Eine gemeinsame Studie des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) und der Bertelsmann Stiftung zeigt: Bis 2040 verschiebt sich die Balance zwischen Angebot und Bedarf in der hausärztlichen Versorgung spürbar. Die Modellrechnung ergibt, dass die Hausärzte im Jahr 2040 insgesamt nur noch 87 Prozent des Bedarfs abdecken können. 2024 waren es noch 101 Prozent.

Im Basisszenario sinkt die verfügbare Behandlungszeit vor allem durch Ruhestand, Arbeitszeitwünsche und Anstellungswechsel. Ursache ist also weniger ein Mangel an Köpfen als die sinkende Versorgungszeit pro Arzt. Schon jetzt wünschen sich viele Hausärzte kürzere Arbeitswochen oder planen einen früheren Ruhestand. Im Durchschnitt bedeutet das bis 2040 rund drei Stunden weniger Sprechstunde pro Woche und Arzt. Parallel steigt aber der Bedarf in der Bevölkerung aus demografischen Gründen um etwa drei Prozent.

Verschiedene Zukunftsbilder: Was Szenarien zeigen

Die Forscher haben neben dem Basisszenario auch verschiedene Alternativszenarien berechnet.

  • Sinkt die Versorgungszeit noch stärker, verschärft sich der Mangel; bleibt sie aber konstant, ließen sich über 6.000 Vollzeitstellen mehr erhalten
  • Ein späterer Renteneintritt um drei Jahre brächte fast 4.000 zusätzliche Vollzeitäquivalente.
  • Je nachdem, ob 12 oder 15 Prozent der Medizinstudierenden den Hausarztberuf wählen, schwankt der jährliche Nachwuchs erheblich.
  • Migration wirkt stark: Ohne sie verschärft sich der Mangel, mit jährlich 500 zusätzlichen Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland bliebe die Versorgung fast stabil.
  • Auch der Anteil angestellter Ärzte wirkt sich aus: Sie arbeiten meist weniger Stunden und gehen früher in Rente, was das Angebot senkt.

So schwankt die bundesweite Versorgungsrelation je nach Annahme deutlich: von unter 85 Prozent in pessimistischen Varianten bis hin zu 95 Prozent im günstigsten Szenario. Schon kleine Veränderungen bei Nachwuchs, Migration oder Ruhestand haben also eine große Wirkung. In kombinierten Best-Case-Varianten der Studie liegt das mögliche Maximum sogar etwas über 100 Prozent.

Regionale Muster: Wo die Lücken entstehen

Die Entwicklung trifft Regionen sehr unterschiedlich. Ostdeutschland hat einen Großteil des demografischen Umbruchs bereits hinter sich, dort zeichnet sich teils eine Stabilisierung ab. In Westdeutschland drohen dagegen deutliche Engpässe, vor allem in ländlichen Räumen und Kleinstädten. Großstädte halten ihr Niveau vergleichsweise gut.

Unterversorgung, definiert als Versorgungsrelation unter 75 %, könnte 2040 in einzelnen Regionen Realität werden. Besonders betroffen wären dünn besiedelte Räume in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg oder Brandenburg. Die größte Zahl potenziell Betroffener lebt in Kleinstädten mit bis zu 25.000 Einwohnern.

Eine Karte mit deutlich genauerer geografischer Auflösung (nach sogenannten Mittelbereichen, also einer Mittel- oder Oberstadt und ihrem Umland) finden Sie hier auf den Seiten des bifg.

Steuerung und Reform: Kleine Hebel, große Wirkung

Die Studie stellt fest: Schon kleine Eingriffe könnten große Wirkung entfalten. Wenn drei Prozent der Nachwuchsärzte gezielt in unterversorgte Regionen gelenkt würden, ließen sich Verhältnisse unter 75 Prozent vollständig vermeiden. Zehn Prozent Steuerung würden reichen, um bundesweit überall ein vergleichbares Versorgungsniveau herzustellen.

"Es herrscht Handlungsbedarf", sagt Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. "Eine begrenzte, zielgerichtete Tätigkeit eines Teils der künftigen Medizinerinnen und Medizinern in bestimmten Regionen würde dazu beitragen, eine Unterversorgung effektiv zu verhindern.“

Zusammen mit einer deutlich konsequenteren Übertragung ausgewählter Aufgaben auf nichtärztliche Assistenzberufe bestehe die Chance, Versorgung effizient und nah am Patienten zu gestalten. Außerdem gehe es um den Aufbau von Gesundheitszentren mit mehreren Fachrichtungen, bessere Praxis-IT und weniger Bürokratie. Alles zusammen könnte Zeit freisetzen, die direkt den Patientinnen und Patienten zugutekommt.

Links / Studien

  • D. Wende et al. (2025): "Projektion der hausärztlichen Versorgung bis 2040", BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg)
  • bifg-Versorgungskompass "Ambulante Versorgung in Deutschland" (mit interaktiven Grafiken)

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