Inhalt des Artikels:

  • Wie werden Brücken überprüft?
  • Wie steht es um die Brücken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen?
  • Bei welchen Brücken hat sich die Zustandsnote deutlich verändert?
  • Was muss passieren, damit sich der Zustand der Brücken bessert?
  • Wie wahrscheinlich ist ein weiterer Einsturz?

Am 11. September 2024 gegen 3 Uhr nachts brach in Dresden ein rund 100 Meter langes Teilstück der Carolabrücke in die Elbe. Der Einsturz entfachte bundesweit eine Debatte über die Sicherheit von Brücken und den Zustand der Infrastruktur. Das Datenteam des MDR hatte damals ermittelt, in welchem Zustand sich die Brücken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befinden und wo die mehr als 400 maroden Bauwerke stehen.

Zum ersten Jahrestag hat MDR Data die aktuellsten Daten ausgewertet und die Ergebnisse gemeinsam mit dem Brücken-Experten Steffen Marx vom Institut für Massivbau der TU Dresden eingeordnet: Was hat sich bei den Bauwerksprüfungen getan? Wie haben sich die Zustandsnoten entwickelt? Und wie groß ist das Risiko weiterer Einstürze? Die wichtigsten Antworten im Überblick:

Wie werden Brücken überprüft?

Mindestens alle sechs Jahre findet eine Hauptprüfung statt, bei der Ingenieure die Brückenlager vermessen, Beton abklopfen oder Stahlteile auf Risse untersuchen. Hinzu kommen Zwischenprüfungen und jährliche Besichtigungen.

"Das Ziel ist zum einen, die Sicherheit für den nächsten Sechsjahres-Zyklus zu gewährleisten", sagt Marx. "Das andere Ziel ist, Klarheit darüber zu erlangen, welche Brücken dringend sanierungsbedürftig sind."

Nach dem Einsturz der Carolabrücke haben die Behörden laut Marx schnell reagiert. In Sachsen seien mehrere Brücken ähnlicher Bauart abgerissen worden. Auch die jüngsten Brückensperrungen am Magdeburger Ring, der zentralen Verkehrsachse der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt, seien auf den Einsturz zurückzuführen. "Die Gefährdungslage war dort sehr hoch, deshalb war es genau richtig, was passiert ist", sagt Marx. "Die besondere Vorsicht der Bauwerksbetreiber für diesen speziellen Brückentyp ist deutlich zu spüren."

Wie steht es um die Brücken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen?

Der Bund ist in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für rund 4.100 Brücken bzw. 5.500 Bauwerke (große Brücken bestehen manchmal aus mehreren Bauwerken) an Autobahnen und Bundesstraßen zuständig. Darunter fallen sowohl große Autobahnbrücken als auch einfache Überführungen für Fußgänger. Die Länder betreiben an ihren Landes- und Staatsstraßen weitere rund 3.600 Brückenbauwerke.

MDR Data hat bei den zuständigen Stellen die Zustandsnoten dieser Bauwerke abgefragt und ausgewertet. In Thüringen befinden sich demnach rund zwei Prozent der Brücken in "nicht ausreichendem" oder "mangelhaftem" Zustand, in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es jeweils rund sechs Prozent. Im Vergleich zu vor einem Jahr hat sich am Zustand der Brücken im Großen und Ganzen damit kaum etwas geändert.

Das sei auch nicht zu erwarten gewesen, sagt Brücken-Exerte Marx: "Der Infrastrukturbetrieb ist kein Schnellboot, das schnell die Richtung ändern kann. Etablierte Prozesse umzustellen, braucht Zeit." Auch Sanierungen oder Neubauten können sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen.

Insgesamt sei der Zustand der Brücken im Osten aber etwas besser als im Westen, sagt Marx: Nach der Wiedervereinigung habe es einen hohen Investitionsbedarf gegeben, der über die Jahre abgebaut worden sei – gerade an den Hauptverkehrsadern wurden viele Brücken neu gebaut oder saniert. Deren Zustand sei heute "in aller Regel gut".

Steffen Marx vom Institut für Massivbau (TU Dresden)Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Gleichzeitig warnt Marx davor, die Altlasten zu unterschätzen: "Wenn wir alte, sanierungsbedürftige Brücken einfach ohne Pflege weiter betreiben, wird sich das böse rächen." Das sei auch schon heute an den vielen Einschränkungen zu sehen; etwa wenn Brücken nur noch einspurig oder bei bestimmtem Gewicht der Fahrzeuge befahren werden dürfen.

Bei welchen Brücken hat sich die Zustandsnote deutlich verändert?

