Eine Pflegeversicherung für alle? Paritätischer Wohlfahrtsverband sagt Ja - Experten zweifeln
- Die Verbände befürworten eine Zusammenlegung der Pflegeversicherung. Das zweizügige System in Deutschland sei ein ineffizienter Sonderweg.
- Die private Pflegeversicherung ist finanziell besser aufgestellt. Durch eine Zusammenlegung könnten die Beitragssätze längerfristig gesenkt werden.
- Eine tatsächliche Zusammenlegung dürfte jedoch an politischen Widerständen und juristischen Bedenken scheitern.
Bei Joachim Rock rennt Verena Bentele mit ihrer Forderung offene Türen ein. Pflegebedürftigkeit sei ein allgemeines Lebensrisiko, sagt der Hauptgeschäftsführer der Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Und das müsse auch allgemein abgesichert werden: "Diese Doppelzügigkeit aus privater und gesetzlicher Pflegeversicherung führt zu einer Unwucht im System. Das können wir uns nicht leisten."
Doppelzügigkeit in der Pflegeversicherung ist deutscher Sonderweg
Man könne niemandem erklären, so Rock, dass ausgerechnet diejenigen, die im Durchschnitt am gesündesten seien und die das stärkste Einkommen hätten, sich aus einer solidarischen Finanzierung hinausziehen könnten: "Das finden Sie auch im internationalen Vergleich nicht nur zufällig recht selten. Das ist ein deutscher Sonderweg und wir tun gut daran, ihn zu beenden."
Privatversicherte sind gesünder: Lasten ungleich verteilt
Ein Sonderweg, der an das Modell der Krankenversicherung angelehnt ist. In der Regel ist es so, dass Privatversicherte auch in die private Pflegeversicherung einzahlen. Und das führt auch für Heinz Rothgang zu einem Gerechtigkeitsproblem. Rothgang ist Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Bremen.
Er bemängelt, dass die Lasten ungleich verteilt sind: "In der Privatversicherung haben wir eine günstigere Altersstruktur. Da fehlen die Hochaltrigen weitgehend. In der Privatversicherung haben wir eine andere Geschlechterstruktur. Die ist männlich dominiert und Männer machen niedrigere Pflegekosten als Frauen. Und wir haben die gesünderen, denn in der privaten Pflegeversicherung sind nur die privat Krankenversicherten und bei Eintritt in die private Krankenversicherung machen sie eine Risikoprüfung. Nur die Gesunden wechseln in die private Krankenversicherung."
Zusammenlegung würde Beitragssätze dauerhaft senken
Am Ende seien die Pflegehäufigkeiten in der privaten Pflegeversicherung in jeder Altersklasse deutlich niedriger als in der gesetzlichen, so Rothgang. Und dann ist die private Pflegeversicherung kapitalgedeckt. Es wird also tatsächlich Geld angespart und nicht wie in der gesetzlichen Variante die Beiträge eines Jahres auf die anfallenden Kosten umgelegt. 2022 hatten die privaten Kassen so Rücklagen von fast 50 Milliarden Euro angehäuft.
Gesundheitsökonom Rothgang sähe es gerne, wenn künftig alle in eine Pflegekasse einzahlen würden. Seinen Berechnungen zufolge würde der Beitragssatz dauerhaft sinken.
Politische Widerstände und juristische Bedenken
Für realistisch halte er die Zusammenlegung aber nicht, weil die politischen Widerstände groß seien: "Deshalb halte ich so den Gedanken einer Zusammenlegung der Versicherung für einigermaßen utopisch."
Fachkollege Christian Hagist hat darüber hinaus juristische Bedenken. Er hat den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der WHU School of Management inne und sagt: "Eine Integration der Privaten in die soziale Pflegeversicherung wäre rechtlich äußerst schwierig. Denn zum einen folgt die Pflegeversicherung den Strukturen der Krankenversicherung. Und zum anderen sind die gebildeten Rückstellungen in der privaten Pflegeversicherung Eigentum der Versicherten. Und die kann man dann nicht so einfach kollektivieren."
Forderung: Mehr Kapitaldeckung in der gesetzlichen Pflegeversicherung
Hagist schlägt dagegen vor, auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung mehr auf Kapitaldeckung zu setzen. Schon jetzt gebe es dort den Pflegevorsorgefonds. Dessen Anlagekriterien müssten dringend überarbeitet werden, fordert Hagist. Es müsse mehr Geld in Aktien angelegt werden und man müsse vielmehr ins Risiko gehen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke