Generelles Böllerverbot stößt in der Politik auf breite Ablehnung
- Über zwei Millionen Menschen haben eine Petition für ein generelles Böllerverbot unterzeichnet.
- Das Bundesinnenministerium und die zuständigen Ministerien in Mitteldeutschland lehnen generelle Verbote jedoch ab.
- Es gibt diverse Kompromissvorschläge, um Freiheit und Brauchtum mit Sicherheit und Umweltschutz besser in Einklang zu bringen.
Fünf Tote und hunderte Verletzte durch Feuerwerkskörper, unzählige Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte mit Böllern und Raketen – so lautete zu Jahresbeginn die Bilanz der Silvesternacht in Deutschland. Hinzu kamen wie immer verängstigte Tiere, Tonnen von Müll und dreckige Luft. Viele Menschen wollten und wollen das nicht länger akzeptieren. Sie fordern ein umfassendes Verbot von Feuerwerkskörpern für den privaten Gebrauch, ein bundesweites Böllerverbot.
Millionen fordern Böllerverbot per Petition
Über zwei Millionen Menschen unterschrieben allein die Petition "Bundesweites Böllerverbot, jetzt!" des Berliner Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Schon 2023 zeichneten mehr als 160.000 Menschen eine Petition der Deutschen Umwelthilfe mit dem Titel "Böllerciao". Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen unterstützte die Forderungen.
Der Vorsitzende der GdP in Sachsen, Jan Krumlovsky, bezeichnet die Forderung der Berliner Kolleginnen und Kollegen als "drastisch". Allerdings habe die Politik über Jahre nicht auf die zunehmenden Angriffe auf Polizeibeamte und Rettungskräfte mit Pyrotechnik reagiert. "Und somit ist es folglich, dass man auch mal eine Forderung aufstellt und sagt: Na, da müssen wir mal über ein generelles Verbot reden".
Wir brauchen eine politische Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Es sei nicht das Interesse der Gewerkschaft, "den Leuten die Silvesterfreude zu nehmen", erklärte Krumlovsky weiter. Jedoch seien "die gesetzlichen Regelungen, egal ob Waffengesetz oder andere Rechtsvorschriften, in den letzten Jahren nur kosmetisch bearbeitet worden". Inzwischen gebe es "frei verkäufliche pyrotechnische Erzeugnisse, die einen erheblichen Schaden verursachen". Spreng- und Leuchtkraft seien heute viel größer als früher. "Wir brauchen eine politische Auseinandersetzung mit diesem Thema".
Hunderte Schwerverletzte bundesweit
Dem oben genannten Bündnis, das ein Böllerverbot befürwortet, gehören mehrere Organisationen aus dem medizinischen Bereich an. Unter anderem die Bundesärztekammer zählt dazu. Hintergrund ist die Beanspruchung des Gesundheitssystems durch Menschen, die sich mit Feuerwerkskörpern verletzen.
Der Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg, Christoph Lohmann, berichtet MDR AKTUELL von einer regelmäßig "erheblichen Mehrbelastung" mit "sehr komplizierten" Fällen. Allein an der Magdeburger Uniklinik gehe es um circa 15 Fälle in der Silvesternacht mit Verbrennungen, offenen Wunden oder Gliedmaßenverletzungen. Hinzu kämen noch Knalltraumata und andere Verletzungen. Hochgerechnet müsse man bundesweit von hunderten Schwerverletzten ausgehen, sagt der Professor für Orthopädie.
Ein Verbot von Feuerwerk senke die Zahl der Verletzungen in der Silvesternacht erheblich, berichtet Lohmann, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische und Unfallchirurgie ist: "Wenn wir uns die Zahlen zur Corona-Zeit betrachten, wo es 2020 und 2021 ein Feuerwerksverbot gab, da ist die Zahl der Verletzungen um mindestens 25 Prozent zurückgegangen."
Schmerzen, Aggression und Panik bei Tieren
Unterstützung für ein Böllerverbot kommt ebenfalls von Tierschutzorganisationen. Der Gothaer Tierarzt Lothar Hoffmann berichtet im Gespräch mit MDR AKTUELL, dass sowohl Haus- als auch Nutztiere regelmäßig unter dem Feuerwerk leiden: "Die Tiere arten aus in erhebliche Angstzustände oder in Aggressionsausbrüche." Es gebe auch Hinweise darauf, dass manche Tierarten regelrecht Schmerzen leiden, etwa Hunde mit Ihrem ausgeprägten Hörsinn.
Mit Medikamenten seien die Symptome kaum zu behandeln, sagt Hoffmann, der auch Präsident der Landestierärztekammer in Thüringen ist: "Da müsste man dann schon Narkotika oder sehr starke Beruhigungsmittel einsetzen, die wir sonst nur bei Behandlungen verwenden. Und das darf und kann eigentlich nicht Sinn und Zweck sein, dass ich Medikamente einsetze, um die Feierlaune des Menschen zu fördern und andererseits das Tierwohl im Hintergrund lasse."
Innenminister lehnen generelles Böllerverbot ab
Trotz aller Argumente und Forderungen ist ein generelles Böllerverbot politisch derzeit aussichtslos. Das Bundesinnenministerium antwortet auf Anfrage von MDR AKTUELL, dass ein bundesweites Verbot privaten Silvesterfeuerwerks "nicht verhältnismäßig" wäre.
Wir halten nicht viel davon, Familien die Silvesterraketen oder Blitzknaller zu verbieten.
Ablehnend äußern sich auch die zuständigen Ministerien in Mitteldeutschland. Das Wirtschaftsministerium in Sachsen antwortet: "Wir halten nicht viel davon, Familien die Silvesterraketen oder Blitzknaller zu verbieten. Gleiches gilt für Einschränkungen der bisherigen Abgabepraxis." Das Innenministerien in Sachsen-Anhalt schreibt, die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gehe verantwortungsvoll mit Silvesterfeuerwerk um. Das Innenministerium in Thüringen antwortet, dass ein Verbot allein die Probleme nicht löse und zudem ein Verbot auch kontrolliert werden müsse.
Die drei mitteldeutschen Länder zeigen sich jedoch offen dafür, Kommunen zusätzliche Möglichkeiten zu geben, um Feuerwerk lokal einzuschränken. Das sachsen-anhaltische Innenministerium regt dazu eine Anpassung des Sprengstoffrechts an. Nach Ansicht des Thüringer Ministeriums sollten Städten und Gemeinden weitere Böllerverbotszonen ausweisen können.
Neu sind diese Vorschläge nicht. Auf der Innenministerkonferenz im Juni drängten dem Vernehmen nach Berlin, Bremen und Hamburg bereits auf eine Öffnungsklausel. Diese sollte es den Ländern ermöglichen, eigenständig über Böllerverbote zu entscheiden. Doch eine Mehrheit kam nicht zustande.
Anschließend hieß es, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt wolle die Länder erneut zum Gespräch laden. Dies ist allerdings bis heute nicht passiert. "Das Bundesinnenministerium strebt eine Einladung zu einer Besprechung zur Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Länder in Bezug auf privates Silvesterfeuerwerk an", antwortet das CSU-geführte Haus dazu. Eine Neuregelung zum kommenden Jahreswechsel erscheint angesichts dieses Zwischenstandes unwahrscheinlich.
Ausdruck von Freiheit und Lebensfreude
Das Thema Böllerverbot spaltet die Gesellschaft. Nach einer repräsentativen Befragung von Juli im Auftrag des "Stern" befürworten zwar 59 Prozent der Bevölkerung ein Verbot von privatem Silvester-Feuerwerk. Mehr als ein Drittel (39 Prozent) lehnt ein solches Verbot dagegen ab.
Wir haben hier im ländlichen Raum einfach den Anblick der Feuerwerkskörper genießen können.
Die Gegner eines Verbots betonen vor allem die persönliche Freiheit. Zudem bezweifeln sie den Nutzen eines Verbots. Auf der Facebook-Seite von MDR AKTUELL schrieb Nutzerin Andrea Wendel bei einer Diskussion zu Jahresbeginn: "Wir haben hier im ländlichen Raum einfach den Anblick der Feuerwerkskörper genießen können und möchten es auch nicht missen. Was die Chaoten in den Großstädten oder mit selbst gebasteltem Zeug treiben, ist irre und hat ja nichts mit dem Brauch Feuerwerk zu tun."
Der Nutzer Michael Kunert schrieb: "Ein Verbot löst das Problem nicht." Es brauche vielmehr harte Strafen für diejenigen, die Böller auf Einsatzkräfte werfen. Und Jojo Schmitz kommentierte: "Böllerverbot ja. Feuerwerkverbot nein. Das sollte immer noch getrennt werden."
Feuerwerk zu Silvester verbinden die meisten Deutschen mit Freude und positiven Gefühlen.
Die Pyrotechnik-Branche argumentiert, dass Böller und Raketen zu Silvester eine "fröhliche und friedliche Tradition" sei. Der Verband der pyrotechnischen Industrie schreibt weiter: "Feuerwerk zu Silvester verbinden die meisten Deutschen mit Freude und positiven Gefühlen. Diese Tradition sollte respektiert werden." Zudem verweist der Verband auf die wirtschaftliche Bedeutung. Die Branche habe vergangenes Jahr fast 200 Millionen Euro Umsatz generiert.
Stimmen für Kompromisse statt Total-Verbot von Feuerwerk
Wie lassen sich Freiheit und Brauchtum sowie Sicherheit, Umwelt- und Tierschutz zusammenbringen? Diskutiert werden diverse Lösungen.
Tiermediziner Lothar Hoffmann fände es sinnvoll, wenn weniger laut und lange geknallt würde. "Wenn man eine Reduzierung der Lautstärke erreichen oder vielleicht auch den Zeitraum des Verkaufs einschränken könnte, das würde in jedem Fall dazu beitragen, die Belastung bei den Tieren zu mindern."
Der laute Knall ist es nicht immer, glaube ich, der uns glücklich machen kann.
Mediziner Christoph Lohmann plädiert für lokal begrenzte Beschränkungen: "Dort, wo große Menschenansammlungen sind, wird es sinnvoll sein, zentral organisierte Feuerwerke abzubrennen". Zudem müsse sorgfältig überlegt werden, ob nicht einzelne Arten von Feuerwerk wie Böller verboten werden sollten. Bei einem Feuerwerk gehe es eigentlich um ein Kunstwerk, das die Schönheit der Farben darstellen solle, sagt Lohmann. "Der laute Knall ist es nicht immer, glaube ich, der uns glücklich machen kann."

Jan Krumlovsky von der Gewerkschaft der Polizei wünscht sich, dass die Politik Befürworter und Gegner eines Verbots zusammenbringt, um einen "Konsens zu erarbeiten, wie wir in Zukunft in der Erwägung aller Interessen damit umgehen". Mit Blick auf die Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte und andere Menschen könne es "so, wie es jetzt läuft, einfach nicht weitergehen".
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