiter verpflichtet wird, sich hier ehrenamtlich zu engagieren."

Ähnlich äußerte sich der Sozialverband Deutschland. SoVD-Chefin Michaela Engelmeier sagte der Deutschen Presseagentur, bei Millionen Menschen sei die Entscheidung, "keine vier Kinder zu bekommen", auch aus finanziellen Gründen erfolgt. "Ihnen nun daraus einen Strick zu drehen, dass man sich zur Strafe gefälligst im Rentenalter engagieren müsse", sei "respektlos".

Die Frage, wer tatsächlich auf wessen Kosten lebt, ist in allererster Linie eine Frage zwischen Reich und Arm.

Anja PielDeutscher Gewerkschaftsbund
Nachdenklich: DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel Bildrechte: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund sagte Vorstandsmitglied Anja Piel, wer jahrzehntelang gearbeitet habe, habe seinen Ruhestand doch unbedingt verdient. "Die Frage, wer tatsächlich auf wessen Kosten lebt, ist in allererster Linie eine Frage zwischen Reich und Arm", zwischen Kapital und Arbeit und nicht Generationen.

Der Vorsitzende der Senioren-Union der sächischen CDU, Frank Vogel, sagte dazu bei MDR AKTUELL, die Senioren stünden am Ende eines langen Berufslebens. Deshalb halte er von dem Vorschlag nichts. Viele hätten zudem über Jahrzehnte bereits ehrenamtlich gearbeitet und machten das auch heute noch, in Vereinen, Hospizen oder in Betreuungsdiensten.

Kritik kam auch vom Sozialverband VdK. Präsidentin Verena Bentele sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, man sollte anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisteten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, "dass sie der Gesellschaft auf der Tasche liegen".

Quellen: dpa, MDR (rnm, ksc)

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke