Warum die AfD ihre Geschäftsstelle räumen muss
Die Party nach der Bundestagswahl beschert der AfD Ärger mit ihrem Vermieter in Berlin. Ein Gericht stellt Vertragsverletzungen fest - und doch geht für die Partei die Sache gut aus. Im Gericht ging es hoch her.
Vielleicht nicht das Urteil an sich, aber der Tonfall der Verhandlung war überraschend. Von einem Vermieter, der nicht hinnehmen will, wie mit ihm umgegangen sein soll.
Nein, er bedauere ausdrücklich nicht, an die AfD in Berlin vermietet zu haben, betont Lukas Hufnagl nach der Verhandlung. In Deutschland müsse man sich bei dem Thema endlich mal beruhigen, meint der Österreicher. Aber wie Einzelne in der Partei mit ihm umgegangen sein sollen, das fasst ihn sichtlich an.
Hufnagl ist der Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft "Quercus Grund" und hat 2022 Geschäftsräume an die AfD vermietet. Insgesamt drei Mietverträge gibt es für die Adresse in Berlin-Wittenau, die AfD hat dort ihre Parteizentrale untergebracht. Alle drei Verträge wollte Hufnagl fristlos kündigen, die AfD zum sofortigen Auszug zwingen. Aber damit kommt er nicht durch, am Ende weist der Richter die Klage ab.
Partei sucht schon länger neue Immobilie
Repräsentativ sind die Räume im Eichhorster Weg 80 nur bedingt, es ist ein einfaches Bürogebäude, nicht zu vergleichen mit beispielsweise dem Prunk der CDU-Parteizentrale in Berlin. Auch die Lage ist ungünstig, weit weg vom Bundestag, die AfD sucht schon lange etwas Besseres. Allerdings wollen nur wenige an sie vermieten.
Die einen aus der Überzeugung heraus, einer in Teilen gesichert rechtsextremen Partei kein Zuhause bieten zu wollen, die anderen, weil sie Schäden an ihrem Eigentum befürchten. In der Tat ist die Liste der Sachbeschädigungen, Brand- oder Farbanschläge auf AfD-Büros lang, das schreckt selbst die Vermieter ab, die der Partei inhaltlich gewogen sind.
Ebene 1: Das Mietrecht
In der Verhandlung vermischen sich immer wieder zwei Ebenen. Eigentlich geht es um einen einfachen Mietrechtsstreit, ausgelöst durch die Wahlparty der AfD im Februar.
Am Tag der Bundestagswahl lädt die Partei Presse und Wohlgesonnene ein, um das Wahlergebnis gemeinsam zu feiern. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl gibt es in Berlin kaum noch Locations, die man kurzfristig mieten könnte, also beschließt die AfD eine Feier in den eigenen Räumen, repräsentativ hin oder her.
Das Problem: Mit ihrem Mietvertrag ist einiges von dem, was an dem Abend passiert, nicht vereinbar. Beispielsweise hat die AfD den Innenhof nicht mitgemietet, aber hier spielt sich ein großer Teil der Party ab. Über mehrere Tage werden Zelte und Grills aufgebaut, ein Raucherbereich eingerichtet. Die Fassade wird mit einem großen Partei-Logo angestrahlt, aber der Mietvertrag untersagt eine werbliche Nutzung, also AfD-Fahnen oder -Logos.
Weil die Polizei wegen einer Demonstration in der Nähe die Straße sperrt, kommen andere Mieter über Stunden nicht in das Gebäude, wobei unklar bleibt, ob das an einem Sonntag in einem Bürogebäude überhaupt versucht wurde. Die AfD hätte für all das Genehmigungen bei ihrem Vermieter anfragen können, das tut sie aber nicht. Hufnagel erfährt von der Party aus der Presse und kündigt der Partei umgehend fristlos. Gütlich einigen außerhalb des Gerichts können sich AfD und Vermieter nicht.
