Kretschmer fordert pauschale Lösungen in der Sozialpolitik und erhält Zustimmung
- Kretschmer fordert ein Ende der Einzelfallgerechtigkeit in der Sozialpolitik und setzt auf pauschale Lösungen.
- Auch ein Experte sieht in Pauschalen Chancen für Digitalisierung und Effizienz.
- Die SPD mahnt, Pauschalierung dürfe nicht zu sozialen Ungerechtigkeiten führen.
Noch gibt es sie, die Ermessensspielräume bei den Sozialleistungen. Daher muss in unserem Rechtssystem jeder Fall einzeln geprüft und bewertet werden. Mehr Gerechtigkeit für jeden Einzelfall ist das Ziel, ein immenser Verwaltungsaufwand der Nebeneffekt.
Ministerpräsident Kretschmer: "So wird das nichts"
Michael Kretschmer ist überzeugt: Diesen Luxus können wir uns nicht mehr leisten. "Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten nach dem Motto gearbeitet: Einzellfallgerechtigkeit – beim Thema Arbeitslosigkeit, beim Bundesteilhabegesetz, beim BAföG – überall Einzelfallgerechtigkeit. So wird das nichts. Wir müssen mit pauschalen Sätzen arbeiten."
Der Idee einer stärkeren Pauschalierung kann auch Werner Achtert etwas abgewinnen. Achtert berät das Kompetenznetzwerk Digitale Verwaltung (NEGZ), eine Denkfabrik zur Verwaltungsdigitalisierung. Er benennt neben dem Verwaltungsaufwand zwei weitere Problemfelder: "Es führt natürlich auch zu einer großen Menge von Klagen gegen Verwaltungsentscheidungen. Und es führt auch dazu, dass die Politik natürlich versucht, unser Rechtssystem immer feiner zu ziselieren – also, immer feinere Sonderregelungen in Gesetze, Verordnungen oder Arbeitsanweisungen zu gießen."
Experte sieht Potenzial für digitale und schnellere Verwaltung
Das immer wieder beschworene Ziel einer verschlankten, kostengünstigeren Verwaltung ließe sich so nicht erreichen, da ist Achtert ganz bei Kretschmer. "Das führt dazu, dass einfach die Masse der Verwaltungsentscheidungen manuell getroffen werden muss und nicht automatisiert werden kann. Und wenn ich nicht automatisieren kann, kann ich auch keine KI einsetzen."
Achtert plädiert für möglichst großzügige Pauschalregelungen, um als Staat sagen zu können: "Lieber Bürger, wenn du in einer solchen Situation die Pauschale nimmst, dann verzichtest du eben auf die Einzelfallprüfung. Der Bürger bekommt schneller eine rechtssichere Entscheidung und die Verwaltung spart sich in dem Moment natürlich eine Menge Arbeit. Also, ich glaube, es wäre eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten."
SPD warnt vor sozialer Schieflage durch pauschale Modelle
Auch beim sächsischen SPD-Vorsitzenden Henning Homann steht die Zukunftsfähigkeit der Sozialsysteme ganz oben auf der politischen Dringlichkeitsliste. Allerdings müsse man gucken: "Dass wir nicht Gutes wollen und am Ende Schlechtes machen: Das heißt Einzelfallgerechtigkeit durch Pauschalisierung da, wo es sinnvoll ist."
Es gebe eben Bereiche, wo Pauschallösungen zu Ungerechtigkeit führen: "Was ich zum Beispiel nicht möchte, ist, dass wir in einem BAföG-System ein System haben, in dem diejenigen, die dringend darauf angewiesen sind, ein BAföG zu bekommen, weil ihre Eltern kein Geld haben, jetzt gleichgesetzt werden mit reichen Eltern, die sich eigentlich dicke das Studium aus eigener Tasche finanzieren können. Das heißt, da muss man sehr klug gucken, wo das möglich ist und wo das nicht möglich ist."
Hinzu kommt die demografische Entwicklung: In fünf bis zehn Jahren wird nicht nur aus Geldgründen spürbar weniger Verwaltungspersonal zur Verfügung stehen, um die Staatsaufgaben zu erfüllen. Die Abkehr von der Einzelfallprüfung mit anschließender Automatisierung der Verwaltungsprozesse muss also nicht unbedingt ein Jobkiller sein.
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