Vogelgrippe breitet sich aus – was jetzt wichtig ist
Mit dem Herbst und den Zugvögeln kehrt auch die Vogelgrippe zurück – und trifft in diesem Jahr besonders viele Kraniche. Am Stausee Kelbra wurden zahlreiche tote Tiere gefunden, das Virus H5N1 ist nachgewiesen. Prof. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut, erklärt im Interview, wie sich das Virus verbreitet, warum Zugvögel eine zentrale Rolle spielen und welche Maßnahmen jetzt entscheidend sind, um Hausgeflügel zu schützen.
Herr Beer, wo könnten sich die Kraniche, die am Stausee Kelbra gestorben sind, angesteckt haben?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Die wahrscheinlichste ist Kontakt zu anderen Wildvögeln – etwa Wildenten oder Wildgänsen – die das Virus in sich tragen und ausscheiden, aber selbst unter Umständen gar nicht schwer krank werden oder nicht versterben. Und die dann die Kraniche infizieren. Die sind hochempfänglich, die sitzen eng beieinander. So entstehen diese Geschehen mit mehreren Todesfällen. Es könnte aber auch sein, dass ein Kranich aus einem anderen Geschehen, bevor er schwer krank wird, sich dieser Gruppe angeschlossen hat und dann das Virus weitergibt.
Das klingt aber danach, als könnte man jetzt nicht unbedingt lokal eingrenzen, wo das entstanden ist?
Wir können es nicht lokal eingrenzen. Es ist so, dass an mehreren Stellen in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg und in Kelbra am Stausee im Moment Todesfälle von Kranichen beobachtet werden, die auf H5N1 zurückzuführen sind. Aber auch im Geflügelbereich ist eine Zunahme der Fälle zu beobachten. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass mit dem Vogelzug tatsächlich das Influenzageschehen, – das Vogelgrippegeschehen – deutlich ansteigt und die Kraniche ein Opfer dieser Verbreitung von H5N1 jetzt in der Saison sind.
Vogelgrippe ist ein jährlich wiederkehrendes Phänomen. Tritt die Krankheit in diesem Jahr häufiger auf als in vorherigen Jahren?
Was sich geändert hat, ist, dass das Virus über das ganze Jahr da war. Es hat aber tatsächlich diesen Sommer sehr wenig Geflügelpest-Ausbrüche gegeben – darunter weniger als eine Handvoll Wildvogel-Fälle. Jetzt mit dem Vogelzug sehen wir seit Mitte September einen Anstieg. Wir erleben also die saisonalen Wellen, die jetzt wiederkommen. Und das ist auch die Ursache für das aktuelle Geschehen.
Wie beeinflussen die Flugrouten der Zugvögel die Ausbreitung der Krankheit – kann man vorhersehen, wo es die nächsten Ausbrüche gibt?
Das ist tatsächlich sehr schwer vorherzusehen. Weil bei den Kranichen ist es fraglich, ob die das wirklich selbst über größere Strecken weitertragen. Das sind eher die Wildgänse und die Wildenten. Da muss wieder der Kontakt bestehen für eine Übertragung. Deswegen ist das auch schwer vorhersehbar und tritt immer wieder an unterschiedlichen Orten auf. Das einzige, was wir wissen, ist in ganz Europa nehmen die Wildvogel-Fälle wieder etwas zu.
Ist der Höhepunkt der Vogelgrippe-Saison in diesem Jahr schon erreicht?
Wahrscheinlich nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass das tatsächlich noch weiter ansteigt Das hängt aber davon ab, wie sich dieses Virus jetzt weiter ausbreitet und ob solche Geschehen wie bei den Kranichen zu noch mehr Fällen führen.
Welche Rolle spielt Massentierhaltung bei der Verbreitung von Vogelgrippe-Viren?
Also bei uns eine ganz untergeordnete Rolle. Das Hausgeflügel ist tatsächlich ein Opfer der Verbreitung des Virus durch die Wildvögeln. Man versucht natürlich, durch erhöhte Biosicherheitsmaßnahmen den Eintrag so gering wie möglich zu halten. Und man muss dann auch, wenn Tiere krank werden und Betriebe betroffen sind, sofort reagieren. Und wenn die Tiere dann diese Betriebe dann geräumt werden, dann ist das Virus auch weg. Diese Tiere haben deswegen kaum Einfluss auf das Geschehen. Das ist in anderen Ländern zum Teil anders – etwa in Asien beispielsweise oder Afrika. Dort tritt ein Phänomen auf, was Pingpong-System nennen. Sprich, dass das Virus dann von Hausgeflügel wieder auf die Wildvögel zurück geht. Das ist bei uns aber kein entscheidender Faktor, einfach aufgrund der sehr guten und sehr stringenten Maßnahmen.
Nun wurden in den betroffenen Landkreisen Mansfeld-Südharz und auch im Kyffhäuserkreis in Thüringen schon Stallpflicht und weiterführende Regelungen eingeführt. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Das ist sinnvoll. Das Risiko für Geflügelhaltungen ist aufgrund der momentanen Situation als hoch anzusehen. Und damit sind alle Maßnahmen wie erhöhte Biosicherheit bis hin zur Aufstallung ganz wichtig, genau wie so früh wie möglich zu testen. Das sind entscheidende Maßnahmen. Und die haben in den letzten Jahren auch dazu geführt, dass Deutschland immer noch glimpflich durch solche Wellen gekommen ist.
Es gibt auch Impfungen gegen die Vogelgrippe. Aber sind diese Impfungen tatsächlich sinnvoll?
Es gibt diese Impfungen. Die EU lässt sie mittlerweile auch zu, und beispielsweise Frankreich hat die Impfung bei den Enten jetzt auch seit einigen Jahren angewandt. Mit Erfolg. Man muss das aber genau betrachten, denn es führt zu erheblichen Einschränkungen beim Export. Wirtschaftliche Schäden sind zu erwarten. Bei wenigen Fällen ergibt die Impfung noch keinen Sinn, wegen des enormen Aufwands. Wenn ein Geschehen aber stark ansteigt oder außer Kontrolle gerät – wie das in Frankreich der Fall war – dann ist die Impfung auf jeden Fall eine Option, die man in Betracht ziehen muss. Und es gibt zugelassene Impfstoffe.
Die Enten- und Gänsebratensaison steht unmittelbar bevor. Welche Auswirkungen hätte ein großflächiger Ausbruch auf das Weihnachtsgeschäft und die Verfügbarkeit von Geflügelfleisch am Jahresende – müssen sich die Menschen um ihren Weihnachtsbraten sorgen?
Im Moment nicht. Im Moment sehen wir zwar mehr Fälle, aber wir sehen eben keine sekundären Ausbrüche. Das bedeutet, dass ein Betrieb den Nächsten infiziert, und wir plötzlich ganz viele Betriebe haben, so wie es in Frankreich war. Das sehen wir in Deutschland nicht, auch deshalb, weil die Maßnahmen gut aufrechterhalten werden. Deswegen hoffe ich, dass es immer nur bei Einzelfällen bleibt. Und dann hat das auch keine Auswirkungen auf den Weihnachtsbraten oder auf die generelle Versorgung.
MDR (Oliver Leiste)
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