Ebene 2: Vermieter berichtet von Drohungen
Auf der zweiten Ebene spielen angebliche Bedrohung und Erpressungsversuche eine Rolle. Schon als der Richter zu Beginn den Sachverhalt zusammenfasst, wird der Vermieter emotional. Die AfD soll gedroht haben, das Objekt zu besetzen, sagt der Richter, Hufnagl ruft rein: "Und sie haben gesagt, es wäre kein Problem, zwei drei Busse mit strammen Jungs anzufahren!"
Der Richter ermahnt ihn, nicht zu unterbrechen. Wenige Minuten später fordert Hufnagl den Richter auf, AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter und Bundesgeschäftsführer Hans-Holger Malcomeß in den Zeugenstand zu laden. Gegen beide hat Hufnagl Anfang Juli bei der Berliner Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen versuchter Erpressung und Nötigung gestellt, ein Sprecher der Behörde bestätigte den Eingang.
Hufnagl erzählt, dass er bedroht worden sein soll, deswegen umziehen musste, seine Frau weine zuhause. Hütter habe über ihn im sächsischen Landtag herumerzählt, er sei ein Agent des Mossad und hätte die fristlose Kündigung nur ausgesprochen, weil er in den AfD-Räumen eine Flüchtlingsunterkunft betreiben wolle. Das sei absurd. Seitdem bekomme er Drohanrufe "mit hörbar sächsischem Akzent". Mit solchen "Hühnerdieben" müsse er sich jeden Tag herumschlagen.
Die AfD weist die Anschuldigungen zurück. "Die Vorwürfe sind frei erfunden", sagt Bundesgeschäftsführer Malcomeß der Nachrichtenagentur dpa. Die Strafanzeige sei "prozesstaktisch motiviert" und erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgt. Hütter ergänzte: "Die Vorwürfe entspringen seiner Fantasie."
Für die AfD nimmt der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk an der Verhandlung teil, er ist Mitglied im AfD-Bundesvorstand. Zu ihm sagt Hufnagl, dass es keine Probleme gebe, wenn er mit Gottschalk zusammenarbeiten könnte: "Mein Problem ist aber, dass ich nicht mit Ihnen zu tun habe, sondern mit Herrn Hütter und Herrn Malcomeß und mir das nicht zuzumuten ist!"
All diese Vorwürfe spielen in der Mietrechtssache allerdings keine Rolle, auch nicht die Frage der Zumutbarkeit. Es gehe dabei um ein gesondertes Verfahren bei einem anderen Gericht, macht der Richter immer wieder deutlich.
Fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt
Schon während der Verhandlung am Landgericht Berlin II deutet Richter Burkhard Niebisch an, dass er zwar Vertragsverstöße der AfD sieht, die aber seiner Meinung nach keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Man hätte erst erfolglos abmahnen müssen, das sei nicht passiert.
Insofern ist auch das Urteil keine große Überraschung: Die fristlose Kündigung ist unwirksam, die AfD muss die Parteizentrale den unterschiedlichen Verträgen entsprechend zum 30. September 2026, 30. November 2026 und 31. Dezember 2026 räumen.
Die Termine beruhen auf einem vertraglichen Sonderkündigungsrecht, Hufnagl hatte neben der fristlosen Kündigung zur Sicherheit auch eine ordentliche Kündigung zu diesen Terminen ausgesprochen. Das Sonderkündigungsrecht greift nun, ohne Sonderkündigungsrecht wären die Verträge ein Jahr später Ende 2027 ausgelaufen.
Theoretisch könnte Hufnagl nun Berufung zum Kammergericht einlegen. Er wolle erst die Urteilsbegründung sorgfältig prüfen, ließ er einen Tag vor der Urteilsverkündung wissen. Zur Verkündung selbst sind er und sein Anwalt dann nicht mehr vor Gericht erschienen. Ob er das Urteil akzeptiert, lässt Hufnagl also fürs erste offen. Die AfD sieht das Urteil als Erfolg - und hat jetzt noch ein Jahr Zeit für die schwierige Suche nach einer neuen Parteizentrale.
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