Ein Jahr Minderheitsregierung in Sachsen: Ministerpräsident zieht positive Bilanz
Ein Jahr nach dem Start der Minderheitsregierung aus CDU und SPD sieht Ministerpräsident Michael Kretschmer sein Kabinett auf einem stabilen Kurs. Nach der Kabinettssitzung am Dienstag sprach der CDU-Politiker von einem "kraftvollen Start". Die Erfahrung der beteiligten Regierungsmitglieder habe dazu beigetragen, trotz fehlender eigener Mehrheiten erfolgreich zu arbeiten.
Konsultationsmechanismus im Fokus
Mit dem Konsultationsmechanismus habe man ein wichtiges Instrument geschaffen, um die Zusammenarbeit in der neuen politischen Realität zu ordnen, so Kretschmer. Dieses müsse regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden.
Besonderes Lob für die Linke
Deutliche Wertschätzung äußerte Kretschmer gegenüber den Oppositionsfraktionen. Sie hätten gezeigt, dass sie bereit seien, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsame Lösungen zu finden. Besonders die Linke hob der Ministerpräsident hervor: Sie habe "eine konstruktive Rolle gefunden" und unterstütze die Regierung dort, wo es dem Freistaat nutze. Auch Grüne und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hätten wiederholt an Beschlüssen mitgewirkt.
Köpping: "Nicht immer einfach"
Gesundheitsministerin und Vize-Regierungschefin Petra Köpping (SPD) zog ebenfalls eine positive Zwischenbilanz. Die Minderheitsregierung stehe für Stabilität und Kompromissfähigkeit, auch dank der Zusammenarbeit mit mehreren Oppositionsfraktionen. Gleichzeitig räumte Köpping ein, dass der Prozess anstrengend sei: "Wir müssen nicht nur zwei Partner zusammenbringen, sondern vier und bestenfalls sogar fünf." Die Regierung sei dennoch zuversichtlich, auch künftig tragfähige Mehrheiten zu organisieren.
Linke fordern bessere Einbindung
Deutlich kritischer bewerteten die Linken die Zusammenarbeit mit der Koalition. "Zwar wurden Initiativen der Oppositionsfraktionen Linke und Grüne beschlossen, was vorher in Sachsen undenkbar war", so Susanne Schaper, Fraktionsvorsitzende der Linken im Sächischen Landtag. Dennoch forderte sie Anpassungen. "Die Prozesse sind oft zäh, die Koalition legt vieles erst auf den letzten Pfiff vor, und wir warten teils ewig auf eine Rückmeldung." CDU und SPD müssten die Opposition aber frühzeitig einbinden, "denn wir sind keine Lückenbüßer".
Die Oppositionsparteien im Landtag kritisierten am Dienstag einen "Stillstand" der Minderheitsregierung in Sachsen. (Symbolbild)Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert MichaelGrünen fehlt die Vision
Deutliche Kritik an der Regierungsbilanz kam am Dienstag von den Grünen. Fraktionschefin Franziska Schubert warf CDU und SPD vor, die angekündigte neue politische Kultur bislang nicht mit Leben gefüllt zu haben. Die Minderheitsregierung agiere "über weite Strecken dilettantisch", wichtige Impulse kämen vor allem von den Oppositionsfraktionen. Schubert kritisierte zudem fehlende Zukunftspläne: Sachsen drohten "verlorene Jahre", da die Regierung weder Visionen noch klare Ziele benenne.
AfD spricht von "Koalition des Stillstands"
Auch die AfD fällte ein kritisches Urteil. Fraktionschef Jörg Urban bezeichnete die Minderheitsregierung als "Ignoranz des Wählerwillens". CDU und SPD hätten ein Jahr lang "nichts geliefert" und betrieben eine Politik des Stillstands, die der Wirtschaft schade.
Urban verwies dabei auf steigende Arbeitslosenzahlen und sieht Sachsen in einer "gefährlichen Abwärtsspirale". Er fordert unter anderem eine schlankere Verwaltung, eine Senkung der Grunderwerbsteuer und einen höheren Meisterbonus.
Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer bezeichnete den Umgang mit der AfD im Landtag als demokratisch. "Wenn die Parteien eine Brandmauer ziehen wollen, dann ist das deren Entscheidung", so Vorländer im MDR SACHSENSPIEGEL. Wenn Mehrheiten ohne AfD-Beteiligung möglich seien, dann sei das ein ganz demokratisches Verfahren.
MDR (ben)/dpa
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