Cannabisprodukte gelten vielen Patienten als Alternative oder Ergänzung zu etablierten Schmerzmitteln. Eine umfassende systematische Übersichtsarbeit, veröffentlicht in den Annals of Internal Medicine, zeichnet nun ein recht nüchternes Bild zu Nutzen und Risiken. Analysiert wurden 18 randomisierte, placebokontrollierte Studien sowie sieben Beobachtungsstudien mit insgesamt mehr als 14.000 Teilnehmern, überwiegend mit chronischen neuropathischen Schmerzen.

Das zentrale Ergebnis: Bestimmte THC-haltige Produkte können Schmerzen kurzfristig leicht lindern, der Effekt bleibt jedoch begrenzt. Gleichzeitig steigt das Risiko für Nebenwirkungen deutlich. Für CBD-haltige Produkte ohne nennenswerten THC-Anteil fand die Analyse keinen überzeugenden Nutzen.

Kleine Effekte, größere Nebenwirkungen

Die Studie ordnet den Nutzen erstmals präzise ein. Gemessen wurde auf einer zehnstufigen Schmerzskala. Orale, synthetische THC-Produkte reduzierten die Schmerzstärke im Mittel um etwa einen Punkt, bei einzelnen Präparaten etwas mehr. Produkte mit einem ausgeglichenen Verhältnis von THC und CBD erzielten geringere Effekte von rund einem halben Punkt. Damit wird klar: Die beobachteten Verbesserungen liegen unterhalb dessen, was viele Patienten als deutlich spürbare Erleichterung empfinden. Auch die körperliche Funktion verbesserte sich, wenn überhaupt, nur geringfügig.

Dem begrenzten Nutzen stehen häufige Nebenwirkungen gegenüber. Besonders Schwindel und Sedierung traten bei THC-haltigen Produkten deutlich häufiger auf als unter Placebo, ebenso Übelkeit. In einigen Studien brachen Teilnehmer die Behandlung wegen unerwünschter Effekte vorzeitig ab. Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass viele Studien Patienten mit erhöhtem Risiko – etwa mit psychischen Vorerkrankungen – ausschlossen. Die reale Nebenwirkungsrate könnte daher sogar unterschätzt sein.

Besonders deutlich fällt das Urteil zu CBD aus. Trotz seiner großen Popularität zeigte sich in den ausgewerteten Studien kein relevanter schmerzlindernder Effekt. "Das mag für viele Menschen überraschend sein", sagt Studienleiter Roger Chou von der Oregon Health & Science University. "Die gängige Vorstellung war, dass CBD vielversprechend ist, weil es keine euphorisierenden Effekte wie THC hat und man ihm medizinische Eigenschaften zuschrieb. Aber zumindest in unserer Analyse hatte es keinen Effekt auf Schmerzen."

Warum die Ergebnisse schwer übertragbar sind

Die meisten untersuchten Produkte sind hochstandardisierte Arzneimittel wie Dronabinol oder Nabilon. Ob ihre Ergebnisse auf die große Vielfalt frei verkäuflicher Cannabisprodukte übertragbar sind, bleibt offen. "Es ist nicht so, als würde man eine standardisierte Dosis Ibuprofen einnehmen", sagt Roger Chou. "Cannabis stammt aus einer Pflanze und enthält neben THC und CBD viele weitere Chemikalien."

Die Analyse beschränkt sich außerdem fast vollständig auf Behandlungszeiträume von wenigen Wochen bis Monaten. Aussagen zu langfristiger Wirksamkeit, Abhängigkeit oder kognitiven Effekten sind nicht möglich. Auch für viele Schmerzformen jenseits neuropathischer Schmerzen fehlen belastbare Daten.

Links / Studien

M. McDonagh et al. (2025): "Cannabis-Based Products for Chronic Pain", Annals of Internal Medicine

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