Die RB 20 verkehrte bislang durch Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Als Nahverkehr auf 175 Kilometern - schon das ist etwas paradox.

Bestellt wird der Schienenpersonennahverkehr zwar in Absprache miteinander, aber am Ende doch getrennt - durch das Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr (TLBV), die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) und den Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL).

Thüringen wollte an der durchgehenden Linie Eisenach-Leipzig festhalten, stand damit aber letztlich alleine da.

Mit dieser Linienänderung haben die Aufgabenträger in Sachsen-Anhalt und im Nahverkehrsraum Leipzig leider eine andere Entscheidung getroffen als die, die wir aus Thüringer Sicht favorisieren.

Stellungnahme Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr

Der neue S-Bahn-Knoten Naumburg

Für Sachsen-Anhalt steht die Integration Naumburgs in das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz im Vordergrund, zu dem nach Halle nun auch der Burgenlandkreis und später Merseburg gehören sollen. Altenburg ist ja bereits ein Teil davon.  

Da die Nahverkehrsnachfrage östlich von Naumburg zunehmend stark auf Leipzig und westlich von Naumburg zunehmend stark auf Erfurt ausgerichtet ist, ist Naumburg ein verkehrlich gut geeigneter Umsteigepunkt.

Stellungnahme NASA Sachsen-Anhalt

Die Lage von Naumburg mag für solche Pläne ideal erscheinen, gleichwohl der Bahnhof ist es nicht, so die Einschätzung von Olaf Behr, Vorsitzender vom Fahrgastverband Pro Bahn Thüringen.

Fahrgäste aus Erfurt und Eisenach, die bisher nach Leipzig durchfahren konnten, müssen nun in Naumburg umsteigen.Bildrechte: MDR/Sebastian Großert

Es ist nämlich nicht so, dass die Fahrgäste auf dem gleichen Bahnsteig von der RB20 in die S6 wechseln könnten und umgekehrt. Auch zu hochfrequenten Zeiten tauschen zwei Züge stattdessen die Passagiere über Treppe oder Aufzug abwärts, eine enge Unterführung und Treppe oder Aufzug wieder aufwärts aus.

Zeitfenster: wenige Minuten. Ein Problem ist das vor allem für mobilitätseingeschränkte Menschen, Eltern mit Kindern oder Reisende mit Gepäck.

Wenn dort regelmäßig mehrere Hundert Fahrgäste gleichzeitig umsteigen müssen, ist das eine extrem ungünstige Situation.

Olaf Behr, Pro Bahn Thüringen

Hinzu kommt: Die Züge warten nicht zuverlässig aufeinander, weil sie an die jeweiligen ICE-Knotenpunkte Leipzig und Erfurt angebunden sind. Im Zweifelsfall erreichen dann die RB 20 oder die S6 den ICE in Erfurt beziehungsweise Leipzig vielleicht sogar pünktlich, aber ohne ihre Passagiere, wenn es ein beteiligter Zug nicht rechtzeitig bis Naumburg geschafft hat.

Mit Fahrrad, Kinderwagen oder großen Koffern unterwegs? Dann wird das Umsteigen in Naumburg schwieriger. (Symbolbild)Bildrechte: MDR/Michael Rosebrock

Das war in der ersten Woche häufig so, sagt Olaf Behr, räumt aber ein, dass das nach einer solchen Umstellung "normal" sei.

Wie der City-Tunnel Leipzig bis nach Thüringen wirkt

Der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig verweist auf den vielfachen Wunsch aus der Naumburger Burgenland-Region, dass die Fahrgäste der S6 durch den Leipziger City-Tunnel ohne Umstieg Stationen der Leipziger Innenstadt wie Markt, Universitätsklinikum oder MDR erreichen können. Das sei mit einem aus Thüringen kommenden Regionalzug so nicht möglich gewesen.

Der City-Tunnel bringt Reisende direkt zum Marktplatz in Leipzig.Bildrechte: IMAGO / CHROMORANGE

Wobei die Frage erlaubt ist, warum den Reisenden aus Thüringen ein Umstieg in Naumburg zugemutet wird, den Reisenden aus dem Burgenlandkreis im Leipziger Hauptbahnhof jedoch nicht.

Eine Fortführung der Linie RB 20 war nicht möglich. Es sollte die Linie in den City-Tunnel Leipzig eingebunden werden - mit dem Fahrzeugbestand des bisherigen Netzes und vergaberechtlich war das nicht machbar.

Stellungnahme ZVNL Sachsen

Und dann scheitert auch noch der Fernverkehr

Für Pro Bahn liegen die Ursachen für das Dilemma noch etwas tiefer, weshalb sich in den kommenden Jahren das Stückwerk auf regionalen Bahnstrecken noch verstärken wird. Schuld sei das Fernverkehrskonzept der Berliner Politik, wonach der Fernverkehr eigenwirtschaftlich sein muss, sagt Olaf Behr.

Die ICE-Sprinter fahren mehrmals täglich von Erfurt nach München und umgekehrt.Bildrechte: Deutsche Bahn AG/Kai Michael Neuhold

Die Folge: Die ICE und die Sprinter drängeln sich geradezu auf den lukrativen Schnellfahrstrecken. Auf den anderen Strecken, wie eben der alten 600er-Reichsbahn-Hauptstecke von Eisenach nach Leipzig oder der Strecke von Halle/Leipzig über Jena nach Saalfeld oder der von Glauchau bis hinauf nach Göttingen, übernahm der Nahverkehr schon lange die Kern-Aufgabe eines Fernverkehrs und verhebt sich daran. Weitere Brüche durchgehender Verbindungen werden deshalb folgen.

Der Nahverkehr ist regional zersplittert organisiert und der bringt solche schnellen, langlaufenden Verbindungen einfach nicht mehr zustande. Vor allem dann, wenn das Geld knapp ist. Und das ist ja hier der Fall in Mitteldeutschland.

Olaf Behr, Pro Bahn Thüringen

MDR (dvs/thk)

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