Kanzler Merz hält im Bundestag eine innen- und wirtschaftspolitische Rede und reagiert dabei vor allem auf seine Kritiker in der Opposition. Das macht ihn schwach - und eine Vision vom Land kommt zu kurz.

Hat Friedrich Merz eine Woche lang auf diesen Moment gewartet? So wirkt es, als er an diesem Morgen ans Rednerpult des Bundestages tritt und seine Rede hält, in der Generaldebatte zum Haushalt 2026.

Genau vor einer Woche stand er schonmal hier, in fast der gleichen Debatte, nur ging es da noch um 2025. Merz fokussierte sich eine Woche zuvor auf Außen- und Sicherheitspolitik, erklärte, warum die Bundesregierung so viel Geld ausgeben will. Es folgte heftige Kritik aus der Opposition. Das gehört zum politischen Geschäft. Reagieren kann der Kanzler selbst darauf nicht mehr - auch wenn es ihn noch so sehr unter den Nägeln brennt. Und bei Merz brannte es wohl gewaltig.

An diesem Morgen, eine Woche später aber, kann Merz reagieren - und tut es auch. Der Kanzler hat auf Verteidigung umgestellt: Er wettert gegen seine Kritiker. Gegen die Grünen - man kümmere sich sehr wohl ums Klima, nur eben ideologiebefreit und technologieoffen! Gegen die AfD - man reformiere sehr wohl das Asyl- und Einwanderungspolitik! Und gegen die Linke - die hätten nämlich einfach noch nicht kapiert, dass es um Wirtschaftswachstum gehe, nicht um Umverteilung!

Merz bekommt die Gegenwehr sofort zu spüren. Die Opposition kocht, schimpft, ruft rein - so sehr, dass sogar Parlamentspräsidentin Julia Klöckner dazwischengeht und zur Ruhe mahnt.

Nur ein Herbst der Reförmchen?

Spannend mit anzusehen, ja - aber: Staatstragend ist alles das nicht. Im Gegenteil: Der Kanzler im Verteidigungsmodus wirkt schwach und angreifbar. Einer, der sich rechtfertigt, statt zu erklären. Der "Aber wir machen doch!" sagt, statt die großen Linien zu ziehen. "Wir brauchen echte Reformen", sagt Merz. Damit Deutschland die sozialen Versprechen, die man gegeben habe, auch künftig einhalten könne.

Doch wie sich der Staat die sozialen Versprechen bald noch leisten kann, angesichts einer Milliardenlücke im Haushalt 2027, oder wie die Reform des Sozialstaates konkret aussehen könnte: Dazu sagt Merz kein Wort. Stattdessen der Appell, dass man im Land ein Verständnis dafür brauche, wie unausweichlich Veränderungen sein werden.

Der Subtext des Kanzlers: Es wird nicht einfacher werden in den kommenden Jahren, eher schwerer. Auch wenn es darum geht, harte Reformen umzusetzen. Doch so weit ist diese Bundesregierung noch gar nicht - trotz großer Ankündigungen wie einen "Herbst der Reformen". Manch einer in der Koalition bereut bereits, so große Erwartungen geschürt zu haben. Vielleicht wird es doch nur ein Herbst der Reförmchen?

Merz' Vision kommt zu kurz

Zu kurz kommt bei Merz eine Vision davon, wie dieses Land eigentlich werden soll, und warum man dafür so viel Geld ausgibt, so hohe Schulden aufnimmt. Nur am Schluss seiner Rede geht er darauf ein, spricht davon, dass das rohstoffarme Deutschland auf den technologischen Fortschritt setzen müsse, dass es dafür mehr Begeisterung brauche. "Wir können das!", sagt er. Fast hört sich das an, wie der Merkel-Satz "Wir schaffen das". Aber eben nur fast.

Kanzler Merz erklärt, wie viele Wirtschaftsunternehmen, Gewerkschaften, Industrievertreter er derzeit trifft, wie ernst die Lage sei - und versucht gleichzeitig doch, das Positive herauszustellen. "Atemberaubend" sei, was sich hierzulande schon alles tut - zum Beispiel mit Blick auf den Großrechner Jupiter im Forschungszentrum Jülich, dem größten in ganz Europa.

In Deutschland sei schließlich auch das Auto erfunden worden. Dabei wird aber auch klar: Das war einmal. Der Wirtschaftsaufschwung und der Erfindergeist scheinen in weiter Ferne.

Berlin statt New York

Zu Außen- und Sicherheitspolitik verliert Kanzler Merz kaum ein Wort. Die Grünen werfen ihm sogar vor, dass er trotz der angespannten Weltlage in diese Woche nicht an der UN-Vollversammlung in New York teilnimmt und stattdessen im Bundestag spricht. Er, der gerne als Außenkanzler auftritt, sich aber auch oft den Vorwurf gefallen lassen muss, sich zu wenig um Innenpolitik zu kümmern. Jetzt also: der Fokus auf die Wirtschaft. Immerhin war sie zentrales Thema im Wahlkampf.

Anfang der Woche traf sich Merz im Kanzleramt mit Vertretern der großen Wirtschaftsverbände, die Druck machen. Weitere Termine folgen. Morgen kommt das Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute. Angesichts der wirtschaftlichen Lage sind Erfolgsnachrichten nicht zu erwarten. Friedrich Merz hat also allen Grund, jetzt auch mal auf Wirtschaftskanzler zu machen.

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