• Die erste Evaluation zur Cannabis-Legalisierung zeigt bisher nur geringe Auswirkungen auf Schwarzmärkte.
  • Der Cannabis-Konsum hat sich kaum verändert, nur der Konsum ganz junger Leute geht weiter leicht zurück.
  • Der bisherigen Forschung zum Thema zum Trotz: Die Union fordert eine grundsätzliche Überprüfung des Cannabisgesetzes.

Nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis am 1. April 2024 zeigt eine erste wissenschaftliche Auswertung vorerst nur begrenzte Auswirkungen auf den Konsum und den Schwarzmarkt in Deutschland. Das geht aus dem ersten Evaluationsbericht von Forschern der Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Düsseldorf sowie des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen hervor  – im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums.

Demnach tragen die aktuell erlaubten Anbauvereinigungen bisher nur marginal zur Verdrängung des Schwarzmarkts bei. "Für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarkts leisten sie bislang keinen relevanten Beitrag", heißt es in der Auswertung.

Die Produktion dieser Vereinen und ihre Cannabis-Abgabe an Mitglieder mache aktuell schätzungsweise weniger als 0,1 Prozent des Gesamtbedarfs aus, heißt es im Zwischenbericht. Zwölf bis 14 Prozent decke medizinisches Cannabis, wobei die Anteile privaten Eigenanbaus und des Schwarzmarkts noch gar nicht genauer quantifiziert werden könnten. Eine zentrale Rolle spielt demnach weiter die illegale Weitergabe im sozialen Umfeld.

Die Gründe dafür liegen für Finn Hänsel, Gründer des Berliner Cannabis-Unternehmens Sanity Group, auf der Hand: Eigenanbau und Vereine reichten nicht, um mit Cannabis aus legaler Herkunft den Schwarzmarkt tatsächlich einzudämmen. Für Hänsel wäre das ein Grund, "wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte für Erprobungen spezialisierter Fachgeschäfte" zu genehmigen. Doch, wie die Sanity Group mitteilte, wurde das jetzt abgelehnt.

Konsum insgesamt kaum verändert

Insgesamt habe sich der Cannabis-Konsum kaum verändert, heißt es im Bericht: Auch 2024 konsumierten schätzungsweise 5,3 Millionen Menschen die Droge mehr oder weniger häufig. Ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr sei nicht festzustellen. Allerdings kauften tatsächlich nur wenige Cananbis bei Dealern, die Mehrheit bekomme es über Bekannte oder Freunde.

Unter Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren setzte sich der leichte Rückgang des Konsums fort, berichtete der Düsseldorfer Suchtforscher Daniel Kotz. Ein kleiner Teil von ihnen zeige ein riskantes Konsumverhalten. Doch belastbare Aussagen über Folgen der teilweisen Legalisierung von Cannabis für Erwachsene auf Jugendliche seien derzeit noch nicht möglich.

"Quantitativ bedeutsamste Entkriminalisierung"

Die Zahl der in der Kriminalstatistik erfassten Cannabis-Delikte sank laut Evaluierung von 215.000 auf etwas über 100.000, was Kriminologe Jörg Kinzig als "quantitativ bedeutsamste Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik" wertete. Ihre Ursache dürfte unmittelbar in der teilweisen Entkriminalisierung des Umgangs mit Cannabis für Erwachsene liegen.

Das Forschungsteam sieht nach eigener Aussage keinen dringenden Handlungsbedarf zur Änderung des Cannabisgesetzes. Die Wissenschaftler regten jedoch an, die Bedingungen für Anbauvereine zu vereinfachen. Und möglicherweise seien auch die zulässigen Besitzmengen etwas zu hoch.

Union will handeln  – SPD hält sich bedeckt

Den Aussagen der Forscher zum Trotz konstatiert nun jedoch die Union dringenden Handlungsbedarf. CDU und CSU hatten das Cannabisgesetz der Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP auch zuvor schon abgelehnt.

Noch vor der Präsentation der ersten Evaluierung hatte etwa Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt erklärt, dass er deren Ergebnisse gar nicht brauche, um seine Position zu begründen: Das Cannabisgesetz "funktioniert nicht", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Es sei "von hinten bis vorne der absolut falsche Weg für Deutschland".

Und der Landesgruppenchef der bayerischen CSU im Bundestag, Alexander Hoffmann, sagte: "Die Suchtproblematik gerade bei jungen Menschen nimmt weiter zu", obwohl der Bericht das nicht nahe legt. Gleichwohl sagte er der Zeitung "Augsburger Allgemeine", er hoffe, "dass es mit der SPD möglich sein wird, die schwersten Fehler dieses grundfalschen Gesetzes zu korrigieren".

Der Bundesdrogenbeauftragte Hendrik StreeckBildrechte: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Auch der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, der CDU-Politiker Hendrik Streeck (CDU), forderte da jetzt Verschärfungen. "Dass die Zwischenevaluation kein eindeutiges Bild ergibt, war zu erwarten", räumte er zwar durchaus ein. Doch Sorgen mache ihm, "dass gerade beim Jugendschutz schon jetzt Fehlentwicklungen sichtbar werden", sagte der Virologe der "Rheinischen Post".

So sei die Zahl der Frühinterventionen zurückgegangen, sagte Streeck: "Wenn Jugendliche konsumieren – und wir wissen, wie schädlich das für sie ist – bekommen sie seltener Hilfe, weil ihre Fälle nicht mehr beim Jugendgericht landen." Auch seien "der Anteil von Importen und der Schwarzmarkt für Medizinalcannabis" größer geworden – "Entwicklungen, die zeigen, dass das Gesetz seine Ziele bislang verfehlt".

Konkret geplant war bei der Union vorerst, mutmaßlichen Missbrauch von medizinischem Cannabis zu bekämpfen. Doch ob und wann ein bereits seit dem Sommer kursierender Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium in das Kabinett und in den Bundetsag soll, ist jedoch nach wie vor offen.

Die SPD hält sich bedeckt. Auf Anfragen von MDR AKTUELL nach einer Stellungnahme zu den Evaluationsergebnissen und dem weiteren politischen Umgang damit, gab es Ende September zunächst nur Absagen.

Weitere Evaluierungsberichte folgen

In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD weitgehend offen gelassen, wie sie mit Cannabis weiter umgehen wollen. Dort heißt es lediglich, dass es eine Evaluierung des Gesetzes geben solle, die aber bereits mit dem Konsum-Cannabisgesetz der Ampel-Regierung beauftragt worden war. Demnach soll es bis 1. April 2026 einen zweiten Zwischenbericht geben, vor allem zu den Auswirkungen auf organisierte Kriminalität. Eine umfassende und dann auch abschließende Evaluation soll spätestens am 1. April 2028 vorliegen.

AFP/epd/dpa, MDR (ksc,jst)

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