Im Vergleich zur Auswertung von vor einem Jahr hat sich bei rund 300 Bauwerken der Zustand um mindestens eine halbe Note verbessert oder verschlechtert. Einige Beispiele:

  • Herzbachbrücke, Illeben (Unstrut-Hainich-Kreis, Thüringen): Note von 3,5 → 1,2. Nach Angaben des Thüringer Landesamts für Bau und Verkehr wurde die Brücke komplett neu gebaut.
  • Jüchsebrücke, Jüchsen (Schmalkalden-Meiningen, Thüringen): Note von 2,9 → 3,4. Verschlechterung aufgrund einer Absackung der Fahrbahn.
  • Radwegbrücke Schrampe (Altmark, Sachsen-Anhalt): Note von 2,9 → 3,5. Laut Ministerium für Infrastruktur und Digitales Sachsen-Anhalt handelt es sich um eine Holzbrücke aus dem Jahr 1991, bei der zunehmende Schäden durch Fäulnis und Pilzbefall festgestellt wurden.
  • Kleine Sülzebrücke, Barleben (Börde, Sachsen-Anhalt): Note von 4,0 → 2,0. Laut MID wurde die Brücke zunächst wegen Mängeln am Geländer abgewertet; nach Montage eines neuen Geländers verbesserte sich die Note.
  • Brücke über die Orla, Ottendorf-Okrilla (Landkreis Bautzen, Sachsen): Note von 3,4 → 1,2. Nach Angaben des sächsischen Landesamts für Straßenbau und Verkehr verbesserte sich die Note nach der Instandsetzung des Gewölbes.

Mehr über die Daten

Die zuständigen Behörden aktualisieren ihre Brückendaten in unterschiedlicher Taktung. Entsprechend beziehen sich die in den Tabellen und Grafiken gezeigten Zustandsnoten auf verschiedene Stichtage:

  • Sachsen & Sachsen-Anhalt: Die Daten stammen vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Sachsen) bzw. vom Ministerium für Infrastruktur und Digitales (Sachsen-Anhalt). Beide führen ihre Bestände laufend fort. Die Zustandsnoten beziehen sich auf den Stand Mitte September 2024 bzw. Mitte August 2025.
  • Thüringen: Die Zustandsnoten stammen vom Landesamt für Bau und Verkehr. Stichtage: 31. Dezember 2023 bzw. 31. Dezember 2024.
  • Bundesbrücken: Die Angaben stammen aus den Jahresberichten der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen. Stand: März 2024 bzw. März 2025.

Entwicklungen nach den genannten Daten sind in dieser Analyse nicht enthalten.

Was muss passieren, damit sich der Zustand der Brücken bessert?

Die Bundesregierung hat im März ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität auf den Weg gebracht. Ein Teil davon soll in die maroden Brücken fließen. Wichtig ist allerdings nicht nur, wie viel Geld zur Verfügung steht, sondern auch, wie es verteilt wird.

"Die Politik setzt die Prioritäten in Deutschland leider immer im Neubau", sagt Brücken-Experte Marx. Die Instandhaltung von Infrastruktur könne man nicht wählerwirksam platzieren. "Es muss immer etwas Neues sein, denn damit kann man politische Blumentöpfe gewinnen." Marx fordert hingegen, das vorhandene Geld in die Fläche zu bringen: "Wir müssen uns die einzelnen Bauwerke mühsam vorknöpfen und dort die notwendigen Maßnahmen umsetzen."

Wenn man die sanierungsbedürftigen Brücken vernachlässige, sei das wie bei einem Haus mit einem undichten Dach: "Als verantwortungsvoller Hausbesitzer lasse ich die kaputten Ziegel reparieren, sonst läuft Wasser in die Konstruktion." Dann würden die Deckenbalken faulen und irgendwann seien sie so marode, dass nur noch ein Abriss bleibt. "Das ist natürlich die teuerste aller Möglichkeiten. Und so machen wir es mit unserer Infrastruktur."

Wie wahrscheinlich ist ein weiterer Einsturz?

Nach dem Einsturz der Carolabrücke vermutlich sogar unwahrscheinlicher als zuvor. Die Verantwortlichen seien sehr aufmerksam, sagt Marx, viele geschädigte Brücken seien aus dem Verkehr gezogen worden. "Wir sehen die Gefährdungslage heute mit anderen Augen."

Langfristig sei die Häufigkeit von Einstürzen auch eine gesellschaftliche Entscheidung: "Wir müssen uns darüber klar werden, ob wir die Brücken sanieren, oder ob wir das Geld lieber in andere Dinge stecken wollen", sagt Marx. In Italien stürze etwa einmal im Jahr eine Brücke im laufenden Betrieb ein, häufig mit Todesopfern. Dort sei die gesellschaftliche Akzeptanz für solche Risiken höher. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden Brückeneinstürze auch in Deutschland Normalität."

MDR (Maximilian Schörm, David Wünschel)

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke