Steigende Zahlen rechter Gewalttaten überfordern Präventionsarbeit
- In Thüringen hilft der Verein Drudel 11 beim Ausstieg aus der rechtsextremen Szene – doch die Nachfrage übersteigt längst die Kapazitäten.
- Viele Jugendinitiativen sind unterfinanziert, während rechtsextreme Ideologie gerade bei jungen Menschen wieder Zulauf bekommt.
- Trotz aller Herausforderungen zeigt die Forschung: Prävention kann funktionieren.
Neonazis beim Ausstieg aus der rechtsextremen Szene helfen. In Thüringen macht das der Verein Drudel 11: "Wir sind sozusagen die Feuerwehr, die dann wirken oder ansetzen soll, wenn es schon brennt." , sagt Vorstandsvorsitzender Sebastian Jende. Und, um im Bild zu bleiben: Die Feuerwehr musste in den vergangenen Jahren immer häufiger ausrücken.
Personell kämen sie inzwischen an ihre Grenzen, sagt Jende: "Wir beobachten besonders im Bereich der Schulen, dass die sich vermehrt an uns wenden, weil sie mit problematischen Situationen nicht zurechtkommen."
Prävention kommt bei zunehmender rechter Gewalt an Grenzen
Timo Reinfrank ist der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt.
Angesichts der aktuellen Zahlen zu rechtsextremistisch motivierter Kriminalität sagt er: "Wo natürlich auch die Grenzen der Präventionsarbeit sind: Da, wo es um Straftaten und Gewalt geht. Und wenn es dann in der gesellschaftlichen Breite einen besonders rassistischen, migrationsfeindlichen Kurs gibt oder natürlich auch Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien als Ermutigung zu Straftaten verstanden werden, dann sind natürlich auch die Grenzen der Präventionsarbeit erreicht."
Reinfrank wünscht sich von Sicherheitsbehörden und Polizei konsequentere Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten sowie mehr Unterstützung für die Jugendarbeit.
Jugendarbeit unter Druck
Die fordert auch David Begrich, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander in Magdeburg. Denn gerade unter Jugendlichen hätten rechtsextremes Gedankengut und Gewaltbereitschaft stark zugenommen: "Gucken wir doch mal in die Jugendarbeit und den Umstand, in welcher Situation – gerade nach der Coronakrise – Jugendarbeit ist. Da muss man einfach schlicht und ergreifend sagen: Da gibt es viele Entwicklungen, die einfach besorgniserregend sind, was die Frage von Strukturabbau und die Reduzierung von Geldmitteln angeht."
Prävention bleibt notwendig
Zugleich seien rassistische und verfassungsfeindliche Ansichten gesellschaftlich inzwischen so normalisiert, dass Präventionsarbeit viel schwieriger geworden sei, sagt Matthias Quent. Er ist Rechtsextremismusforscher und Soziologieprofessor an der Hochschule Magdeburg-Stendal: "Man hält eigentlich nicht mit, man kann nicht Schritt halten."
Er warnt aber davor, Präventionsarbeit deshalb in Frage zu stellen: Die Forschung zeige, dass sie funktioniere. Deshalb brauche mehr Orte für Beziehungsarbeit, Austausch und Anerkennung. "Damit diese Bedürfnisse, die rechtsextreme Gruppen erfüllen, eben nicht von diesen erfüllt werden, sondern von anderen Angeboten – von Alternativen zum Rechtsextremismus. Dann kann man einiges verhindern." Zum Beispiel die Radikalisierung über soziale Medien. Matthias Quent fordert deshalb eine Investitionswelle in die Sozial- und Jugendarbeit und in die Bildungsarbeit an den Schulen.
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