Prozess zum Anschlag in Magdeburg: Warum der MDR das Gesicht von Taleb A. nicht zeigt
Inhalt des Artikels:
- Warum zeigt der MDR nicht das Gesicht von Taleb A.?
- Die Vertreter der Nebenklage werden ebenfalls unkenntlich gemacht – warum?
- Warum wird der Name des Angeklagten in der Berichterstattung nicht voll ausgeschrieben?
- Warum bezeichnet der MDR Taleb A. als Täter, obwohl es noch gar kein Urteil gibt?
Warum zeigt der MDR nicht das Gesicht von Taleb A.?
Im Fall des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt gibt es ein sehr großes öffentliches Interesse an Tat und Täter. Der Pressekodex – in dem ethische Standards für Journalismus definiert sind – erlaubt es in bestimmten Fällen, Verdächtige oder Täter/Täterinnen mit Namen und Fotos identifizierbar zu machen. Das ist dann der Fall, wenn das Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt (Richtlinie 8.1). Dies ist bei dem Attentat gegeben.
Juristisch ist es vertretbar, das Gesicht von Taleb A. zu zeigen, da man ihn durch seine Tat als Person der Zeitgeschichte einstufen kann. Doch auch wenn andere Medien Taleb A. klar erkennbar zeigen, haben wir uns als MDR für eine Verpixelung entschieden. Es ist eine moralische Entscheidung: Der Attentäter hat in der Vergangenheit ein starkes Bedürfnis nach öffentlicher Aufmerksamkeit gezeigt. Wir möchten ihm keine Bühne für Selbstdarstellung bieten und wollen in unserer Berichterstattung den Täter nicht mehr als nötig in den Fokus rücken. Deswegen geben wir auch nicht alle Worte, die Taleb A. während des Prozesses von sich gibt, ungefiltert wieder.
Hinzu kommt, dass die Darstellung von Taleb A. in Wort und Bild verstörend wirken kann – insbesondere für Opfer und Hinterbliebene. Deswegen wägen wir in der Berichterstattung sorgsam ab, wie wir mit den Äußerungen umgehen.
Darüber hinaus spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle: Eine unverpixelte Darstellung könnte auch Nachahmungstendenzen fördern. In der Wissenschaft spricht man vom Copycat-Effekt. Ihm können Medien entgegenwirken, indem sie zurückhaltend über Gewalttaten berichten.
Die Vertreter der Nebenklage werden ebenfalls unkenntlich gemacht – warum?
Wir machen in Berichten über den Magdeburg-Prozess Nebenkläger und Zeugen in Foto- und Filmaufnahmen unkenntlich – es sei denn, sie suchen selbst mediale Aufmerksamkeit. Das Kunsturhebergesetz sieht generell vor, dass Bilder nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden dürfen. Ausnahmen gibt es, wenn es sich um Versammlungen, Aufzüge oder ähnliches handelt. Dies gilt aber nur, wenn Menschen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenkommen. Beim Prozess gegen den Attentäter von Magdeburg verfolgt jeder Nebenkläger dagegen einen eigenen Zweck: nämlich sein Anliegen rechtlich durchzusetzen. Als Nebenkläger werden die Menschen bezeichnet, die sich als Betroffene der Anklage der Staatsanwaltschaft anschließen.
Warum wird der Name des Angeklagten in der Berichterstattung nicht voll ausgeschrieben?
Zu diesem Schritt haben wir uns ebenfalls entschieden, um dem Geltungsdrang von Taleb A. nicht nachzukommen. Diese Linie hatten wir auch bei der Berichterstattung zum Attentat auf die Synagoge in Halle verfolgt. Darüber hinaus gilt hier eine ähnliche Einschätzung wie zur Frage des Verpixelns.
Warum bezeichnet der MDR Taleb A. als Täter, obwohl es noch gar kein Urteil gibt?
In der Regel spricht man in der Berichterstattung über Gewalttaten und Verbrechen so lange von einem "mutmaßlichen Täter"/einer "mutmaßlichen Täterin" oder einem/einer "Tatverdächtigen", bis es ein Urteil gibt. Denn: Wer wegen einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis der Schuld als unschuldig.
Eine Ausnahme machen wir dann, wenn die Täterschaft gut belegt ist. Dieses Vorgehen sieht auch der Pressekodex vor (Richtlinie 13.1). Danach darf die Presse eine Person als Täter oder Täterin bezeichnen, wenn die Tat in der Öffentlichtkeit begangen wurde.
Genau dies ist beim Magdeburger Anschlag der Fall. Taleb A. wurde am 20. Dezember 2024 festgenommen, nachdem er aus dem Tatfahrzeug ausgestiegen war. Deshalb hatten wir uns bereits wenige Tage nach der Tat entschlossen, Taleb A. klar als Täter zu bezeichnen und auf den Zusatz "mutmaßlich" zu verzichten.
Am ersten Prozesstag am 10. November 2025 hat Taleb A. zudem zugegeben, den Wagen gefahren zu haben. "Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat", sagte er vor dem Landgericht Magdeburg.
MDR
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