Hilfe für Betroffene, Prozess gegen Täter: Beides ist für Mehrheit ähnlich wichtig beim Aufarbeiten
- Politische Aufarbeitung des Anschlags hält eine Hälfte der Befragten für wichtig.
- Beim Gedenken an Opfer stehen für viele gemeinsame Rituale und Orte des Erinnerns im Vordergrund.
- Große Mehrheit spricht sich für Erinnerungsorte im öffentlichen Raum aus.
"Für mich ist der Anschlag in erster Linie eine Straftat und der Täter gehört nach Recht und Gesetz bestraft. Zudem sollte der Staat die Betroffenen unterstützen, finanziell und psychologisch", schreibt Markus (45). In seinem Kommentar fasst der MDRfragt-Teilnehmer aus dem Salzlandkreis zusammen, worauf es aus Sicht sehr vieler Befragter beim Aufarbeiten des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt besonders ankommt: Für knapp 8 von 10 Teilnehmenden (75 Prozent) ist wichtig, dass sich der Täter vor Gericht verantworten muss. 7 von 10 Befragten (70 Prozent) fordern, dass Betroffene ganz konkrete Hilfe bekommen. Dazu gehört, dass Familien von Opfern oder Betroffene in ihrer Trauer begleitet und umsorgt werden auf dem schweren Weg nach den Ereignissen vom 20. Dezember 2024.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNKSeit Anfang November steht der Mann in Magdeburg vor Gericht, der wenige Tage vor Heiligabend 2024 mit einem SUV über den Weihnachtsmarkt der Stadt fuhr. Er tötete dabei ein Kind und fünf Frauen und verletzte mehr als 300 Menschen. In zahlreichen Kommentaren drücken MDRfragt-Teilnehmende ihre Sorge aus, dass beim Aufarbeiten des Anschlags eher der Täter im Fokus steht als die Betroffenen. "Die Bühne für den Täter wird durch die Art des Prozesses mit einem neuen teuren Gerichtsgebäude und Presse zu groß", findet Nadine (48) aus Magdeburg. Auch Christel (73) kommt aus der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt und meint: "Für den Täter ist alles eine Bühne, auf der er sich so richtig stundenlang präsentieren kann. Und die Opfer müssen zuschauen?!!" Peggy (49) aus dem Kyffhäuserkreis fordert: "Man sollte dem Täter nicht so viel Raum zur Selbstdarstellung geben."
Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag hält nur knapp die Hälfte für wichtig
Hätte das Landeskriminalamt von Sachsen-Anhalt erkennen müssen, dass der Täter wirklich gefährlich ist? Hätten Stadt und Polizei den Weihnachtsmarkt anders absichern müssen? Wäre der Anschlag zu verhindern gewesen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Die Ergebnisse sollen noch vor der Landtagswahl vorliegen, im Sommer 2026. Auf die politische Aufarbeitung des Anschlags legt nur jede und jeder zweite Befragte Wert (48 Prozent). Ronny (47) aus dem Landkreis Sonneberg begründet in seinem Kommentar, warum das für ihn nicht wichtig ist: "In einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geht es in der Regel lediglich darum, dem jeweiligen politischen Gegner die Schuld in die Schuhe zu schieben. Eine tatsächliche Aufarbeitung oder Erkenntnisse, wie solche Taten zukünftig verhindert werden können, sind nicht zu erwarten." Nico (49) aus dem Landkreis Hildburghausen findet: "Sobald sich die Politik einmischt, wird nie was richtig aufgearbeitet! Sie sind die Ursache und der ausschlaggebende Punkt und werden ja nicht sich selbst die Schuld geben!"
Nur für eine knappe Hälfte der Befragten (47 Prozent) ist die Frage wichtig, ob Sicherheitskonzepte angepasst werden müssen. Eine große Mehrheit der MDRfragt-Gemeinschaft vertritt in diesem Themenbereich zumindest in einem Punkt eine ganz klare Haltung: 9 von 10 Befragten (87 Prozent) finden, die Polizei brauche mehr Möglichkeiten und mehr Befugnisse, um Taten wie den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt verhindern zu können. In einer Befragung wenige Wochen nach dem Anschlag hatten bereits sehr viele Befragte deutlich gemacht, dass sie sich mehr Befugnisse für die Polizei wünschen. Der Wunsch nach einer schlagkräftigeren Polizei gibt es weiterhin bei sehr vielen Befragten.
