Inhalt des Artikels:

  • Bericht: Verdacht hat sich nicht erhärtet
  • AfD und Linke wollen Einblick in Bericht
  • Maiers Befreiungsschlag?
  • Ministerium muss Verfahren zustimmen
  • Juristische Verantwortung
  • Dienstweg nicht eingehalten?
  • Suspendierung bei Beamten aufgehoben

Der Fall hatte für Wirbel in der Thüringer Polizei und der Landespolitik gesorgt. Ende April dieses Jahres veröffentlichte MDR Investigativ eine Recherche über eine brisante Ermittlung gegen einen Polizeibeamten aus der Kripo Saalfeld.

Dieser stand im Verdacht, Informationen aus Polizeiakten an Kriminelle weitergegeben zu haben. Die Informationen, die die Internen Ermittler dazu erreichten, stammten von einem bezahlten Spitzel der Polizei aus der Drogenszene. Trotz der dubiosen Quelle wurde ein komplexes Verfahren gegen den Beamten losgetreten, das offenbar seit Sommer 2023 läuft.

Bericht: Verdacht hat sich nicht erhärtet

Bis heute scheint sich der Verdacht gegen den Beamten aber nicht erhärtet zu haben. Das geht nach Informationen von MDR Investigativ und FUNKE Medien aus einem internen Bericht des Thüringer Innenministeriums hervor, den der Chef des Hauses, Georg Maier (SPD), im Sommer in Auftrag gegeben hatte.

Ein Prüfer sollte das Vorgehen und die Ermittlungsmethoden der internen Ermittler überprüfen. Zu den Fällen, die er untersuchte, gehörte auch der aus Saalfeld. In dem als vertraulich eingestuften Papier kommt der Prüfer zu dem Schluss, dass offenbar an den ganzen Vorwürfen nichts dran sei.

AfD und Linke wollen Einblick in Bericht

Dieser Bericht sorgt seit Wochen für einen Streit zwischen dem Thüringer Innenministerium und den Oppositionsfraktionen von LINKE und AfD im Innenausschuss. Denn die würden diesen gerne selbst lesen, weil sie sich einen Überblick verschaffen wollen, was der Prüfer alles über die Arbeit der internen Ermittler ausgegraben hat.

Aus diesem Grund haben sie jeweils eigene Anträge auf Offenlegung des Berichts für die an diesem Donnerstag stattfindende Sitzung des Innenausschusses gestellt. Ob der Innenminister im Ausschuss Informationen aus dem Bericht offenlegen wird, ist unklar.

Klar dagegen ist, dass die Diensteinheit der internen Ermittler versetzt wird. Das geht aus einer vertraulichen Kabinettsbefassung der Thüringer Landesregierung hervor, die MDR Investigativ und FUNKE Medien vorliegt.

Demnach wird die komplette Einheit der internen Ermittler aus der Landespolizeidirektion in das Landeskriminalamt verlegt. Sie soll dort im Dezernat 63 Wirtschaftskriminalität als eigene Arbeitsgruppe "Amtsdelikte" angesiedelt werden.

Die Fachaufsicht über die internen Ermittler, die bisher im Innenministerium saß, wandert ebenfalls mit. Und der bisherige Leiter der Einheit soll im LKA eine neue Aufgabe erhalten.

Maiers Befreiungsschlag?

Was wie ein formaler Verwaltungsakt klingt, dürfte der Versuch eines internen Befreiungsschlags für Innenminister Maier sein. Denn seit den Razzien der internen Ermittler in den Räumen der Thüringer Polizeigewerkschaft GdP Ende März dieses Jahres steht der Minister unter Druck.

Immer wieder muss sich Maier im Innenausschuss und im Landtag erklären. Es geht um eingetretene Türen bei Polizeipersonalräten, Datenschutzvorwürfe bei der Beschlagnahme von sensiblen Gewerkschaftsdaten oder den Verdacht von konstruierten Ermittlungsverfahren gegen die eigenen Kolleginnen und Kollegen.

Dabei betonte Maier immer wieder, dass die juristische Verantwortung bei der Staatsanwaltschaft liegt. Was im formalen Sinn auch richtig ist, aber in einem entscheidenden Detail auch das Innenministerium betrifft.

Seit Monaten steht Thüringens Innenminister Georg Maier wegen der Polizeiaffäre in der Kritik.Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Ministerium muss Verfahren zustimmen

Denn steht ein Polizist im Verdacht, ein Dienstgeheimnis verraten zu haben, kann gegen ihn nicht ermittelt werden ohne Zustimmung des Innenministeriums. Dabei kommt das juristische Wortungetüm einer sogenannten Verfolgungsermächtigung ins Spiel.

Ohne sie gibt es kein Ermittlungsverfahren, und ohne ein Ermittlungsverfahren gibt es keine eingetretenen Türen, keine Festnahmen und am Ende keine mögliche Anklage. Das bedeutet: Am Anfang aller Ermittlungen steht die juristische Zustimmung aus dem Haus von Georg Maier.

Juristische Verantwortung

Damit kommt dem Ministerium eine besondere juristische Verantwortung zu, und bei dieser könnte in den vergangenen Jahren geschlampt worden sein. Denn bei der Beantragung einer solchen Verfolgungsermächtigung muss ein Dienstweg eingehalten werden.

Der ergibt sich aus einer Richtlinie, nach der die Staatsanwaltschaft den Antrag formuliert, diesen über die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium an das Thüringer Innenministerium leitet. Genehmigt dieses den Antrag, geht er auf dem gleichen Weg retour.

Dienstweg nicht eingehalten?

Doch nach Recherchen von MDR Investigativ und FUNKE Medien sollen die internen Ermittler diesen Weg in den vergangenen Jahren ein wenig abgekürzt haben. Der Verdacht: Unter Umgehung des Dienstweges sollen Anträge in Dutzenden von Verfahren wegen Geheimnisverrats einfach von den internen Ermittlern bei der Fachaufsicht im Innenministerium, die diese Anträge der Staatsanwaltschaften genehmigen muss, direkt abgegeben worden sein.

Ob diese Übergaben protokolliert wurden oder was dabei mündlich besprochen wurde, scheint völlig unklar. Das Innenministerium wollte sich zu diesen Details nicht äußern und teilte dem MDR und FUNKE Medien nur mit: "Die gesetzlich erforderlichen Verfolgungsermächtigungen wurden vom Ministerium frist- und formgerecht erteilt. Von weiteren Auskünften wird mit Blick auf das laufende Verfahren und die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft abgesehen."

Suspendierung bei Beamten aufgehoben

Aufgeflogen ist das Ganze wohl bei internen Prüfungen im späten Frühjahr dieses Jahres, und inzwischen soll es eine Anweisung geben, dass der Dienstweg eingehalten werden muss. Auch im Fall des Saalfelder Kripo-Beamten hatte das Thüringer Innenministerium eine solche Verfolgungsermächtigung erteilt – auch auf Grundlage der dubiosen Hinweise des Polizeispitzels aus der Drogenszene.

Für den betroffenen Beamten begann dadurch ein Spießrutenlauf, der unter anderem eine Suspendierung zur Folge hatte. Inzwischen soll diese aufgehoben worden sein – auch aufgrund des Berichts des internen Prüfers zu möglichem fehlerhaftem Vorgehen der internen Ermittler. Offenbar haben die Polizeiführung und das Innenministerium den Hinweis, dass sich bisher kein Verdacht in dem Fall erhärtet habe, ernst genommen. Ein erster Etappensieg für den betroffenen Polizisten.

MDR (cw)

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