Glücklichmacher Kaffee kann Behandlung von Depressionen sabotieren
Die Verabreichung des Anästhetikums Ketamin und die sogenannte Elektrokrampftherapie (EKT), bei der kurze Stromimpulse unter Vollnarkose einen kontrollierten Krampfanfall im Gehirn auslösen, gelten seit Jahrzehnten als schnell wirkende Behandlungsmethoden bei Depressionen.
In einer kürzlich erschienen Nature-Studie deckten chinesische Wissenschaftler erstmals den biochemischen Mechanismus dahinter auf. Das Forscherteam um Min-Min Luo vom Peking Institut für Hirnforschung zeigte auf, dass sowohl Ketamin als auch EKT in stimmungsregulierenden Gehirnschaltkreisen den Anstieg des Nukleosids Adenosin auslösen. Adenosin blockiert unter anderem die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und wirkt schlaffördernd. Die chinesischen Forscher stellten auch fest, dass die therapeutischen Effekte verschwanden, sobald die Adenosin-Rezeptoren blockiert wurden.
"Glücklichmacher" Koffein blockiert Adenosin
Doch Adenosin-Rezeptoren sind auch das primäre Ziel von Koffein, der weltweit am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanz. Das seit Tausenden Jahren in zahlreichen Kulturen in Form von Kaffee, Tee oder anderen stimulierenden Genussmitteln konsumierte Koffein gilt selbst als "Glücklichmacher". Erst im Oktober dieses Jahres hatte eine internationale Studie unter Beteiligung von Forschenden der Universität Bielefeld die stimmungsaufhellende Wirkung von Koffein nachgewiesen. Demnach wird ausgerechnet durch die Blockade der Adenosin-Rezeptoren die Aktivität des Glückshormons Dopamin in wichtigen Hirnregionen erhöht, was zu einer verbesserten Stimmung und gesteigerter Wachsamkeit beitrage. Koffein-Konsumenten fühlen sich demnach wacher und energiegeladener.
US-Psychiater warnen vor "Kaffee-Parodoxon"
Während laut der Studie von Luo und Kollegen die antidepressive Wirkung von Ketamin und EKT gerade auf den Anstieg von Adenosin im Gehirn zurückzuführen ist, beruht die stimmungsaufhellende Wirkung des "Glücklichmachers" Koffein genau auf dem Gegenteil davon – nämlich auf der Blockade von Adenosin. Die Psychiater Julio Licinio und Ma-Li Wong von der State University New York in den USA haben nun in einem Kommentar zu der chinesischen Studie auf dieses "Kaffee-Paradoxon" hingewiesen. Nach den Worten Licinios treffe hier "klinische Praxis auf mechanistische Erkenntnis". Der Psychiatrie-Professor warnt: "Koffein blockiert die gleichen Adenosin-Rezeptoren, von denen Luos Team zeigte, dass sie für die Wirkung von Ketamin und EKT unerlässlich sind. Wir haben es möglicherweise mit einer größeren Behandlungsstörung zu tun, die niemand systematisch verfolgt hat."
Kaffee kann Depressionsbehandlung stören
Licinio und Wong weisen in dem Zusammenhang daraufhin, dass "chronischer Kaffeekonsum" zwar in der breiten Bevölkerung als Schutz gegen Depressionen wirke, jedoch den angestrebten phasischen Adenosin-Anstieg bei einer Ketamin- oder EKT-Akutbehandlung gegen Depressionen beeinträchtigen könne. "Patienten erscheinen routinemäßig zu Ketamininfusionen oder EKT, nachdem sie ihren Morgenkaffee konsumiert haben", erklärt Co-Kommentatorin Wong. "Basierend auf Luos mechanistischen Daten müssen wir uns fragen, ob das ihre Behandlung sabotiert." Sie und Licinio fordern deshalb konzipierte Studien, um beispielsweise zu untersuchen, ob regelmäßige Kaffeetrinker veränderte Reaktionen auf Ketamin und EKT zeigen oder ob die Auswaschung von Koffein vor einer Behandlung die Ergebnisse der Therapie beeinflussen können.
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(dn)
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