• Der Staffel Verlag hat seinen Sitz in einem Hinterhof im Leipziger Westen.
  • Die Druckgrafik diente in der Renaissance der Verbreitung von Kunstwerken, ähnlich dem heutigen Instagram.
  • Der Staffel Verlag liebt das Experiment und das Spiel mit Herausforderungen.

Die Buchstadt Leipzig war einst ein Zentrum der sogenannten "Schwarzen Kunst". Unter diesem Begriff werden traditionell die künstlerischen und handwerklichen Techniken zusammengefasst, die mit (schwarzer) Druckfarbe arbeiten. Handsatz mit Bleilettern zum Beispiel, aber auch Drucktechniken, wie Radierung, Lithografie oder Holzschnitt.

Für die industrielle Buch-Herstellung inzwischen nicht mehr relevant, entdecken vor allem junge Künstlerinnen und Künstler die traditionellen Drucktechniken für sich – auf den Geschmack gebracht etwa durch ein Studium an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Zwei Absolventen dieser Hochschule haben nun sogar einen eigenen Verlag für originalgrafische Bücher und Mappen gegründet: den Staffel Verlag.

Hinterhof in Leipzig als Verlagssitz

In einem unscheinbaren Gebäude in einem Hinterhof im Leipziger Westen herrscht anregende Arbeitsatmosphäre: überall bemalte Leinwände, Farben, allerlei Werkzeuge. Dazwischen: stapelweise Bücher und Mappen, aufwändig gebunden, mit vielfarbig leuchtenden Bezugsstoffen und -papieren.

Man sieht dem Schreibtisch im Staffel Verlag an, dass hier gerade viele Projekte bearbeitet werden.Bildrechte: MDR/Eva Gaeding

Der kleine Raum ist Atelier und Verlagssitz in einem. Leon Friedrichs, bildender Künstler und Entrepreneur, steht inmitten dieser Herrlichkeit. "Staffel als Konzept heißt kollaborative Originalgrafik" erläutert er die Idee des Staffel Verlags, "und kollaborativ heißt, jeder adaptiert eine fremde Zeichnung."

Originalgrafische Drucktechniken, das sind etwa Holzschnitt, Radierung, Lithografie aber auch der Handsatz, bei dem Texte mit beweglichen Bleilettern in Handarbeit gesetzt werden. "Als Grafiker oder Grafikerin hast du ja normalerweise deinen eigenen Entwurf und überträgst ihn auf deine Platte", erklärt Friedrichs. Viele Künstler arbeiteten auch direkt auf den Druckstock, ohne eine Vorzeichnung anzufertigen. "Und wir dachten uns: Mensch, das kann man ja aufteilen." erzählt der Meisterschüler schmunzelnd.

Druckgrafik – das Instagram der Renaissance

Dass Grafiken nach fremden Vorlagen entstehen, ist in Wirklichkeit eine sehr alte Praxis. In Zeiten, als es weder Bildbände noch Instagram gab, ließen Maler Kupferstiche oder Holzschnitte von ihren Gemälden anfertigen, um ihrer Kunst Sichtbarkeit zu verleihen. So fungierten die Holzstiche von Renaissancekünstlern wie Dürer oder Tizian auch als eine Art Werbematerial.

Holzstich "Über die Kunst des Messens" von Albrecht Dürer.Bildrechte: IMAGO / H. Tschanz-Hofmann

"Tizian ist ein Extrembeispiel", erzählt Leon Friedrichs. "Der hat seine Formschneider ins Atelier geführt, hat ihnen irgendeine große Malerei gezeigt und so was gesagt wie: "So, nur halt in Schwarz-Weiß. Naja, weißt schon, mach mal!" Friedrichs erkennt darin eine riesige Übersetzungsleistung. "Das sind nach heutigem Verständnis ja eigentlich eigenständige Kunstwerke", meint er.

Auf Grundlage dieses Gedankens gründeten Leon Friedrichs und sein Malerkollege Felix Lorenz 2023 den Staffel Verlag. Beide studierten damals Malerei an der Leipziger HGB.

Es werden von vornherein Hürden gelegt, weil man ja mal gucken kann, was dabei rauskommt.

Leon Friedrichs, Künstler und VerlegerStaffel Verlag

Haben sich die beiden auf ein Thema geeinigt, laden sie Künstlerinnen und Künstler ein, sich mit einer Bildidee zu beteiligen. Die Vorlage dafür bekommt dann einer der anderen Teilnehmenden per Zufallsprinzip zugeteilt und erstellt daraus nach eigenen Vorstellungen eine Druckgrafik.

