Rüstungsindustrie zeigt Interesse an Industriegebiet "Goldene Aue" in Thüringen
- In der "Goldenen Aue" scheiterten bisher alle Ansiedlungsprojekte, obwohl die Flächen weltweit beworben wurden.
- Nordhausens Landrat Matthias Jendricke wirbt für die Ansiedlung von Rüstungsunternehmen.
- Das Thüringer BSW lehnt Rüstungsansiedlungen in der "Goldenen Aue" ab, weil dort nur wenige Jahre produziert werden würde.
Andreas Krey beschäftigt sich berufsbedingt mit den Märkten der Zukunft und wo sie eine Bleibe finden können. Er ist Geschäftsführer der Thüringer Landesentwicklungsgesellschaft, kurz LEG Thüringen.
Über die nahe Zukunft der Rüstungsindustrie in Deutschland denkt er, gemessen an den Telefonaten, die er dazu in den vergangenen Wochen geführt hat: "Hier entsteht jetzt ein Markt. Milliarden und noch mehr Milliarden Euro werden in die Rüstungsindustrie investiert. Also guckt die ganze Welt auf diesen Kuchen, der zu verteilen ist."
Auch Thüringen wirbt um Anteil an Bundesmilliarden für Verteidigung
Ein Kuchen von 400 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030, so die Prognosen. Thüringen – wie ganz Ostdeutschland – hätte gern ein großes Stück davon. Und sieht sich im Werben um Ansiedlungen gut aufgestellt, wie Ministerpräsident Mario Voigt von der CDU sagt: "Wenn es um Fragen von Optik, Photonik, von Maschinenbau oder auch von Sanitätstechnik geht, dann ist der Osten schon gut aufgestellt. Aber wir haben eine industrielle Basis und ein Potenzial, dass es zu heben gilt."
Know-how und Fachkräfte sind vorhanden. Auch die Gebiete für Industrie-Ansiedlungen sind erschlossen, aber manchmal ungenutzt, wie beispielsweise in Nordthüringen. Direkt an der Autobahn 38 und der Landstraße 3080 steht seit zehn Jahren eine Tafel mit der Aufschrift "Freie Flächen für ihre Ideen". Die Farbe der Buchstaben ist leicht ausgeblichen, die Metallhalterung hat Korrosionsspuren.
Industriegebiet wartet seit Jahren auf Investoren
Die Tafel wirbt für den Industriestandort "Goldene Aue" zwischen Heringen und Nordhausen. 830.000 Quadratmeter, voll erschlossen – aber brachliegend. "Ich würde mir wünschen, dass es eine Firma gibt, die den Anfang macht, weil ich glaube, es fehlt an diesem Anfang", sagt der Bürgermeister von Heringen, Matthias Marquardt von den Linken.
Interessenten hat es schon gegeben, wie etwa einen Großschlachtbetrieb oder eine Batterie-Recycling-Anlage. Projekte, die sich trotz weltweiter Vermarktung der "Goldenen Aue" durch die Landesentwicklungsgesellschaft zerschlagen haben oder gescheitert sind.
Geschäftsführer Andreas Krey kennt das Gebiet. Manchmal würden potentielle Investoren sogar Flächen reservieren. Dass sich augenscheinlich dennoch nichts tut oder getan hat, erklärt er so: "Die Sichtweise auf Investitionen hat sich geändert. Wenn vor 15 Jahren Unternehmen gekommen sind, hatten sie ein fertiges Layout, haben eine Baugenehmigung gebraucht und haben angefangen. Heute ist es so, dass Unternehmen kommen, reservieren den Standort für ein Jahr und gehen mit dem Standort in den Wettbewerb in ihrer Konzernzentrale um das Produkt und die Produktlinie."
Landrat von Nordhausen wirbt für Ansiedlung von Verteidigungsindustrie
Wobei der Rahmen für mögliche Ansiedlungen in der "Goldenen Aue" eng gesteckt ist. Erwünscht sind laut LEG-Portfolio Branchen wie der Maschinenbau, die Metallverarbeitung oder die Hydro-Geologie.
Nordhausens Landrat Matthias Jendricke von der SPD würde gern einen Industriezweig dazu nehmen: Die Rüstungsindustrie – oder wie er sagt: die Verteidigungsindustrie. "Wenn man sich die neuen Bundesländer anschaut, ist es generell so, dass wir an diesen Industriebereichen zu wenig haben. Dahinter stehen gut bezahlte Arbeitsplätze und dahinter steht auch meistens eine Hochtechnologie, die bis in die Forschungsbereiche der Hochschulen hineinwirkt. Und wenn man jetzt auf den Standort Nordhausen schaut: Wir haben eine Hochschule und ein Industriegebiet." Sogar mit direktem Autobahnzugang und das mitten in der Bundesrepublik. Von Nordhausen aus sei man binnen vier Stunden fast überall in Deutschland.
Landesentwicklungsgesellschaft sieht Chance für ganz Thüringen
Für Matthias Jendricke ist das ein klarer Standortvorteil. Dass es Sorgen und Befürchtungen unter den Menschen der Region gebe, welche Folgen die Ansiedlung eines Rüstungsbetriebes hätte, kann der Landrat nachvollziehen, versucht aber zu beschwichtigen: "Verteidigungs- und Rüstungsindustrie ist Hochtechnologie, ist ganz viel Zuarbeit und Zulieferindustrie, wo man das Endprodukt gar nicht sehen würde."
Zukunftsmusik? Eventuell. Wobei die "Goldene Aue" durchaus Potenzial hat und in der Branche auf Interesse stößt, soviel kann Andreas Krey von der Landesentwicklungsgesellschaft bestätigen: "Ich will das jetzt nicht ideologisch werten, aber wirtschaftspolitisch und auch für die Entwicklung Thüringens ist das eine Chance. Und wir gehen diese Chance schon seit einiger Zeit und stellen auch fest, dass es vermehrt Interesse gibt. Wir waren mit Interessenten in der 'Goldenen Aue' und haben uns das angeschaut."
BSW gegen Rüstungsansiedlungen in Thüringen
Aussagen, die bei der Regierungspartei BSW zur Kenntnis genommen werden – mit Bauchschmerzen. Katja Wolf, Landesvorsitzende und Finanzministerin, spricht sich dagegen aus, den Freistaat zu einer verlängerten Werkbank von Rheinmetall oder anderen Rüstungsbetrieben zu machen. Ihr Co-Vorsitzender Gernot Süßmuth sieht in den Plänen keinerlei Nachhaltigkeit. "Ich denke eben zum Beispiel, dass Investitionen in die Rüstung ein Strohfeuer sind. Tatsächlich wird dort für die nächsten drei oder vier Jahre produziert und dann ist jemand reich geworden. Aber alle, die dort gearbeitet haben, haben das gleiche Problem wie jetzt auch."
Auch Matthias Marquardt, der Bürgermeister von Heringen, ist bei der Aussicht auf einen Rüstungsbetrieb vor den Toren seiner Stadt nicht unbedingt erfreut, eher hin und her gerissen. Aus seiner Sicht "wäre es natürlich super, wenn hier Arbeitsplätze entstehen würden. Aber aufgrund der historischen Vergangenheit passt das hier in die Gegend überhaupt nicht". Denn Nordhausen war im Zweiten Weltkrieg Standort einer Waffenproduktion. Im KZ Mittelbau-Dora mussten NS-Zwangsarbeiter die V2 zusammensetzen.
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