In zahlreichen Kommentaren machen die MDRfragt-Teilnehmenden deutlich, wie aus ihrer Sicht die Polizeiarbeit verbessert werden könnte:
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Gemeinsames Erinnern und Plätze zum Verweilen spielen für viele beim Gedenken wichtige Rolle
In Magdeburg wird auf verschiedene Weise an die Menschen erinnert, die durch den Anschlag ihr Leben verloren. Bei der Eröffnung des Weihnachtsmarkts Ende November lagen Blumen, Kerzen und Kränze an den kleinen Gedenkplatten, die Oktober 2025 in die Straße eingelassen wurden. Auf dem Bild zu diesem Artikel ist eine dieser Gedenkplatten zu sehen. Sie erinnert an eine 52 Jahre alte Frau, die im Januar an ihren schweren Verletzungen nach dem Anschlag starb. Am 20. Dezember will die Stadt mit einer Lichterkette um den (dann geschlossenen) Weihnachtsmarkt, mit einem Gottesdienst und mit dem Läuten von Glocken der Opfer gedenken. Die aktuelle Befragung zeigt deutlich, dass es für die Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen offenbar nicht den einen Weg des Gedenkens gibt.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNKWelche Formen der Erinnerung und des Gedenkens die MDRfragt-Mitglieder wichtig finden, haben viele von ihnen in Kommentaren geschrieben:
Große Mehrheit wünscht sich nach Magdeburg Erinnerungsorte im öffentlichen Raum
Für rund 5 von 10 Befragten (45 Prozent) sind Gedenkorte und Denkmäler wichtige Formen des Gedenkens. Für deutlich mehr Teilnehmende wichtig sind dagegen ganz allgemein Erinnerungsorte im öffentlichen Raum wichtig. Diese wünschen sich 8 von 10 Befragten (82 Prozent). Frauen sind solche Orte des Gedenkens noch etwas wichtiger als Männern.
Nicole (43) aus dem Harz kommentiert: "Ich finde die Idee mit den Gedenkplatten toll. Aber ein Gedenkort, wo man in Ruhe trauern kann, wäre auch nicht verkehrt." Josefine (41) aus dem Altmarkkreis Salzwedel fasst ihre Gedanken zu Erinnerungsorten so zusammen: "Ich denke, es braucht einen Ort, an dem man gedenken kann und wo man sich auch mit anderen austauschen kann. Das kann auch in der Kirche sein, auch wenn man vielleicht niemanden hat. Aber auch außerhalb der Kirche ist ein solcher Ort wichtig."
Über diese Befragung
Bei der Befragung "Ein Jahr nach dem Anschlag in Magdeburg: Welche Aufarbeitung braucht es?" vom 09. bis 15. Dezember 2025 haben 18.247 Menschen teilgenommen.
Bei MDRfragt können alle mitmachen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt wohnen.
Unser Ziel ist es, die Vielfalt der Argumente sichtbar zu machen. Die Kommentare der Teilnehmenden helfen uns, die Gründe für unterschiedliche Positionen und das gesamte Meinungsspektrum abzubilden.
Wir ziehen keine Stichprobe, sondern laden alle Interessierten ein, ihre Meinung einzubringen. Deshalb sind die Ergebnisse strenggenommen nicht repräsentativ. Aber: An den Befragungen beteiligen sich jeweils zehntausende Menschen aus den drei Bundesländern. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich begleitet und überprüft. Die Ergebnisse werden nach bewährten Methoden gewichtet – anhand soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht und Bildungsgrad – und so an die tatsächliche Bevölkerungsverteilung in Mitteldeutschland angepasst. Dadurch sind die Ergebnisse aussagekräftig für die Stimmung im Sendegebiet. Durch Rundungen ergeben die Prozentwerte bei einzelnen Fragen nicht immer exakt 100.
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