Angespülte tote Plattfische und Dorsche: Die Ostsee ringt nach Sauerstoff
An den Stränden östlich und westlich von Rostock lagen am Wochenende Tausende tote Fische – vor allem Plattfische wie Flundern und Schollen, aber auch Dorsche. Behörden untersagten den Fischfang und warnten Badegäste vor dem Wasser. Taucher berichteten, dass nicht nur die angespülten Tiere betroffen sind: Auch der Meeresboden sei stellenweise mit Kadavern bedeckt.
Messungen durch Forscher verschiedener Institute ergaben ein klares Bild: Ursache ist ein sogenanntes Upwelling. Mehrtägiger Südostwind hatte oberflächennahe Wasserschichten von der Küste weggedrückt. Das entstandene Vakuum wurde durch Wasser aus tieferen Schichten ersetzt – und dieses war stark sauerstoffarm. "Die Fische werden darin gefangen und ersticken", erklärte Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei gegenüber MDR AKTUELL. Besonders betroffen sind Arten, die sich wenig bewegen und am Boden leben. Dass plötzlich so viele Tiere an die Oberfläche gedrängt werden, ist selten, doch in den vergangenen Jahren traten solche Situationen vermehrt auf.
Warum am Boden der Ostsee der Sauerstoff fehlt
Hinter der Entwicklung stehen jahrzehntelange Stickstoff- und Phosphateinträge. Etwa zwei Drittel stammen ostseeweit aus der Landwirtschaft. In Deutschland selbst spielt aber die Luftverschmutzung eine noch größere Rolle: Stickoxide aus Verbrennungsprozessen gelangen über Regen in die Ostsee. Diese Nährstoffe wirken wie Dünger, treiben das Algenwachstum an – und am Ende steigt die Sauerstoffzehrung am Meeresboden.
Forscher sprechen von einem "Erbe-Effekt": Selbst wenn heute alle Düngereinträge gestoppt würden, bleibt die Überlastung lange im System. Dazu kommt der Klimawandel: Wärmeres Wasser kann weniger Sauerstoff binden, gleichzeitig verlängert sich die Zeit, in der das Tiefenwasser ab Juli praktisch unbewohnbar ist.
Beim Dorsch sind wir inzwischen ziemlich hoffnungslos, dass er sich in den nächsten 20 Jahren wirklich erholen könnte.
Für das Ökosystem sind solche Ereignisse gravierend. Über Monate können weite Bereiche des Meeresbodens nicht genutzt werden. Fische finden dort weder Lebensraum noch Nahrung. Vor allem Plattfische und Dorsche sind betroffen – Arten, die ohnehin schon stark geschwächt sind. Die westliche Ostsee, also der Bereich vor der deutschen Küste, gilt als besonders kritisch. Die gezielte Fischerei auf Dorsche ist inzwischen komplett verboten. Bei Heringen sind nur noch drei Prozent der Fangmengen von 2017 erlaubt. Christopher Zimmermann ist pessimistisch: "Beim Dorsch sind wir inzwischen ziemlich hoffnungslos, dass er sich in den nächsten 20 Jahren wirklich erholen könnte."
Die toten Fische an der Oberfläche zeigen nur die Spitze eines weit tiefer liegenden Problems, sagt Zimmermann: Die Ostsee verliert durch Sauerstoffmangel seit Jahren Lebensräume, Arten und Balance. Auch wenn die Gefahr für Badegäste oder den Fischkonsum gering ist – für das Ökosystem sind solche Ereignisse ein Alarmzeichen. Spätestens im November werden zwar Herbststürme das Wasser wieder durchmischen und Sauerstoff von der Oberfläche bis zum Grund transportieren. Doch im nächsten Sommer beginnt der oft tödliche Kreislauf von Neuem.
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