Deutschland schützt Frauen nicht ausreichend vor tödlicher Partnerschaftsgewalt
- Viele Opfer suchten weder in Frauenhäusern noch bei der Polizei Schutz – aus Angst vor weiterer Gewalt.
- Täter nutzen das Umgangsrecht, um Schutzmaßnahmen zu umgehen.
- Aufklärung, besseres Umgangsrecht, Fußfesseln und bessere psychiatrische Hilfsangebote können Leben retten.
Frauen in Deutschland sind nicht ausreichend vor tödlicher Partnerschaftsgewalt geschützt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Forschungsprojekts "FemiziDE" vom Institut für Kriminologie der Universität Tübingen und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Sie wurde am Donnerstag vorgestellt.
Femizide oft im Zusammenhang mit Trennungen
Demnach ereignen sich die meisten Femizide im Zusammenhang mit Trennungen oder dann, wenn Täter die Beziehung als endgültig gescheitert wahrnehmen. Partnerinnenfemizide seien die häufigste Form von Femiziden in Deutschland. In rund zwei Dritteln dieser Fälle fanden sich Hinweise auf sexistische Motive, etwa Besitzansprüche oder die Abwertung von Frauen.
Weiter Formen von Femiziden, die in der Studie ausgemacht wurden
- alters- oder krankheitsbedingte Femizide, bei denen sich der Täter anschließend selbst tötete
- (Groß-)Mutter-Femizide, oft begangen von psychisch erkrankten Tätern
- Femizide in losen sexuellen Beziehungen
- ehrbezogene Femizide
- Sexualfemizide und misogyn-psychotische Femizide
Angst vor Gewalt und Fehler im Schutzsystem
Dabei gibt es Schutzhäuser und auch Angebote der Polizei. Aber: Viele Opfer suchten der Studie zufolge keinen Schutz, weder in Frauenhäusern noch bei der Polizei – aus Angst vor weiterer Gewalt.
In anderen Fällen verweist die Studie auf Fehler im Schutzsystem. So habe die Polizei in manchen Fällen das Gewaltpotenzial des Beziehungskonflikts falsch eingeschätzt. "Eine verstärkte Sensibilisierung der Polizeibehörden für die Dynamik und das Eskalationspotenzial von Partnerschaftsgewalt könnte dazu beitragen, Risikosituationen frühzeitiger zu erkennen", schlussfolgern die Autoren.
Femizide: Umgangsrecht als Risiko
Auch das Umgangsrecht spiele eine Rolle: Rund acht Prozent der Täter nutzten den Kontakt über ein gemeinsames Kind, um Gewaltschutzmaßnahmen zu umgehen und die Frau zu töten. In drei Fällen scheiterte die Unterbringung in einem Frauenhaus an fehlenden Kapazitäten.
Als zentrale Risikofaktoren machen die Forschenden soziale Benachteiligung sowie psychische Erkrankungen aus. Zudem seien Menschen mit eigener Migrationserfahrung sowohl als Täter als auch als Opfer überproportional vertreten. "Teilweise wirkte der gemeinsame Migrationsprozess von Täter und Geschädigter aus einem stark patriarchal geprägten Land nach Deutschland als Katalysator für die De-Etablierung der Partnerschaft, da die Frauen sich hier aufgrund höherer Freiheitsrechte zu emanzipieren begannen."
Nicht genug Frauenhäuser und niedrigschwellige Unterstützung
Die Autoren der Studie sehen deshalb dringenden Handlungsbedarf. Zum einen verdeutlichten die Ergebnisse, dass Frauenhäuser allein nicht ausreichten, um Femizide zu verhindern. Der Umzug selbst sei mit vielen Belastungen verbunden und die Gefährdung halte auch danach an. Weil viele Gewaltbetroffene zudem zögerten, Hilfe zu suchen, brauche es möglichst niedrigschwellige Unterstützungsangebote.
Aufklärung und bessere psychiatrische Hilfsangebote könnten Leben retten
Gewaltbegünstigende Sozialisationsmuster von Männern müssten zudem durchbrochen und sexistische Einstellungen in der Bevölkerung gezielt angesprochen werden. In dem Zusammenhang bezeichnen die Autoren es als besorgniserregend, dass in Europa und den USA autoritäre politische Kräfte erstarkten, die traditionelle Geschlechterrollen und sexistische Einstellungen in westlichen Demokratien wieder gesellschaftsfähiger machten.
Polizei und Justiz sollten deshalb stärker über die Dynamiken gewaltbelasteter Beziehungen aufgeklärt werden. Reformen im Umgangsrecht sowie der Einsatz elektronischer Fußfesseln könnten Leben retten. Darüber hinaus fordern die Forschenden eine bessere psychiatrische Versorgung, denn insbesondere Störungen mit psychotischen Symptomen hätten sich als möglicher Risikofaktor für Femizide erwiesen.
MDR (an,smk)
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