Staffel Verlag spielt mit Herausforderungen

Diese Versuchsanordnung werde immer gern zum Anlass für Spielereien genommen. Etwa, indem Zeichnungen eingereicht würden, die für eine Umsetzung in Druckgrafik nicht geeignet seien. "Zum Beispiel fein ziselierte Graustufen für Holzschnitt, was natürlich so eine Bam!-in-your-face-Schwarz-Weiß-Technik ist.", freut sich der Verleger. "Wir haben mal Fotografien als Vorlage gehabt für Holzschnitt, wir haben Malerei bekommen als Vorlage. Wir warten noch auf eine Skulptur. Also es werden von vornherein Hürden gelegt, weil man ja mal gucken kann, was dabei rauskommt."

Leon Friedrichs ist einer der beiden Gründer des Leipziger Staffel Verlages.Bildrechte: MDR/Eva Gaeding

Um den Spaß am Experiment noch zu steigern, achten er und sein Kompagnon auf möglichst unterschiedliche Bildsprachen unter den Teilnehmenden. Ungegenständliche Kunst etwa – im Kontrast zu realistischen Positionen.

"Wir haben ja eigentlich in jedem Bild mindestens zwei Handschriften, die sich mischen. Das heißt, irgendeine Reibung, irgendeine Art von Bild, die in keinem Einzelatelier so entstehen könnte", erklärt Friedrichs.

Wir haben ja eigentlich in jedem Bild mindestens zwei Handschriften, die sich mischen. Das heißt, irgendeine Reibung, irgendeine Art von Bild, die in keinem Einzelatelier so entstehen könnte.

Leon Friedrichs, Künstler und VerlegerStaffel-Verlag

Seltene Originale und Limited Editions

Neben diesen Projekten hat der Staffel Verlag auch Bücher in originalgrafischen Techniken im Programm, die in Eigenproduktion von Künstlerinnen und Künstlern entstehen. So bekommen diese kostbaren Nischenprodukte mehr Sichtbarkeit und der Verlag profiliert sich als Heimat für zeitgenössische Buchkunst.

Eine der Veröffentlichungen des Staffel Verlags. Sie zeigt die Liebe zum Handwerk und zum Detail.Bildrechte: MDR/Eva Gaeding

Weil jede Grafik, jede Buchseite von Hand gesetzt und gedruckt wird, entstehen pro Werk immer nur wenige Exemplare. Das hat seinen Preis: zwischen 50 und 1.000 Euro muss man für ein Buch oder Mappenwerk ausgeben – nennt dann aber auch einen ganzen Schwung signierter Originalgrafiken sein Eigen. Reich werden dabei aber weder Verleger noch Künstlerinnen und Künstler. Immerhin können auf diese Weise die Kosten für die nächsten Produktionen gedeckt werden und ab und zu auch die Standgebühr bei einer kleinen Fachmesse.

Kooperation mit jungen Literatinnen und Literaten geplant

Ideen für Projekte gibt es viele. Für die Mappe "Konklave" schlossen sich die Beteiligten für einen Tag in der Holzschnittwerkstatt der HGB ein. Das Buch "Stadt Land Fluss" entstand hingegen beim Herumstromern an unterschiedlichen Orten in und um Leipzig.

Zu den aktuellen Projekten des Staffel Verlages gehört die Beschäftigung mit zeitgenössischer Literatur.Bildrechte: MDR/Eva Gaeding

Gerade ist die neue Grafikmappe in Arbeit, die enthält, was den Künstlerinnen und Künstlern zum Thema Treppenhaus eingefallen ist. "Wir wollen das Buch oder die Mappe machen, die komplett auf einer Zugfahrt gedruckt wird, so der Nachfolger zum Konklave. Ob wir mit Presse einsteigen oder nicht, das wissen wir noch nicht. Da sind noch Details in der Logistik zu klären," erwidert Leon Friedrichs, wenn man ihn nach seinen Zukunftsträumen fragt.

Auch eine Heftreihe mit zeitgenössischer Literatur sei in Planung. Schließlich befindet sich das Deutsche Literaturinstitut Leipzig (DLL), direkt gegenüber der Hochschule für Grafik und Buchkunst. "Wir habe da jede Menge Leute, die sagen, Mensch, na klar schreibe ich euch was."

Wenn man Leon Friedrichs zuhört, während er ein Buch, ein grafisches Blatt nach dem anderen ausbreitet, hat man keinen Zweifel, dass das funktionieren wird.

Quelle: MDR KULTUR, Staffel Verlag
Redaktionelle Bearbeitung: op

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke