• Musik-Festivals sind nicht nur für das Musikleben relevant, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor.
  • Viele Festivals fördern die Vielfalt und sorgen für Zusammenhalt in den Orten.
  • Pop- und Jazzfestivals haben zum Teil Zukunftsangst, Klassik-Festivals sind optimistischer.

Musikfestivals in Deutschland sind mehr als nur Konzerte: Sie vereinen im Schnitt fünf Genres, bieten jährlich rund 51.000 Acts und fördern gezielt Nachwuchskünstler. Das ist ein Ergebnis der ersten genreübergreifende Studie zu Musikfestivals, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Eine kommerzielle Ausrichtung ist eher die Ausname.

Das MDR Sputnik Springbreak zieht jährlich tausende Besucher auf die Halbinsel Pouch bei Bitterfeld.Bildrechte: Eric Sargatzke/MDR SPUTNIK

Kulturelle Kraftzentren und wirtschaftlich relevant

Mit Einnahmen von rund 551 Millionen Euro und Ausgaben von 522 Millionen Euro sind Festivals auch ein Wirtschaftsfaktor. Dennoch arbeiten 30 Prozent von ihnen defizitär, nur 15 Prozent erzielen Gewinne. Klassikfestivals sind stärker öffentlich gefördert, Pop-Musik-Festivals tragen höhere Risiken.

Laut der Studie sorgen solche Musikveranstaltungen in den Regionen auch für mehr Vielfalt, nicht nur musikalisch. So achten nach eigenen Angaben 53 Prozent auf geschlechtergerechte Line-Ups. Diversität spielt vor allem bei Pop-Veranstaltungen eine zentrale Rolle.

Das Rudolstadt Festival bringt jedes Jahr im Sommer ein vielfältiges Programm in die thüringische Stadt – 2025 war unter anderem die Musikerin Sadio Sidibe aus Mali zu Gast.Bildrechte: MDR/Matthias Kimpel

Festivals fördern Zusammenhalt vor Ort

Die Orte, in denen Musikfestivals stattfinden, werden auch durch starkes ehrenamtliches Engagement gestärkt. Ehrenamt ist bei 79 Prozent unverzichtbar – besonders in kleinen Gemeinden.

Wir haben sehr viel Ehrenamt mobilisieren können.

Folkert Uhde, Leiter des Bachfest Köthen

Wie zentral das Ehrenamt für viele Festivals ist, zeigt zum Beispiel das Bachfest in Köthen. Festivalleiter Folkert Uhde betonte bei der Präsentation der Studie: "Wir haben sehr viel Ehrenamt mobilisieren können." Besonders in kleinen Städten wie Köthen mit nur rund 25.000 Einwohnern sei das unverzichtbar – nicht nur bei der Organisation, sondern auch ganz praktisch: "Es gibt Leute, die zum Beispiel jungen Künstlerinnen unterbringen. Das ist ein wahnsinnig wichtiger Faktor." Denn ohne private Unterkünfte wäre das Festival in Köthen kaum realisierbar, da es vor Ort nur zwei Hotels gibt.

Folkert Uhde leitet das Bachfest in Köthen – er hebt vor allem das ehrenamtliche Engangement hervor, das für sein Festival entscheidend ist.Bildrechte: Henner Fritzsche

Pop- und Jazz-Festivals besorgt

Ein Viertel der Festivals wurden seit 2020 neu gegründet, vor allem im Bereich Elektro- und Pop-Bereich. Die Szene ist also dynamisch – aber sie braucht stabile Rahmenbedingungen, fordern die Studienmacher. Denn ihre Untersuchung zeigt eine wachsende Unsicherheit in der Festivallandschaft. Zwei Drittel der befragten Veranstalter erwarten künftig einen Rückgang der Festivalanzahl in Deutschland. Ein prominentes Beispiel ist das Melt, das 2024 das letzte Mal in Ferropolis, einem ehemaligen Tagebau bei Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt, stattfand.

Als größte Herausforderung sehen 82 Prozent von ihnen die Finanzierung. Besonders betroffen sind Festivals für Pop und für Jazz: "Zehn Prozent befürchten das unmittelbare Aus ihrer Veranstaltung", heißt es in der Untersuchung. Die Auslastung habe sich verschlechtert – 24 Prozent berichten von rückläufigen Besucherzahlen.

Erfreulicher Weise hat der Jazz in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren im kulturellen Angebot eine höhere Akzeptanz gefunden.

Ulf Herden, Leiter "Women in Jazz"

Wenig optimistisch ist auch das Festival "Women in Jazz" in Halle. Leiter Ulf Herden erklärte auf Nachfrage von MDR KULTUR: "Erfreulicher Weise hat der Jazz in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren im kulturellen Angebot eine höhere Akzeptanz gefunden. Allerdings müsste die Landesförderung dieser Entwicklung stärker entsprechen." Im Jugendbereich ist das laut Herden durchaus schon der Fall. Allerdings setze sich dieser Ansatz in der angebotenen Festivalfinanzierung für "Women in Jazz" noch nicht fort.

Ulf Herden wünscht sich für sein Festival "Women in Jazz" eine bessere Unterstützung vom Land Sachsen-Anhalt.Bildrechte: Rüdiger Schestag

Klassik-Veranstalter sind optimistisch

Optimistischer sind da Klassikfestivals. Eine überwiegende Mehrheit von ihnen erwarten eine Fortführung ihrer Veranstaltungen – ein deutlich höherer Wert als bei allen anderen Genres.

Die Gründe liegen unter anderem in der stabileren Finanzierung: "Klassikfestivals decken etwa 40 Prozent ihres Budgets aus öffentlichen Mitteln", heißt es in der Studie. Der Rest kommt über Sponsoring, Stiftungen und Mäzenatentum zusammen. Auch die Ausgabenstruktur unterscheidet sich. So geben Klassikfestivals lediglich 11 Prozent ihres Budgets für Infrastruktur und Technik aus, während es bei Pop-Musik-Festivals 27 Prozent sind.

So bezeichnet Folkert Uhde vom Bachfest in Köthen es als "großes Glück", dass sein Festival über das Trafo-Programm der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird. Diese "herausragende Initiative" werde auch weitergeführt.

Hintergründe zur Studie (zum Ausklappen)

Die Festival-Studie wurde von Initiative Musik, Bundesstiftung Livekultur und dem Deutschen Musikinformationszentrum initiiert. Durchgeführt hat sie das Institut für Demoskopie Allensbach. Die Untersuchung basiert auf einer Vollerhebung unter 1.764 Festivals und liefert erstmals repräsentative Daten zur deutschen Festivallandschaft. Die Initiative Musik stellt die gesamte Studie online kostenlos zur Verfügung.

Bei der Präsentation der Musikfestival-Studie waren viele Vertreter der Branche zugegen. Bildrechte: Florian_Reimann

Quellen: MDR KULTUR (Ben Hänchen, Karolin Dörner, Hendryk Proske, Ramon Zarges), Initiative Musik
Redaktionelle Bearbeitung: bh

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