Warum kürzere Arbeitszeiten kaum noch durchsetzbar sind
- Arbeitgeber reagieren zunehmend ablehnend auf Lohnforderungen und Arbeitszeitverkürzungen sind kaum mehr durchsetzbar
- Gegen Lockerungen beim Arbeitszeitgesetz stellen sich die Gewerkschaften
- Der Ökonom Marcel Fratzscher glaubt, dass Arbeitnehmer künftig mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit erhalten werden.
Seit mehr als 20 Jahren streitet Norbert Reuter im Auftrag der Gewerkschaft Verdi für die Rechte von Arbeitnehmern. Er sagt, dass die Tarifverhandlungen zuletzt deutlich schwieriger geworden sind. "Was wir natürlich bemerken, ist, dass die Arbeitgeber mit Blick auf Lohnforderungen sehr viel ablehnender reagieren. Nach dem Motto: Wirtschaftlich schwierige Zeiten, es gibt nichts zu verteilen und deswegen sind alle Forderungen, die wir stellen, zu hoch."
In manchen Tarifrunden ist es schon ein Erfolg, wenn es gelingt, das Ansinnen der Arbeitgeber nach Arbeitszeitverlängerung abzuwehren.
Das hat auch Auswirkungen auf Themen wie die Work-Life-Balance – also die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf, erzählt Reuter: "In der Vergangenheit war es eigentlich so, dass wir in Verhandlungen immer sehr stark auch die Komponente Arbeitszeitverkürzung drin hatten. […] Das ist kaum mehr möglich. Das stößt auf sofortige, massive Gegenwehr." Im Gegenteil, in manchen Tarifrunden sei es schon ein Erfolg, wenn es gelinge, das Ansinnen der Arbeitgeber nach Arbeitszeitverlängerung abzuwehren.
Einschnitte noch nicht, Versuche ja
Einschnitte bei den gesetzlichen Arbeitnehmerrechten habe es bisher aber noch nicht gegeben, sagt Reuter. Versuche allerdings schon. Als Beispiel nennt er den Vorstoß der aktuellen Bundesregierung, das Arbeitszeitgesetz zu ändern. "Das wäre in der Tat eine fundamentale Veränderung der Arbeitnehmerrechte. Das heißt also, nicht den 8-Stunden-Tag mehr im Blick zu haben, sondern das auf eine wöchentliche Begrenzung zu setzen, sodass eben dann täglich mehr gearbeitet werden kann. Dagegen wehren wir uns massiv."
Mehr Autonomie für Beschäftigte bei Arbeitszeiten
Längere Arbeitszeiten hält auch der Ökonom Marcel Fratzscher für falsch. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung unterstützt aber einen anderen Punkt, der mit der Idee einer Arbeitszeitanpassung einhergehen soll.
Ökonom Marcel Fratzscher sagt, die Arbeitnehmerrechte seien in den vergangenen Jahren gestärkt worden.Bildrechte: IMAGO / dts NachrichtenagenturUnd das ist: Mehr Flexibilität für die Arbeitnehmer. Also selbst zu entscheiden, wann sie wie viel arbeiten. "Wir müssen mehr in diese Richtung gehen. Das zeigen viele wissenschaftliche Studien. Mehr Verantwortung für Beschäftigte bedeutet auch höhere Produktivität, dass die Menschen produktiver sind mit ihrer Arbeit. Und auch aus der Logik heraus bin ich überzeugt, dass wir eher eine Tendenz Richtung mehr Arbeitnehmerautonomie in den kommenden Jahren sehen werden."
Fratzscher ist der Meinung, dass die Arbeitnehmerrechte in den letzten Monaten und Jahren nicht gelitten haben, sondern gestärkt wurden. Er verweist unter anderem auf die Erhöhung des Mindestlohns, aber auch auf andere Errungenschaften. "Also denken wir ans Homeoffice. Klar, das betrifft nicht alle, ist mir völlig bewusst. Aber viele Beschäftigte heute in Deutschland haben mehr Wahlmöglichkeiten zu sagen, wann möchte ich von zu Hause aus arbeiten, wann nicht. Und das ist zum Beispiel ein wichtiger Fortschritt."
Schlechte Aussichten für Vier-Tage-Woche
Fratzscher geht sogar davon aus, dass sich die Arbeitnehmerrechte durch den Fachkräftemangel in den nächsten Jahren weiter verbessern werden. Weil es aber eben zu wenige Menschen für die Menge der Arbeit gibt, glaubt er, dass sich die Vier-Tage-Woche in den nächsten zehn Jahren nicht durchsetzen wird. Und Norbert Reuter von Verdi sagt, dass das Modell bei Tarifverhandlungen schon heute keine Rolle mehr spielt.
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